Bitte was? Muss das nicht Polykrisen heißen? Polykrise war tatsächlich ein Kandidat für das Wort des Jahres 2023. Der Begriff beschreibt multiple Krisen, die sich gegenseitig verstärken. Und er hat Karriere gemacht im vergangenen Jahr. Nach Banken-, Staatsschulden- und Coronakrise erschütterte im letzten Winter die Energiekrise alle Bereiche unserer Gesellschaft. Statt einem verheerenden Angriffskrieg ein Ende zu setzen, hat die Welt einen zweiten im Nahen Osten gesehen, und im Inland ging das Gespenst der Inflation um, garniert mit einer anhaltenden Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft und einem strauchelnden Staatshaushalt. Marode Infrastruktur, anhaltender Fachkräftemangel und überbordende Bürokratie taten ein Übriges – Krise, wohin man schaut?
Wenn es sich gegenseitig verstärkende Risiken gibt, dann muss es auch sich gegenseitig stärkende Chancen geben. Und die gibt es in der Tat. Polychancen sozusagen. Drei davon seien genannt. Erstens: Diese Welt verfügt über praktisch endlose Ressourcen jenseits fossiler und nuklearer Energie. Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft, Geothermie sind tendenziell unerschöpflich und übersteigen unsere kühnsten Bedarfe um Lichtjahre. Zweitens: Wir verfügen, dem Ingenieur sei’s gedankt, über das technische Wissen, wie diese klimaneutralen Quellen zu nutzen sind. Drittens: Wir haben die Fähigkeiten, dieses Wissen in die Tat umzusetzen.
Was uns (nur) noch fehlt, sind die politische Kraft und der gesellschaftliche Konsens, es auch zu tun. Für den Abbau sinnloser Bürokratie gilt übrigens nichts anderes. Investitionen in die Infrastruktur – von Straße und Schiene über Mobilfunk und Breitband bis zu Wasserstoff – dürfen nicht an der Finanzierung scheitern. Denn die Grenze zwischen vernünftig/verantwortbar und unvernünftig/verantwortungslos verläuft nicht zwischen Schuldenbremse und Notlage, sondern zwischen investiven und konsumtiven Staatsausgaben. Erstere sichern die Zukunft unserer Kinder und dürfen, ja müssen deshalb finanziert werden, Letztere tun das nicht.
Wer das Wissen hat und die Möglichkeiten, der hat auch die Chancen. Unsere Mitgliedsunternehmen, wir alle haben beides. Und keinen Grund, daran zu zweifeln. Wo für bestehende Herausforderungen neue Lösungen gefunden werden, entstehen auch neue Märkte. Märkte, die es zu erobern gilt, Technologien, an deren Spitze Wachstum generiert und Wohlstand gesichert werden kann. Die Erfahrung lehrt: Aus der Krise wächst die Kraft. Nutzen wir sie!
Redaktion, Verlag und Anzeigenverwaltung der „Wirtschaft im Südwesten“ und die Industrie- und Handelskammern im Regierungsbezirk Freiburg wünschen allen Mitgliedern, Partnern, Kunden und Lesern ein erfolgreiches Jahr 2024.
Ihr Claudius Marx