Zum Jahreswechsel endet nach 18 Jahren die Dienstzeit von Claudius Marx als Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee. Auf ihn folgt Katrin Klodt-Bußmann. Sie wird ab Januar als neue Hauptgeschäftsführerin die IHK leiten. Heike Wagner, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Umweltreferentin der IHK Hochrhein-Bodensee , hat mit beiden gesprochen und sie gefragt, wie es der regionalen Wirtschaft geht, wo die Herausforderungen liegen und welchen Rat Claudius Marx seiner Nachfolgerin mit auf den Weg gibt.
Herr Marx, viele, viele Jahre haben Sie als Hauptgeschäftsführer die IHK geprägt. Im Januar übergeben Sie das Staffelholz. Wie ist Ihre Einschätzung, wie hat sich die Wirtschaft in der Region während Ihrer Zeit bei der IHK verändert?
Claudius Marx: Die Region hat viel von ihrem etwas Provinziellen verloren. Im besten Sinne. Sie ist weltoffener geworden, lebendiger und agiler. Diese Region hat sich immer wieder neu erfunden, hat sich zur benachbarten Schweiz geöffnet und mit ihr vernetzt. Tausende Pendlerinnen und Pendler, die täglich zur Arbeit in die Schweiz fahren, die Schweizer Kundschaft, die zu uns kommt, weil sie das Einkaufserlebnis schätzt, und die Unternehmen, die häufig Standorte auf beiden Seiten der Grenze unterhalten, sorgen dafür, dass sich die Region immer weiter grenzüberschreitend – immer weniger entlang politischer Grenzen – entwickelt. Das ist eine schöne Entwicklung.
Frau Klodt-Bußmann, auch Sie sind seit vielen Jahren in der Region zu Hause, waren bis Dezember Wirtschaftsprofessorin an der HTWG in Konstanz. Welche Beobachtungen haben Sie gemacht?
Katrin Klodt-Bußmann: Die regionale Wirtschaft ist vielfältiger, jünger und innovativer geworden. Es haben sich zahlreiche Unternehmen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Robotik und Nachhaltigkeit angesiedelt. Auch die Tourismus- und Gastro-Szene ist bunter geworden. Zu der positiven Entwicklung in der Region hat sicherlich die hohe Lebensqualität beigetragen. Genau deswegen kehren viele Menschen, die in der Region aufgewachsen, aber nach der Schulzeit wegzogen sind, mit neuen Ideen in die Heimat zurück.
Ist die Nachbarschaft zur Schweiz eine Herausforderung oder ein Segen für die Wirtschaftsregion?
Marx: Die Frage kann man nur mit einem klaren „Segen!“ beantworten. Die Summe der Vorteile, die wir auf beiden Seiten aus einer engen Vernetzung unserer Wirtschaftsräume ziehen, überwiegen haushoch gegenüber den Nachtteilen. Das heißt nicht, dass Nachbarschaft nicht auch mühsam sein kann. Je intensiver der Austausch von Waren und Dienstleistungen, je intensiver der Verkehr von Menschen, desto höher ist eben auch der Bedarf an Abstimmung und fairem Ausgleich der Interessen.
Klodt-Bußmann: Herausfordernd ist bestimmt die Situation, dass die Schweiz kein EU-Mitglied ist. Die Vielfalt im Einzelhandel und in der Gastronomie entlang der Schweizer Grenze ist aber zu einem großen Anteil genau dieser Tatsache geschuldet. Die Nähe zur Schweiz sollten wir immer als Chance begreifen.
Zu den Personen
Katrin Klodt-Bußmann (52) ist seit Januar 2024 die neue Hauptgeschäftsführerin der IHK Hochrhein-Bodensee. Zuvor war sie Professorin für Wirtschaftsrecht sowie für eine Großkanzlei und einen Automobilkonzern tätig.
Claudius Marx (64) hat von 2006 bis 2024 als Hauptgeschäftsführer die IHK Hochrhein-Bodensee geleitet. Er war zuvor als Rechtsanwalt in Stuttgart und als Hochschullehrer in Rheinland-Pfalz tätig.
Auf diplomatischer Seite herrscht zwischen der EU und der Schweiz ein wenig Eiszeit: Wagen Sie beide dennoch eine
positive Prognose für die Wirtschaft?
Klodt-Bußmann: Angesichts der zahlreichen Gespräche zwischen deutschen und Schweizer Akteuren und dem spürbaren Willen auf beiden Seiten, die enge Zusammenarbeit zu vertiefen, bin ich sehr optimistisch, dass sich die positive Entwicklung der Wirtschaft rund um den Bodensee fortsetzen wird.
Marx: Schweiz und EU – das scheint eine „Never Ending Story“ zu sein. Und diese Story zeigt ein wiederkehrendes Muster. EWR-Mitgliedschaft, EU-Beitritt, Flugverkehrsabkommen, Institutionelles Rahmenabkommen, im ersten Anlauf gelingt uns fast nichts. Aber im Zweiten oder Dritten sind wir dann richtig gut. Weil wir uns eben doch mögen oder wenigstens brauchen. Und weil das so ist, haben wir in keinem Moment wirklich aufgehört, Handel miteinander zu treiben, Forschungskooperationen zu schließen, Arbeitnehmende zu entsenden – auch ohne Abkommen. Vielleicht machen wir es uns in Zukunft ein klein bisschen einfacher. Das wäre schön.
Frau Klodt-Bußmann, Sie waren schon um die Jahrtausendwende für die IHK tätig. Jetzt kommen Sie zurück. Worauf freuen Sie sich in Ihrer Funktion als Hauptgeschäftsführerin?
Klodt-Bußmann: Ganz besonders freue ich mich auf die Vielfalt an Themen und die enge Zusammenarbeit mit den Mitgliedsunternehmen und der Politik, regional und überregional – und darauf, meine Erfahrungen sowie Expertise aus Wirtschaftskanzleien, Industrie und Hochschule einzubringen. Und ich freue mich, die anstehenden Aufgaben mit den Mitarbeitenden der IHK „anzupacken“.
Herr Marx, wie würden Sie beschreiben, was Ihre Nachfolgerin erwartet – „gemähtes Wiesle“ oder Steinbruch?
Marx: Weder noch. Ein „gemähtes Wiesle“ gibt es nicht, weil das, was wir in der IHK tun, keinen Anfang und kein Ende kennt, es ist nie „fertig“. Ob Steuern und Abgaben, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Energie oder Bürokratie: Die Rahmenbedingungen für unsere Mitgliedsunternehmen zu verbessern, ist eine Daueraufgabe. Was meine Nachfolgerin erwartet, ist wie eine Kombination aus Staffellauf und Marathon – sie übernimmt den Stab und sie hat eine Langstrecke vor sich. Das muss man mögen. Wer das als „Steinbruch“ empfindet, hat schnell keine Freude mehr.
Führungswechsel heißt auch Generationswechsel. Die heute junge Generation schaut nicht sorglos in die Zukunft. Wird es den Menschen in fünf oder zehn Jahren besser gehen als heute?
Klodt-Bußmann: Die junge Generation blickt zu Recht sorgenvoll in die Zukunft. Sie erlebt eine Krise nach der anderen – Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise, Flüchtlingskrise. Ob es den Menschen in fünf oder zehn Jahren besser gehen wird, hängt neben der Entwicklung der globalen Krisen und deren Einfluss auf die regionale Wirtschaft auch davon ab, wie die Menschen mit der jeweiligen Situation umgehen. Mehr Zuversicht wäre hilfreich, eine Art positive Aufbruchstimmung.
Marx: Meine Erwartung ist: Es wird ihnen nicht „besser“ im herkömmlichen Sinne gehen, sondern „anders“. Künftige Generationen werden nicht in noch größeren Häusern wohnen, sie werden nicht noch breitere Autos fahren und sie werden auch nicht noch öfter noch weiter wegfliegen. Vielleicht wohnen sie in smarten, kleinen Lofts und arbeiten mobil, vielleicht fahren sie viel mit dem Rad oder E-Scooter, vielleicht machen sie Urlaub in der Region. Aber das wird kein schlechteres Leben sein, sondern ein intelligenter organisiertes, ein ökologisch verträglicheres und vielleicht auch ein bewussteres und gesünderes – und damit durchaus ein „besseres“.
Interview: Heike Wagner
Bild: Staffelstabübergabe bei der IHK – Katrin Klodt-Bußmann (l.) und Claudius Marx