Wer ein Unternehmen gründet, hat meist eine gute Idee, aber wenig Erfahrung, wie man sie erfolgreich auf die Straße bringt. Etablierte Unternehmen besitzen auf diesem Gebiet reichlich Know-how – und könnten dagegen innovative Ansätze oft gut gebrauchen. Was liegt da näher, als den Schulterschluss zu suchen? Wir haben nachgefragt, wie dem Nachwuchs in der Region geholfen wird und was alle davon haben.
Vor wenigen Tagen ist sie in eine neue Runde gegangen, die TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Fünf erfolgreiche Unternehmer nehmen einmal wöchentlich die Geschäftsideen von Existenzgründern unter die Lupe und steigen als Investoren mit einigen Hunderttausend Euro beim Nachwuchs ein – oder eben nicht. Etliche Produkte haben es so schon in den Markt geschafft. Die zwölf Staffeln haben das Thema Gründungsförderung in der Öffentlichkeit über die Jahre mitgeprägt. Auch wenn gelegentlich Begriffe wie Know-how und Netzwerk fallen, im Gedächtnis bleibt „Geld gegen Firmenanteile“.
Dass in solch einer Beziehung aber viel mehr Potenzial für beide Seiten steckt, das zu vermitteln und für einen regen Austausch zu sorgen, haben sich Gründungsberater wie Christian Müller von der IHK Südlicher Oberrhein zur Aufgabe gemacht. „Das eine oder andere etablierte Unternehmen beschäftigt sich schon gezielt mit Start-ups, auch bei den Gründungsinitiativen und Acceleratoren in der Region sind manche bereits als Mentoren oder Finanzierer unterwegs, aber in der Summe könnte die Resonanz viel größer sein“, stellt Müller fest. Was die Unternehmen abhält? Man weiß es nicht. Möglicherweise ist es einfach die Unkenntnis über die Vorteile für alle Beteiligten, schätzt Malaika Lauk, Geschäftsführerin von Lauk Ventures und Seniorberaterin beim Start-up-Accelerator BadenCampus.
Die Vorteile für den Gründernachwuchs liegen auf der Hand und reichen von Kapital über fachliches und unternehmerisches Wissen bis hin zu Netzwerk und Marktzugang. So wünschten sich zum Beispiel im DIHK-Report Unternehmensgründung 2022 zwölf beziehungsweise elf Prozent der befragten Gründer einen besseren Zugang zu Fremd- und zu Beteiligungskapital. Neben den elf Prozent, die den Kontakt zu anderen Gründern vermissten, wollten sich acht Prozent auch gerne stärker mit etablierten Unternehmen vernetzen. Immerhin. Und die bundesweite Befragung der IHK-Gründungsberater in der gleichen Studie ergab, dass es den Jungunternehmen zu oft an grundsätzlichem unternehmerischen Know-how fehlt. Ansätze für den Wissenstransfer von alt nach jung gibt es also reichlich.
Nachgefragt...
Alter Hase: Sevdesk, Offenburg
Wissen weitergeben
Alter Hase: Südvers, Au bei Freiburg
Eine eigene Firma für Innovationen
Junge Wilde: Die Burg, Aasen
Kulinarisches Investment
Alter Hase/junger Wilder: Christian Funk Holding, Offenburg
Das Beste aus analoger und Onlinewelt
Alter Hase/junger Wilder: Reisebüro Stiefvater, Weil am Rhein
Gründen in eigener Sache
Alter Hase: Eto-Gruppe, Stockach
Von Start-ups viel gelernt
Alter Hase: Pfizer, Freiburg
Cocreate mit jungen Innovatoren
Nie zu alt um dazuzulernen
Doch was können die jungen Wilden für die alten Hasen tun? Auch hier sind die Antworten sehr unterschiedlich, wie schon die Unternehmensbeispiele auf den kommenden Seiten zeigen. Viele Etablierte suchen innovative Ideen und Technologien für ihre eigenen anstehenden Transformationsprozesse, die nächsten sind an der Erweiterung ihrer Produkt- oder Dienstleistungspalette interessiert, etwa im digitalen Bereich. „Andere lernen über den Nachwuchs erstmals agilere Arbeitsmethoden und Kommunikationsformen kennen“, weiß IHK-Berater Christian Müller. Zudem lassen sich wichtige Infos und Einblicke fürs eigene Fachkräfterecruiting gewinnen. Wie tickt die Jugend? Wie will sie arbeiten?
Solch ein Austausch ist darüberhinaus nicht nur ein Jungbrunnen für die Old Economy. Es geht dabei auch um die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen Region, wie Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, kürzlich auf einer Mitgliederveranstaltung betonte. Zum einen seien junge Unternehmen die Arbeitgeber der Zukunft – und möglicherweise dann auch große Arbeitgeber. Zum anderen wird eine Region durch spannende Unternehmen und eine lebendige Gründerszene insgesamt attraktiv. Das zieht Fachkräfte, Know-how, Investitionen, Infrastruktur.
Es geht auch ohne Kapital
Die Bandbreite der Möglichkeiten für etablierte Unternehmen, sich in der Gründerszene einzubringen, ist groß und reicht von der Unternehmensbeteiligung, in der dann tatsächlich Kapital fließt, bis zu sehr niedrigschwelligen Vortragsangeboten auf Gründerveranstaltungen.
Expertise aus erster Hand wird vom Nachwuchs sehr geschätzt, weiß Maik Schirling, Gründungsberater bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, und skizziert beispielhaft das Konzept der Gründergarage, einem Intensivcoaching für fortgeschrittene Gründer, das seine IHK zweimal pro Jahr startet. „Nachdem die Gründer über vier Monate Schulungen zu allen gründungsrelevanten Themen hatten, haben sie die Möglichkeit, sich einen Paten zu für sie bedeutsamen Themen zu wünschen. Sei es einen Experten für Kundenakquise , Markenaufbau oder Socialmedia-Strategien“. Rund 50 der bislang 65 Gründergarage-Absolventen haben das Angebot in Anspruch genommen. Schirling und seine Kollegen sprechen dann Unternehmer aus der Region an, die passen könnten. „Und die Bereitschaft mitzumachen, ist ausgesprochen groß“, berichtet er. Gut 80 Prozent sagen zu und sind gerne bereit, für Fragen zur Verfügung zu stehen. „Es ist ein überschaubares, sehr spezifisches Engagement, auf das sich die Mentoren gerne einlassen. Die haben Spaß am Coaching, die Gründer sind dankbar und nicht selten entstehen daraus langjährige Kontakte und Freundschaften.“
Ähnliche Angebote haben auch die anderen IHKs und Gründungsinitiativen. Überall sind Unternehmen, die bereit sind, ihr Know-how zu teilen, heiß begehrt, sei es, dass sich jemand mit dem Bau von Prototypen auskennt, bestimmte Herstellungsprozesse erklären kann oder über die Abläufe in Kliniken Bescheid weiß. „Es bringt den Gründern unglaublich viel, einfach mal eine Stunde mit solch einem Fachmann zusammenzusitzen“, weiß Malaika Lauk vom BadenCampus.
Beziehungshelfer manchmal sinnvoll
Die Beispiele zeigen auch, dass Start-up-Engagement sehr wohl ohne großen Kapitaleinsatz funktionieren kann und auch etwas für kleine und kleinste Unternehmen ist. Um zu erklären, was eine gute Webseite ausmacht, braucht man kein Konzern zu sein. Und auch ein kleiner Einzelhändler hat bereits Personal geführt, Abrechnungen gemacht und Preise kalkuliert. Erfahrungen, die einem Gründer noch bevorstehen und bei denen man ihm freundlich unter die Arme greifen kann. Wer weiß, wozu solch ein Kontakt dann führt und inspiriert.
Ist ein etabliertes Unternehmen auf der Suche nach Start-ups mit bestimmten Technologien, können IHKs und andere Gründungsinitiativen bei der Suche, beim Matchen und Anbahnen helfen. Und auch bei der Zusammenarbeit muss man erst zueinander finden. Denn selbst, wenn vieles Klischee ist, Traditionsunternehmen brauchen in den Augen der Gründer dennoch oft irritierend lange für Entscheidungen, während der Nachwuchs nach Meinung der Etablierten schon etwas unbedarft und lax an komplexe Sachverhalte geht. „Lieber erstmal klein anfangen, mit einem Start-up und einem Projekt, das man dann tatsächlich realisiert und in seinen Effekten bewerten kann, als sich mit vielen Baustellen zu verzetteln“, rät deshalb Christian Müller. Projekte sind ohnehin die bei etablierten Unternehmen bevorzugte Kooperationsform mit Start-ups, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Campana Schott 2018 ergab (siehe Grafik Seite 7) – weil man sich damit höhere Erfolgschancen ausrechnet als mit allgemeinen Förderprogrammen.
„Am Anfang kann es immer mal holpern, weil man eben aus unterschiedlichen Welten kommt. Aber die Einsicht, dass die Zusammenarbeit mehr Vor- als Nachteile hat, setzt sich meist durch“, stellt Alexander Vatovac, Leiter des Geschäftsfeldes Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK Hochrhein-Bodensee, beruhigend fest.
In der Campana-Schott-Studie sah jedes zweite etablierte Unternehmen tatsächlich als größte Gefahr für den Erfolg die fehlende Bereitschaft des eigenen Unternehmens zur Kooperation mit dem Start-up. Nur 12,5 Prozent zogen die Hingabe des Nachwuchses in Zweifel. Entscheidend dürfte deshalb wohl sein, dass die Chemie zwischen den Unternehmen stimmt und man einander auf Augenhöhe begegnen kann. Was so mancher Firma mit jahrhundertealter Tradition und Weltmarktführerstatus nicht leichtfällt. Alexander Vatovac rät deshalb zum Perspektivwechsel: „Nur weil man lange im Markt existiert, heißt das nicht, dass das weiter so sein wird.“ Beide Seiten tun gut daran, die Vorurteile abzulegen und unvoreingenommen zu überlegen, wie man voneinander profitieren kann. Die Campana-Schott-Studie lässt hoffen: Danach bezeichneten zwei Drittel der alten Hasen und jungen Wilden ihre Zusammenarbeit als erfolgreich. 83 Prozent sahen ihre Erwartungen erfüllt. Und 73 Prozent der etablierten Unternehmen haben fest vor, mit Start-ups zusammenzuarbeiten.
Text: Ulrike Heitze
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Starthilfe
- „Startup trifft Mittelstand“.Veranstaltungs- und Matching-Plattform der baden-württembergischen IHKs. Für etablierte Unternehmen und Gründer. Oktober Schwerpunkt Life Science, Medtech und Biotech, 10. November Maschinenbau, IoT, Greentech, 8. Dezember KI, Robotics, Digitales. www.startup-mittelstand.ihk.de
- Startercenter Südwest. Verbund der drei IHKs im Südwesten zur Unterstützung von Existenzgründern. Unter anderem Online-Seminarreihe „Gründer Tea Time“ und monatliche Online-Existenzgründer-Workshops ab September. startercenter-suedwest.de.
- Übersicht der IHK-Beratungsangebote für Gründer:
- IHK Hochrhein-Bodensee: ihk.de/konstanz 1668998
- IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: ihk.de/sbh/gruender
- IHK Südlicher Oberrhein: ihk.de/freiburg/starthilfe/unternehmensgruendung2
- Individuelle Gründungsberatung der IHKs. Hilfe zu Businessplänen, Rechtlichem, Netzwerken, Stellungnahmen für Finanzmittel, zur Förderlandschaft, Rechtsformwahl). Ansprechpartner siehe Kasten links.
- Gründungswerkstatt der IHKs und Handwerkskammern.gruendungswerkstatt-deutschland.de sowie www.gruendungswerkstatt-baden-wuerttemberg.de
- Gründergarage der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Kostenfreies Intensivcoaching für fortgeschrittene Gründer über vier Monate. Bewerben bis September, Start im Oktober. Infos und Bewerbung: gruendergarage@vs.ihk.de 07721 922-349 www.gruendergarage-sbh.de
- „Soziale Absicherung für Gründer:innen“, Vortrag, Oktober, 15 Uhr, online, im Rahmen der Frauenwirtschaftstage 2022 unter dem Titel „Frauen.Gründen.Zukunft“. www.startercenter-suedwest.de
- Start-up BW Summit. Event für Start-ups und Gründungen in Baden-Württemberg am September, organisiert durch die Landeskampagne Start-up BW. www.summit.startupbw.de
- Gründungsseminare der IHK Hochrhein-Bodensee. ihk.de/konstanz, live in Konstanz 2987422, live in Schopfheim 2485692, online 5144484
- Startschuss Gründung. Monatliche Einführungsseminare der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg für Gründer in der Frühphase ihk.de/sbh 4412788
- Auswahl an Acceleratoren in der Region: Black Forest Innovation www.bf-innovation.com, Baden-Campus badencampus.de, Smart Green www.smartgreen-accelerator.de
- Auswahl an Gründungsinitiativen in der Region: Startinsland www.startinsland.de, Foundersnet www.foundersnet.de (früher StartUp.connect startupconnect.rocks). Startupnetzwerk Bodensee www.startup-netzwerk-bodensee.com
- Service-„Tool für Gründer:innen“. Für die ersten Schritte in die Selbstständigkeit. www.ihk.de/freiburg 5443574
- Offensive Regio. Deutsch-französisches Gründerportal. offensive- regio.de
- Startup-Academy. Schweizerisch-deutsches Gründerportal. startup-academy.ch
- Biovalley. Trinationales Netzwerk von Biotech- und Life-Sciences Firmen von Offenburg über www.biovalley.de
- Unternehmer:innen für Gründer:innen. Private Unternehmerinitiative in Konstanz. ufg-konstanz.de
IHK-Ansprechpartner:
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexander Vatovac
Telefon: 07531 2860-135
Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de
www.ihk.de/konstanz – 1668998
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Maik Schirling
Telefon: 07721 922-349
Mail: schirling@vs.ihk.de
www.ihk.de/sbh/gruender
IHK Südlicher Oberrhein:
Christian Müller
Telefon: 07821 2703 641
Mail: christian.mueller@freiburg.ihk.de
www.ihk.de/freiburg/starthilfe/unternehmensgruendung2