Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Auch in der Sprache. To leave your comfort zone ist ganz unbemerkt zu uns gekommen und als Raus aus der Komfortzone schon in den Sprachalltag integriert. „Leicht abwertend“, so der Duden, beschreibe der Begriff einen von Bequemlichkeit und Risikofreiheit geprägten Bereich.
Wie auch immer – was wir zu diesem Jahreswechsel erleben, ist tatsächlich das Verlassen einer Komfortzone, in der wir es uns gut eingerichtet hatten: Billiges Gas aus Russland (mit dem sich auch noch Ökopunkte verdienen und das verpönte Fracking vermeiden ließen), Sparen bei Armee und Verteidigungshaushalt durch Outsourcing von Verteidigung und Sicherheit an USA und Nato und schließlich der mächtige Strom von günstigen Vorprodukten und essenziellen Rohstoffen aus China – das waren Zutaten für jahrzehntelanges Wachstum einer globalisierten Wirtschaft. So jedenfalls sehen es, nicht erst heute und mit teils unverhohlener Kritik, unsere amerikanischen Freunde.
Die Wahrheit ist, wie könnte es anders sein, etwas komplexer. Fakt aber ist, dass wir auf diese drei Säulen nicht mehr werden bauen können. Das Gas strömt nicht mehr aus der Nord-Stream-Pipeline, die Ertüchtigung der Landesverteidigung erfordert enorme Anstrengungen und die gerade bei Schlüsseltechnologien wie Elektromotoren, Windkraftturbinen und Robotik markante Abhängigkeit von China muss durch eine gezielte Diversifizierung der Zuliefererstrukturen überwunden werden.
Das alles wird anstrengend werden. Es wird viel Kraft und – zumindest vorübergehend – auch einigen Wohlstand kosten. Aber es wird uns auch nach vorne bringen und stärker machen. Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demographie, die großen Herausforderungen der Gegenwart, bergen ebenso große Chancen. Sie zu ergreifen, heißt, all die Veränderungsprozesse, die wir schon vor dem 24. Februar 2022 eingeleitet haben, nicht aufzugeben und nicht zu unterbrechen, sondern – im Gegenteil – beschleunigt, mit Tatkraft, Zuversicht und positivem Gestaltungswillen voranzubringen. Dass uns das bereits in 2023 ein gutes Stück weit gelingt, ist zu wünschen. Und, vor allem anderen, dass der verbrecherische Angriffskrieg ein Ende nimmt.
Redaktion, Verlag und Anzeigenverwaltung der „Wirtschaft im Südwesten“ sowie die Industrie- und Handelskammern im Regierungsbezirk Freiburg wünschen allen Mitgliedern, Partnern, Kunden und Lesern ein erfolgreiches Jahr 2023.
Ihr Claudius Marx