Jedes Jahr trifft sich die globale Kreativszene in Frankreich beim Cannes Lions International Festival of Creativity. Daniel Hofmeier, Filmproduzent aus Villingen-Schwenningen, war Teil einer Delegation aus Baden-Württemberg. Er bringt spannende Impulse mit für werbende – und noch nicht werbende – Unternehmen aus der Region und für die Kreativwirtschaft selbst.
Herr Hofmeier, Ihre Branche, die Werbeschaffenden, ist eher in den Medienmetropolen des Landes zu Hause als im ländlichen Raum. Oder täuscht der Eindruck?
Daniel Hofmeier: Es ist durchaus komplex. Eine Studie hat kürzlich tatsächlich ergeben, dass Baden-Württemberg gerade mal auf ein Prozent der Film- und Fernsehproduktionen kommt – obwohl wir den SWR hier haben und eine sehr gute Branche für die Erstellung von visuellen Effekten (VFX). Zum Vergleich: Nordrhein-Westfalen liegt bei 46, Bayern bei 22 Prozent. Andererseits sind die Kreativen hierzulande im Werbebereich immens stark. Allein in der IHK-Region Schwarzwald-Baar-Heuberg sind 1.578 Kreativschaffende aktiv.
Zur Person
Daniel Hofmeier (32) hat in Stuttgart Digitaler Film & Animation studiert und ist mit der Gründung der Ivory Tower Filmmanufaktur als Filmproduzent in seine Heimat Villingen-Schwenningen zurückgekehrt. Für seine Projekte arbeitet er mit spezialisierten Freelancern und Partnerunternehmen zusammen. Beim Cannes Lions International Festival of Creativity, dem weltweit größten Event der Kreativszene, war er im Sommer mit einer neunköpfigen Delegation aus Baden-Württemberg vertreten.
Für Interessierte hat er seine Eindrücke und Erkenntnisse von der Konferenz noch weiter aufbereitet: www.ivorytower.productions/canneslions2022
Sie sind Filmproduzent in Villingen-Schwenningen. Welche Vorteile hat der Standort?
Ich mag die Region, und ich sehe auch das enorme wirtschaftliche Potenzial. Viele Unternehmen quer durch alle Branchen sind hier und wollen hierbleiben. Die Welt verändert sich: Angesichts der enormen Transformation, die in der Wirtschaft stattfindet, ist es für viele sinnvoll, Tür an Tür mit den Dienstleistern der Kreativbranche zusammenzuarbeiten – und mit dem geschäftlichen Interesse auch den Wohlstand hierzuhalten.
Der Südwesten ist die Heimat vieler Hidden Champions, vom Maschinen- und Autobau bis zur Medizintechnik. Trotzdem sind viele dieser Weltmarktführer dem breiten Publikum unbekannt. Ein Manko?
Ich vermute, viele Hidden Champions hatten bislang keinen Bedarf, wirkliche Marken-bildung zu betreiben. Sie waren sehr erfolgreich, es ging ihnen gut in ihrer Nische.
Gerade im B2B-Bereich haben Unternehmen eher den Sales-Bereich gestärkt. Ihnen war der direkte Kundenkontakt oft wichtiger als auf klassische Werbung zu setzen.
Sie benutzen die Vergangenheitsform. Ändert sich da gerade etwas?
Zumindest nehme ich das so wahr. Viele Unternehmen verlieren sicher geglaubte Geschäftsfelder. Allein die Automobilindustrie benötigt durch den Wechsel zur Elektromobilität viele Produkte von Zulieferern nicht mehr. Das ist ein großer Umbruch in der Branche. Wer mit neuen Produkten neue Märkte erschließen will und dies nicht gewohnt ist, kommt möglicherweise ins Straucheln.
Welche Vermarktungsstrategie würden Sie diesen Unternehmen empfehlen?
Eine allgemeine Antwort ist schwierig. Klassisches Performancemarketing ist der einfache Weg: Ich investiere in Klicks und kann dem Vorgesetzten zeigen, was ich erreicht habe. Markenbildung ist aufwändiger, zahlt sich erst mittel- und langfristig aus, lohnt sich aber auf lange Sicht auch für Unternehmen im B2B Bereich.
Die wichtigsten Trends für Kreative und Werbetreibende
- Wertebasierte, nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Botschaften werden immer wichtiger: Gerade die Generation Z fragt verstärkt nach dem Sinn und nach Verantwortlichkeiten.
- Brandmarketing könnte auch im B2B-Bereich an Bedeutung gewinnen und sinnvoll werden.
- Kleinere, agile Strukturen statt großer Silo-Agenturen, um auf steigende Kundenanforderungen besser zu reagieren.
- Diversität in Kreativteams verschafft Vorteile. Unterschiedliche Sichtweisen erhöhen das Bewusstsein, machen Unternehmen resilienter.
Homeoffice bietet Chancen, Personal auch (inter)national zu rekrutieren und so das Fachkräfteproblem zu lösen. - Junger kreativer Nachwuchs bringt wichtige Fähigkeiten und Impulse mit für die sich transformierende Welt.
Daniel Hofmeier
Warum lohnt es sich, eine Marke im B2B-Markt aufzubauen?
Auch im B2B-Geschäft werden Entscheidungen nicht immer nur rational getroffen. Ein Mitarbeiter, der beauftragt wird, eine Personalsoftware einzukaufen, wird seine Recherche bei dem Produkt beginnen, von dem er schon einmal gehört hat. Nicht selten ist es dieses Produkt, für das sich das Unternehmen dann auch entscheidet. Brandmarketing kann sich hier auszahlen. Speziell in Krisenzeiten ist das ein riesiges Potenzial, das brachliegt. Ich rate jedem auch im B2B-Bereich, das zu nutzen.
Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg baut derzeit den Arbeitskreis Kreativwirtschaft* auf. Was versprechen Sie sich davon?
Ich freue mich generell, an progressiven Konzepten mitzuarbeiten. Den Arbeitskreis sehe ich als wichtigen Schritt in der aktuellen Zeit. Für Unternehmen aller Branchen, die sich in einer Krise oder Transformation befinden, ist es gut, Kreative mit einzubinden, die auch mal über den Tellerrand hinausblicken. Sie können wichtige Impulse geben. Der Austausch im Arbeitskreis kann da sehr wertvoll sein. Das ist auch eine der Erkenntnisse vom Festival der Cannes Lions.
Sie sprechen das Topevent der internationalen Kreativszene an. Welche Erkenntnisse haben Sie mitgebracht?
Große Unternehmen – aus der Agentur-szene wie auch aus anderen Branchen – berichten, dass es zunehmend ratsam wird, Teams in Kreativbereichen möglichst divers zu besetzen, bezogen auf Geschlecht, Herkunft, Erfahrung. Und es lohnt sich auch für kleinere Betriebe, Stellen international zu besetzen. Verschiedene Sichtweisen machen Unternehmen langfristig resilienter und besser. Da wir seit Corona wissen, dass Remotearbeit einiges möglich macht, lässt sich darüber möglicherweise so manches Facharbeiterproblem lösen.
Gibt es weitere Trends?
Die Entwicklung geht weg von großen Kreativagenturen, hin zu kleinen, flexiblen, meist agileren Netzwerken und Kooperationen.
Bedürfnisse und Ansprüche von Kunden werden immer komplexer, da ist es sinnvoll, für jedes Projekt ein individuelles Team an Experten zusammenstellen zu können.
Interview: bb
Bild: Adobe Stock – REDPIXEL
*Mehr zum Arbeitskreis Kreativwirtschaft der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg bei Alexander Kiock, Referent Dienstleistungswirtschaft
Telefon: 07721 922-156
Mail: alexander.kiock@vs.ihk.de
Ein Interview mit Marketingcoach Daniela Lechler zu den Dos und Dont‘s im Marketing finden Sie unter https://www.wirtschaft-im-suedwesten.de/praxiswissen/marketing