Sisyphus lässt grüßen: Bei den Unternehmen ist die Akquise von Auszubildenden für den Start des neuen Lehrjahrs im Herbst in vollem Gange. Und oftmals gerät die Suche zu einer sehr zähen und kleinteiligen Angelegenheit. Wo lässt sich also noch ein Gang zulegen? In welche Richtung kann man beim Ausbildungsmarketing noch denken? Beispiele und Initiativen aus der Region zum Mitmachen und Abgucken.
Null von zwei, drei von sechs, sieben von 18 – Fragt man Unternehmen aus der Region nach ihrer aktuellen Quote von besetzten Ausbildungsstellen für den Herbst im Vergleich zur angepeilten Zahl, so tun sich reichlich Lücken auf. Dass sie sich noch alle komplett schließen lassen werden, davon kann man wohl nicht ausgehen – im vergangenen Jahr blieben etwa in den Arbeitsagenturbezirken Freiburg und Offenburg gut 1.200 Ausbildungsplätze unbesetzt, in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg waren es rund 700. Und dass nach wie vor die Bewerber auf dem Lehrstellenmarkt das Sagen haben, daran wird sich auch in diesem Jahr nichts ändern.
Und trotzdem, Grund zur Panik besteht längst noch nicht, darin sind sich alle Jobexperten einig. „Auf jeden Fall geht da für Unternehmen noch einiges“, versichert Christiane Möller aus dem Bereich Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein. „Diese junge Generation entscheidet sich spät, deshalb sind viele Entscheidungen noch nicht gefallen.“
Die Industrie- und Handelskammern beobachten seit Jahren den Trend, dass Verträge immer später abgeschlossen werden. Waren Betriebe früher schon im November, Dezember voll besetzt, „sind alle jetzt noch mittendrin“, bestätigt Miriam Kammerer, stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin Bildung und Prüfung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Einige größere und kleinere Ausbildungsbörsen stünden noch an, „so dass die Arbeitgeber gute Chancen haben, bis zum Sommer noch den einen oder anderen Jugendlichen für sich zu gewinnen, bevor es dann ruhiger wird.“
Beispiele und Initiativen aus der Region
Hinters Rolltor blicken lassen
Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen jetzt noch mal alles in die Waagschale werfen müssen, was sie an Engagement aufbringen können. Das A und O: den Jugendlichen Einblicke anbieten, regelrecht aufdrängen – in welcher Form auch immer. „Viele Jugendliche können sich unter den verschiedenen Berufen gar nichts vorstellen. Worin unterscheiden sich zum Beispiel die ganzen Metallberufe? Sind diese Unterschiede maßgeblich für die Jobentscheidung? Was bietet der Betrieb? Wer da erfolgreich Informationen an den Nachwuchs bringt, ist schon mal einen Schritt weiter“, meint Alexandra Thoß, Leiterin der Abteilung Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee.
Praktika haben ihrer Erfahrung nach mit den höchsten Klebeeffekt. Aber man müsse sie immer wieder aktiv anbieten wie Sauerbier. „Da hilft kein Jammern, von selber kommen die Jugendlichen nicht auf einen zu. Man muss sich um sie bemühen.“
Ihre IHK-Kollegin Christiane Möller ergänzt, dass Unternehmen darauf achten sollten, ihre Ausbildungsberufe modern zu verkaufen, und führt als Beispiel den Drogisten an. Junge Leute denken da gleich an Drogen, ihre Eltern möglichweise noch an Regale mit verstaubten Apothekerfläschchen – beides falsch und vor allem nicht sexy. Mit einem anderen Wording würde man mehr Jugendliche erreichen.
Unternehmen könnten zudem jetzt noch schauen, ob sie kurz- oder mittelfristig Bewerberkreise ins Auge fassen, die sie zuvor vernachlässigt haben. Junge Eltern insbesondere Mütter, die sich vielleicht für Ausbildungen in Teilzeit gewinnen lassen, oder Studienzweifler, die zum Beispiel Elmar Häusler, Ausbildungsleiter technische Berufe bei Maggi in Singen, für die kommenden Jahre stärker ins Visier nehmen möchte. „Es gibt in den MINT-Studienfächern unglaublich hohe Abbrecherquoten. Unsere Erfahrung aus dem eigenen Hause ist, dass so mancher mit einer dualen technischen Ausbildung glücklicher wäre. Den muss man nur irgendwie erreichen.“
Viel hilft viel
Unterm Strich, so schätzt der erfahrene Recruiter, müsse man inzwischen den drei- bis vierfachen Aufwand als noch vor zehn Jahren betreiben, um alle Lehrstellen zu besetzen. Und man müsse multipräsent sein. „Manches funktioniert, manches nicht. Leider lässt sich das vorher kaum abschätzen.“
So beobachtet Christiane Möller bei den Jugendlichen zwei Phasen bis zur Unterschrift unter einen Ausbildungsvertrag, in denen unterschiedliche Ansprachen erfolgreich sein könnten. In der ersten, der Orientierungsphase, blieben die jungen Leute unter sich. Infos werden über Instagram und Youtube bezogen und besprochen, Pläne dort geschmiedet. Ohne Social Media geht für ein ausbildendes Unternehmen also so gut wie nichts mehr.
Wenn dann aber die konkrete Entscheidung ansteht, welches Unternehmen es denn schließlich werden solle, kämen wieder die Schule, die Eltern, die Großeltern ins Spiel. „Und dann können vielleicht auch wieder klassische Printanzeigen sinnvoll sein“, meint sie. Die Jugendlichen lesen keine Zeitung mehr, aber vielleicht verfängt man mit seiner Botschaft bei den Eltern, so das Kalkül.
Auf allen Ebenen unterwegs sein
Auch auf anderen Wegen suchen Unternehmen Kontakt zu den Ratgebern der Jugendlichen. So ermöglichte etwa die Freiburger Elektrotechnik-Gruppe Alexander Bürkle gemeinsam mit der IHK Südlicher Oberrhein Lehramtsreferendaren, die mal in der Berufsorientierung arbeiten werden, per Betriebsbesichtigung Einblicke in die Praxis, damit sie Jugendliche kompetenter beraten können.
Auch Patrick Karl, Müllermeister von der Rubin Mühle, berichtet, dass er in den letzten Monaten mehr Betriebsbesichtigungen für breitere Kreise anbietet, nicht zuletzt, um Eltern und Großeltern seiner Zielgruppe zu erreichen. Auch bei der Lahrer Unternehmensinitiative Jobxpedition will man näher an Eltern und Schulen heran.
Christiane Möllers Rat zum Schluss: „Mit der Vertragsunterzeichnung muss das Onboarding beginnen.“ Sei es über die Einladung zum Sommerfest oder regelmäßige Wasserstandsmeldungen zum Ausbildungsstart, „Betriebe müssen in Kontakt bleiben“. Damit die Jugendlichen im Herbst tatsächlich auftauchen und nicht noch woanders unterschreiben oder sich den neuen Job von Mitschülern schlecht reden lassen. Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.
Text: Ulrike Heitze
Bild: Adobe Stock – Cookie Studio
Infos, Aktionen, Angebote rund um Ausbildung
- Karrieremessen: Jobs for Future, Villingen-Schwenningen, 14. bis 16. März, www.jobsforfuture-vs.de. jobDAYS, Singen, 11./12. April (inklusive Ausbildungsplatzbörse, auch für Betriebe, die nicht ausstellen), www.mattfeldt-saenger.de/jobdays-singen. Berufsinformationsmesse (BIM), Offenburg, 19./20. April, www.berufsinfomesse.de. Ausbildungsbörse Protut, 27./28. April, in Tuttlingen, www.ausbildungsboerse-protut.com. Starter Rottweil, 14./15. Juni, starter-rottweil.de. Last-Minute-Messen der Arbeitsagenturen meist im Juli.
- IHK-Beratung rund um Ausbildung: Direkte Ansprechpartner siehe unten. Onlineinfos zu den IHK-Angeboten etwa zu den Themen Ausbildungsbotschafter, Bildungspartnerschaften, Bildungsberater, Teilzeitausbildung, Studienabbrecherberatung:
IHK Hochrhein-Bodensee www.ihk.de/konstanz/berufliche-bildung/ausbildung/ausbildung-themenseite-uebersicht
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg www.ihk.de/sbh/ausbildung
IHK Südlicher Oberrhein www.ihk.de/freiburg/bildung - Praktikumswochen: Die landesweite Plattform bringt Jugendliche und Betriebe zu Tagespraktika zusammen. Jetzt noch Angebote für die Praktikumswochen rund um Ostern (11. März bis 5. April) eintragen. Nächster Schwung dann in den Herbstferien. www.praktikumswoche-bw.de
- FirmenEntdeckerTage: Praktikumsoffensive in den Pfingst- und Sommerferien im Landkreis Konstanz. Initiative der IHK Hochrhein-Bodensee, der HWK Konstanz, der Arbeitsagentur und des Landkreises. Mitmachangebot für Unternehmen. www.ausbildung-kreis-konstanz.de/orientieren/firmenentdeckertage
- Woche der Ausbildung: 11. bis 15. März. Bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Career Walks mit der IHK auf der Jobmesse Jobs for Future für Schüler und Eltern für kaufmännische und technische Berufe, Gastro, Hotellerie, Einzelhandel, sonstige Dienstleistungen.
- IHK-Lehrstellenbörse: Für Schüler und Unternehmen. www.ihk-lehrstellenboerse.de
- Ausbildungsoffensive Landkreis Konstanz: Infoportal mit Infos für Schüler zur Berufsorientierung inklusive Social-Media-Kampagne. Initiative der IHK Hochrhein-Bodensee, der HWK Konstanz, der Arbeitsagentur und des Landkreises. www.ausbildung-kreis-konstanz.de
- „Jetzt #könnenlernen“-Azubikampagne: Unternehmen, die kein eigenes Material fürs Azubimarketing haben, können das (individualisierbare) Werbematerial aus der IHK-Kampagne verwenden – von Print über Social Media bis Videoclips. Infos dazu bei der jeweiligen IHK.
- Ausbildungsbroschüre „Jetzt #könnenlernen. Ausbildung macht mehr aus uns.“ der IHK Hochrhein-Bodensee: Erscheint im April. Interessierte können sich für die kommende Ausgabe vormerken lassen. Infos: Alexandra Thoß.
- Azubi-Guide der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Print- (und Online-)broschüre für Schüler. Mitmachmöglichkeit für Unternehmen. Die nächste Ausgabe erscheint im März. Interessierte können sich für die kommende Ausgabe vormerken lassen. Infos: Miriam Kammerer (Kontaktdaten siehe unten) www.ausbildungsguide-sbh.de
- Mehr zur Ausbildung in Teilzeit www.ihk.de/freiburg – 4687240 oder unter netzwerk-teilzeitausbildung-bw.de
- Mehr zu den Ausbildungsbotschaftern unter www.ihk.de/konstanz/berufliche-bildung/ausbildung/azubi/ausbildungsbotschafter, www.ihk.de/sbh – 5652724, www.ihk.de/freiburg – 1686670
- Infos zur Einstiegsqualifizierung (EQ): Azubis auf Probe. www.ihk.de/sbh – 5555084
- Ausbildungsvorbereitung Dual: Praktika für schwächere Schüler, Projekt der Landratsämter der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, Mitmachangebot für Unternehmen. www.ihk.de/sbh – 4884330
- Broschüre des BMBF: Studienabbrecher als Auszubildende ins Boot holen. www.bmbf.de unter „Publikationen“ Studienabbrecher
uh
Ansprechpartner:
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexandra Thoß
Telefon: 07531 2860-131
Mail: alexandra.thoss@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Miriam Kammerer
Telefon: 07721 922-512
Mail: kammerer@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Simon Kaiser
Telefon: 0761 3858-150
Mail: simon.kaiser@freiburg.ihk.de