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Wirtschaft im Südwesten

1 | 2018

54

PRAXISWISSEN

RECHT

Bundesrentenstärkungsgesetz in Kraft

Die neue Welt der

betrieblichen Altersversorgung

D

as Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist zum

Jahresbeginn in Kraft getreten. Da es grundlegen-

de Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung

(bAV) gibt, wird bereits von einer alten und neuen Welt

gesprochen. Was sind die wesentlichen Neuerungen?

Spätestens ab 2019 müssen Arbeitgeber Entgeltum-

wandlungen ihrer Mitarbeiter, soweit Sozialversiche-

rungsbeiträge gespart werden, mit 15 Prozent des

Umwandlungsbetrages bezuschussen. Dies soll ab

2022 auch für bereits bestehende Altverträge gelten.

Allerdings gilt diese Regelung nur für die versiche-

rungsförmigen beziehungsweise kollektiven Durch-

führungswege (Direktversicherung, Pensionskasse,

Pensionsfonds). Bei den individualrechtlichen Durch-

führungswegen Direktzusage und Unterstützungs-

kasse bleibt es Arbeitgebern auch weiterhin freiwillig

überlassen, ob sie ihre Sozialversicherungsersparnis

an die Mitarbeiter weitergeben möchten oder nicht.

Bei Geringverdienern kann bei ausschließlich vom

Arbeitgeber finanzierter bAV zukünftig ein Teil des

Aufwandes von der Lohnsteuer einbehalten werden.

Allerdings fließen beispielsweise bereits bestehen-

de Versorgungen nur bedingt in die Bewertung ein.

Auch gilt diese Regelung nur für Versicherungslö-

sungen; bei Anrechnung von Altverträgen ist es

zudem entscheidend, welche Versicherungstarife

verwendet wurden. Um den Schwellenwert für

die Förderung zu erreichen, bleiben sogenannte

gezillmerte Tarife unberücksichtigt. Das sind

Verträge, bei denen ein Großteil der Kosten zu

Beginn in Rechnung gestellt wird. Dies dürfte

zum Leidwesen der Arbeitgeber wohl bei mehr

als 95 Prozent der abgeschlossenen Versicherungen

der Fall sein.

Weiter wurde die Steuerfreiheit für die versicherungs-

förmigen Durchführungswege von vier Prozent auf acht

Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) angeho-

ben. Dafür wurde allerdings der Freibetrag von 1.800

Euro geopfert. Die Sozialabgabenfreiheit hingegen

bleibt weiterhin bei vier Prozent der BBG.

Zuletzt wurde mit dem Sozialpartnermodell eine völlig

neue Welt der bAV eingeführt. Die noch von Arbeitge-

berverbänden und Gewerkschaften neu zu gründen-

den Versorgungsträger sollen die Arbeitgeberhaftung

reduzieren. Eine reine Beitragszusage verpflichtet den

Arbeitgeber nur noch, Beiträge abzuführen. Nicht nur,

dass die neuen Produkte keine Leistungen mehr zusi-

chern, vielmehr besteht sogar ein gesetzliches Garan-

tieverbot. Die ausschließlich als Rente auszuzahlenden

Leistungen können so jederzeit erhöht, reduziert oder

ganz eingestellt werden.

Der Gesetzgeber möchte so Unternehmen wieder ei-

nen neuen Anreiz setzen, sich bei der bAV zu engagie-

ren.

Jörg Müller, bAV Jörg Müller GmbH, Lörrach

Die IHK Hochrhein-Bodensee bietet zu den

Änderungen der betrieblichen Altersvorsorge

Veranstaltungen am Dienstag, 6. März, von 15 bis

17 Uhr im IHK-Gebäude in Konstanz, und am

Dienstag, 13. März, von 15 bis 17 Uhr im

IHK-Gebäude in Schopfheim an. Die IHK

Schwarzwald-Baar-Heuberg plant in den nächsten

Monaten ebenfalls eine Veranstaltung zum

Thema, der Termin steht noch nicht fest.

KOMMENTAR ZUM BUNDESRENTENSTÄRKUNGSGESETZ

Viele haben vor Jahren bei der nachträglichen Einführung der

Sozialabgabenpflicht für Betriebsrenten das Vertrauen in die

Attraktivität der bAV bereits verloren. Mit dem Arbeitgeber-

zuschuss auch für Altverträge wird nun wieder eine Regelung

eingeführt, die an der Verlässlichkeit des Gesetz-

gebers, Dinge nicht rückwirkend zu verändern,

zweifeln lässt. Eine Förderung für die arbeitge-

berfinanzierte bAV, bei der neben Mindest- und

Höchstbeträgen auch Einkommenshöhe sowie

bei Anrechnung von Altverträgen Abschlussdatum und Tarif-

gestaltung berücksichtigt werden müssen, ist an Komplexität

kaum zu überbieten.

Nachdem trotz Ausweitung bei der steuerlichen Förderung die

Sozialversicherungsfreiheit aber weiterhin nur bis vier Prozent

der BBG gilt, entfaltet sie ihre Wirkung vor allem bei Einkommen

oberhalb der BBG. Dies steht aber im Widerspruch zum Willen

des Gesetzgebers, der als Ziel einen höheren Verbreitungsgrad

der bAV bei kleinen Unternehmen und Geringverdienern vorgab.

Zuletzt sollte mit der Einführung einer garantielosen bAV in Form

einer reinen Beitragszusage der große Wurf gelingen. Einerseits

ist hiermit wohl für alle verständlich dokumen-

tiert, dass der Arbeitgeber für alle bisherigen

Versorgungszusagen tatsächlich haften muss,

egal über wen diese erfolgen, andererseits ist der

Zugang vorerst nur über Tarifverträge möglich.

Wir stellen fest, dass das Gesetz, das von seinem Namen her

eigentlich die Betriebsrente stärken sollte, vor allem die Stärkung

der Tarifpartner und der Versicherungsgesellschaften vorantreibt.

Die nochmalige Erhöhung der Komplexität erschwert zudem den

Zugang gerade für kleine Unternehmen, die sich in dem Dschun-

gel der Regelungen und Fördermöglichkeiten ohne fachkundige

Unterstützung kaum mehr zurechtfinden dürften. Jörg Müller

Bild: RTimages-fotolia

»An Komplexität

kaum zu überbieten«