Wirtschaft im Südwesten
1 | 2018
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PRAXISWISSEN
RECHT
Bundesrentenstärkungsgesetz in Kraft
Die neue Welt der
betrieblichen Altersversorgung
D
as Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist zum
Jahresbeginn in Kraft getreten. Da es grundlegen-
de Änderungen bei der betrieblichen Altersversorgung
(bAV) gibt, wird bereits von einer alten und neuen Welt
gesprochen. Was sind die wesentlichen Neuerungen?
Spätestens ab 2019 müssen Arbeitgeber Entgeltum-
wandlungen ihrer Mitarbeiter, soweit Sozialversiche-
rungsbeiträge gespart werden, mit 15 Prozent des
Umwandlungsbetrages bezuschussen. Dies soll ab
2022 auch für bereits bestehende Altverträge gelten.
Allerdings gilt diese Regelung nur für die versiche-
rungsförmigen beziehungsweise kollektiven Durch-
führungswege (Direktversicherung, Pensionskasse,
Pensionsfonds). Bei den individualrechtlichen Durch-
führungswegen Direktzusage und Unterstützungs-
kasse bleibt es Arbeitgebern auch weiterhin freiwillig
überlassen, ob sie ihre Sozialversicherungsersparnis
an die Mitarbeiter weitergeben möchten oder nicht.
Bei Geringverdienern kann bei ausschließlich vom
Arbeitgeber finanzierter bAV zukünftig ein Teil des
Aufwandes von der Lohnsteuer einbehalten werden.
Allerdings fließen beispielsweise bereits bestehen-
de Versorgungen nur bedingt in die Bewertung ein.
Auch gilt diese Regelung nur für Versicherungslö-
sungen; bei Anrechnung von Altverträgen ist es
zudem entscheidend, welche Versicherungstarife
verwendet wurden. Um den Schwellenwert für
die Förderung zu erreichen, bleiben sogenannte
gezillmerte Tarife unberücksichtigt. Das sind
Verträge, bei denen ein Großteil der Kosten zu
Beginn in Rechnung gestellt wird. Dies dürfte
zum Leidwesen der Arbeitgeber wohl bei mehr
als 95 Prozent der abgeschlossenen Versicherungen
der Fall sein.
Weiter wurde die Steuerfreiheit für die versicherungs-
förmigen Durchführungswege von vier Prozent auf acht
Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) angeho-
ben. Dafür wurde allerdings der Freibetrag von 1.800
Euro geopfert. Die Sozialabgabenfreiheit hingegen
bleibt weiterhin bei vier Prozent der BBG.
Zuletzt wurde mit dem Sozialpartnermodell eine völlig
neue Welt der bAV eingeführt. Die noch von Arbeitge-
berverbänden und Gewerkschaften neu zu gründen-
den Versorgungsträger sollen die Arbeitgeberhaftung
reduzieren. Eine reine Beitragszusage verpflichtet den
Arbeitgeber nur noch, Beiträge abzuführen. Nicht nur,
dass die neuen Produkte keine Leistungen mehr zusi-
chern, vielmehr besteht sogar ein gesetzliches Garan-
tieverbot. Die ausschließlich als Rente auszuzahlenden
Leistungen können so jederzeit erhöht, reduziert oder
ganz eingestellt werden.
Der Gesetzgeber möchte so Unternehmen wieder ei-
nen neuen Anreiz setzen, sich bei der bAV zu engagie-
ren.
Jörg Müller, bAV Jörg Müller GmbH, Lörrach
Die IHK Hochrhein-Bodensee bietet zu den
Änderungen der betrieblichen Altersvorsorge
Veranstaltungen am Dienstag, 6. März, von 15 bis
17 Uhr im IHK-Gebäude in Konstanz, und am
Dienstag, 13. März, von 15 bis 17 Uhr im
IHK-Gebäude in Schopfheim an. Die IHK
Schwarzwald-Baar-Heuberg plant in den nächsten
Monaten ebenfalls eine Veranstaltung zum
Thema, der Termin steht noch nicht fest.
KOMMENTAR ZUM BUNDESRENTENSTÄRKUNGSGESETZ
Viele haben vor Jahren bei der nachträglichen Einführung der
Sozialabgabenpflicht für Betriebsrenten das Vertrauen in die
Attraktivität der bAV bereits verloren. Mit dem Arbeitgeber-
zuschuss auch für Altverträge wird nun wieder eine Regelung
eingeführt, die an der Verlässlichkeit des Gesetz-
gebers, Dinge nicht rückwirkend zu verändern,
zweifeln lässt. Eine Förderung für die arbeitge-
berfinanzierte bAV, bei der neben Mindest- und
Höchstbeträgen auch Einkommenshöhe sowie
bei Anrechnung von Altverträgen Abschlussdatum und Tarif-
gestaltung berücksichtigt werden müssen, ist an Komplexität
kaum zu überbieten.
Nachdem trotz Ausweitung bei der steuerlichen Förderung die
Sozialversicherungsfreiheit aber weiterhin nur bis vier Prozent
der BBG gilt, entfaltet sie ihre Wirkung vor allem bei Einkommen
oberhalb der BBG. Dies steht aber im Widerspruch zum Willen
des Gesetzgebers, der als Ziel einen höheren Verbreitungsgrad
der bAV bei kleinen Unternehmen und Geringverdienern vorgab.
Zuletzt sollte mit der Einführung einer garantielosen bAV in Form
einer reinen Beitragszusage der große Wurf gelingen. Einerseits
ist hiermit wohl für alle verständlich dokumen-
tiert, dass der Arbeitgeber für alle bisherigen
Versorgungszusagen tatsächlich haften muss,
egal über wen diese erfolgen, andererseits ist der
Zugang vorerst nur über Tarifverträge möglich.
Wir stellen fest, dass das Gesetz, das von seinem Namen her
eigentlich die Betriebsrente stärken sollte, vor allem die Stärkung
der Tarifpartner und der Versicherungsgesellschaften vorantreibt.
Die nochmalige Erhöhung der Komplexität erschwert zudem den
Zugang gerade für kleine Unternehmen, die sich in dem Dschun-
gel der Regelungen und Fördermöglichkeiten ohne fachkundige
Unterstützung kaum mehr zurechtfinden dürften. Jörg Müller
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»An Komplexität
kaum zu überbieten«