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1 | 2017

Wirtschaft im Südwesten

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»Heute lässt der

Michelin auch

nicht-französische

Hochküche zu«

Metropole mit einer sehr interessanten und bewegten

Gastronomie ideal für eine solche Veranstaltung“, sagt

Küster. Die Stadt habe sich in den zurückliegenden Jah-

ren zum „kulinarischen Hotspot“ in Europa entwickelt.

Sieben Zwei-Sterne- und zwölf Restaurants mit einem

Stern zählt Berlin in der aktuellen Ausgabe.

Bundesweit hat der Guide Michelin 2017 zehn Häuser

mit drei Sternen ausgezeichnet, damit bleibt Deutsch-

land das Land mit den meisten Drei-Sterne-Adressen

nach Frankreich. 39 deutsche Restaurants erhielten

zwei Sterne, und 243 einen. Baden-Württemberg führt

die Statistik immer noch deutlich an (2 Drei-Sterne Re-

staurants, sechs Zwei-Sterne-Restaurants, 65 Restau-

rants mit einem Stern), doch andere Regionen, vor allem

Großstädte wie Hamburg, Düsseldorf und eben Berlin,

holen auf. Südbaden hat mit insgesamt 23 Sternen ver-

teilt auf 19 Häuser (4 Zwei-Sterne Restaurants und 15

Restaurants mit einem Stern, siehe Tabelle Seite 7) die

wohl höchste Dichte überhaupt, konnte in der aktuellen

Ausgabe allerdings keine Neuzugänge verbuchen. Das

überraschte manche, liegt aber vielleicht daran, dass

das Niveau schon so hoch ist. Viele Häuser halten ihre

Sterne schon seit Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten. „Die

Konkurrenz ist hier größer, es fällt schwerer, sich vom

kulinarischen Umfeld abzuheben, als das vielleicht in

Berlin der Fall ist“, sagt Christian Hodeige. Der Verleger

der Badischen Zeitung ist seit vielen Jahren als Gourmet-

kenner unterwegs und gibt selbst einen „Restaurantfüh-

rer für Südbaden“ (siehe WiS 12/16, Seite 77) heraus.

Regionalität und Nachhaltigkeit

Wie kommt es, dass der Guide Michelin mittlerweile

Jahr für Jahr neue Sternerekorde für Deutschland ver-

kündet? Hat die deutsche Küche sich so verbessert,

oder wird sie heute anders bewertet? Richtig ist wohl

beides. Es gibt eine neue Generation von Köchen, die

jung, motiviert und innovationsfreudig sind, ihr Hand-

werk in internationalen Spitzenhäusern erworben ha-

ben und nun als Küchenchefs im eigenen Haus in der

Heimat unter Beweis stellen. Zudem scheint sich aber

auch die Bewertung des Michelin geändert zu haben.

Dass ein Restaurant ohne Tischdecke und Silberbe-

steck wie Raimar Pilz‘ Genuss-Apotheke in Bad Säckin-

gen einen Stern erhält, war vor zehn, fünfzehn Jahren

kaum denkbar. Zwar betont Michelin-Pressesprecher

Küster: „Die Kriterien sind gleich aber die Gastronomie

entwickelt sich natürlich weiter.“ Der Guide reflektiere

und bewerte den aktuellen Stand. Nichtsdestotrotz

beobachten Gastrokenner wie Christian Hodeige einen

Wandel. Er führt ihn auf ein Umdenken des Michelin

zurück. „Früher war die klassische französische Haute

Cuisine das Maß aller Dinge. Wer da herankam, wur-

de sterneverdächtig, wer was anderes machte, wurde

nicht bewertet.“ Das habe sich geändert. „Heute lässt

der Michelin auch nicht-französische Hochküche zu“,

meint Hodeige.

Davon profitieren jene Köche, die sich an Trends wie

Regionalität und Nachhaltigkeit orientieren, denen die

Qualität und Herkunft der Zutaten wichtig ist. Liefe-

ranten werden offengelegt, und in manchen Häusern

öffnet sich sogar die Küche selbst dem Gast. Heute

muss man keinen Hummer mehr auf der Karte haben,

um einen Michelinstern zu bekommen. Sterneküche

darf jetzt auch bodenständiger sein. Das beweisen

viele Köche in dieser Region: Douce Steiner vom Hir-

schen in Sulzburg, die sich als einzige Frau in Deutsch-

land mit zwei Sternen schmücken darf, kombiniert

Bild: Michael Wissing