Wirtschaft im Südwesten
1 | 2017
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RAIMAR PILZ
Raimar Pilz (44) ist auf Rügen geboren
und aufgewachsen und wollte eigent-
lich Seefahrer werden. Weil seine Augen
aber zu schlecht waren, konnte er nur
als Maschinist oder Smutje aufs Schiff
kommen. Pilz entschied sich für letzte-
res, machte eine Ausbildung zum Koch
in Eltville im Rheingau und studierte im
Anschluss Hotelbetriebswirtschaft in
Erfurt. Dort lernte er seine Frau Annett
Ronneberger kennen und trennte sich
von seinem Seefahrertraum. Zusammen
arbeiteten die beiden in verschiedenen
Häusern in der Schweiz, ehe sie auf dem
Darß an der Ostsee ihr erstes eigenes
Restaurant eröffneten. Als 2004 ihr Sohn
unterwegs war, wollten sie Rückhalt von
der Familie seiner Frau, zogen deshalb
in die Heimat von Annett Ronneberger
und übernahmen in Bad Säckingen die
Fuchshöhle. Sie konnten mit einer ein-
gearbeiteten Mannschaft starten, denn
das gesamte Team kam mit ihnen von
der Ostseeküste an den Hochrhein.
Vor drei Jahren wechselten sie in die
Genuss-Apotheke in der Bad Säckinger
Innenstadt.
Kostet das Menü in der Genuss-Apotheke jetzt noch genauso viel wie
früher ohne Stern?
Wir haben den Preis nur in Höhe der üblichen Preissteigerung von rund fünf Prozent, die
wir jedes Jahr draufschlagen, angehoben.
Hat der Sterne sonst Auswirkungen gehabt?
Die Medienpräsenz ist seither eine ganz andere, obwohl wir vorher ja auch schon im Gault
Millau zwei Hauben hatten. Jetzt bekommen wir Anfragen für Interviews und Reportagen
von den unterschiedlichsten Medien aus ganz Deutschland und der Schweiz. Eine Reser-
vierung kam sogar aus Mexiko. Da handelte es sich allerdings um den Mitarbeiter eines
Basler Chemiekonzerns, der dorthin versetzt worden war.
Hatte die Bestätigung des Sterns jetzt eine andere Bedeutung als die Premiere?
Ja, die Anspannung war wesentlich höher, der Erwartungsdruck war jetzt schon da. Beim
ersten Mal wussten wir es ja nicht, da waren wir einfach nur überrascht.
Als einzelnes Restaurant ohne Hotel oder anderes weiteres Standbein auf
Sterneniveau zu kochen, gilt wirtschaftlich als sehr schwierig. Wie schaffen Sie das?
Durch unser offenes Küchenkonzept haben wir sehr wenige festangestellte Mitarbeiter.
Das lässt sich wirtschaftlich darstellen.
Stichwort Mitarbeiter: Deutsche Restaurants werden, gemessen an der Zahl der
Sterne, immer besser, tun sich aber immer schwerer, Nachwuchs zu finden. Ist das
ein Widerspruch?
Schon. Die Gastronomie ist zwar mehr in den Fokus gerückt, aber wir müssen vielen den
Zahn ziehen: Es ist nicht wie im Fernsehen. Einen 15- oder 16-Jährigen für die eigene Arbeit
und Ideen zu begeistern, da muss man wirklich großes Glück haben. Es braucht Zeit, um
seine Bodenhaftung zu finden, gerade wenn man auf regionale Werte setzt. Dazu kommt
noch die Nähe zur Schweiz, wohin es viele Kollegen zieht. Darauf muss man intelligent
reagieren. Wir haben uns so aufgestellt, dass es mit wenigen Mitarbeitern funktioniert.
Der Guide Michelin definiert das „Casual fine dining“, also hohe Küche in lockerer
Atmosphäre, als neuen Trend. Zählen Sie die Genuss-Apotheke dazu?
Ja, aber ich nenn es anders: Wohnzimmerrestaurant. Wir haben kein Silberbesteck und
hatten vergangenes Jahr, als wir erstmals ausgezeichnet wurden, nicht mal Tischdecken.
Das Ambiente, die Stimmung soll sein wie bei Freunden. Außerdem geht es bei uns
familär zu. Wenn mein zwölfjähriger Sohn nachmittags Schule hat, darf er in der Mit-
tagspause zwei, drei Freunde zum Lunch mitbringen. Voraussetzung ist, freundlich zu
grüßen, ordentlich mit Besteck umzugehen und kein Handy auf dem Tisch zu haben. Da
leisten wir schon unsere Pionierarbeit, dass die jungen Leute keine Berührungsängste
mit der Sterneküche haben.
kat
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Der Druck war
jetzt schon da
«
Vor einem Jahr zählte Raimar Pilz zu den überraschendsten
Sterneneulingen, weil die Atmosphäre in seiner Genuss-Apotheke
in Bad Säckingen, die er „Wohnzimmerrestauraunt“ nennt, so un-
konventionell ist. Die Gäste des einräumigen Gasthauses schauen
dem Koch dort bei der Arbeit zu. Inwieweit der Stern sein Restau-
rant verändert hat, berichtet Raimar Pilz im Interview.