Mit dem (Wirtschafts-) Standort Deutschland steht er eigentlich schon fest: der wahre Gewinner der Fußball-EM 2024. Doch nicht nur die einzelnen Spielorte dürfen sich freuen auf ein kräftiges Plus an Image und Umsatz. Von dem Großereignis profitieren werden auch zahlreiche Unternehmen hier bei uns.
Region. Bundesligafußball erlebt der echte Südwesten einzig im Europapark-Stadion in Freiburg. Während der Fußball- Europameisterschaft müssen Fußballfans mindestens nach Stuttgart reisen. Doch auch ohne direkte Beteiligung wirkt sich die EM 2024 auf das Kammergebiet zwischen Achern, Rottweil, Konstanz und Lörrach aus. Mancher Firmenchef dürfte bei den Spielen sogar ein bisschen mitfiebern.
Wird Manuel Meier gefragt, welche Mannschaften das Finale der EM am 14. Juli in Berlin erreichen sollten, lautet seine Antwort „Serbien und Deutschland“. Das hat zwei Gründe: die Handschuhe, die Serbiens Nationalkeeper Vanja Milinković-Savić trägt. Denn die stammen von T1tan, den Torwarthandschuhexperten aus Herbolzheim in der Ortenau. Am besten – aus werblicher Sicht – wäre für T1tan ein Elfmeterschießen. Da stehen schließlich die Torhüter im Fokus. „Wenn er vier von fünf Schüssen hält, wäre das super“, sagt Meier, einer der beiden Gründer von T1tan, und lächelt – „so lang Manuel Neuer alle fünf hält und Deutschland gewinnt.“
Fokus auf Fußball
Die Fußball-EM in Deutschland ist aber nicht nur wegen Milinković-Savić, der beim FC Turin in der Serie A ebenfalls mit T1tan-Handschuhen spielt, für Manuel Meier ein positiver Aspekt. „Alles, was den Fokus auf Fußball lenkt, kommt uns als Ausrüster und der gesamten Branche entgegen“, sagt er.
Doch es sind nicht nur die Anbieter von Sportbekleidung und -accessoires, die von dem Großevent profitieren. Auch die Tourismusbranche im Südwesten hofft auf Impulse, sagt Daniel Ohl, Pressesprecher des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA). „Wir gehen davon aus, dass viele Fußballfans, die wegen der EM nach Deutschland kommen, auch das Land erkunden. Dazu kommen die vielen lokalen Angebote der Hoteliers und Gastronomen rund um die Europameisterschaft – wie Public Viewing im großen und kleinen Rahmen.“ Allerdings geht Ohl nicht davon aus, dass die Stimmung so hervorragend sein wird wie beim Sommermärchen 2006.
2006 bleibt unerreicht
„Der Hype wird nicht so groß“, prognostiziert auch Elke Schönborn von der Tourismusakademie bei der IHK Nordschwarzwald in Freudenstadt. „Die EM ist allerdings eine große Chance für Gastgeber in den Regionen – vor allem im Schwarzwald und am Bodensee. „Das sind die großen Tourismusziele – und vom Spielort Stuttgart schnell zu erreichen.“ Dabei spiele der gesamten Region in die Karten, dass mit Spanien und Dänemark gleich zwei Nationalmannschaften dort ihre Quartiere aufgeschlagen haben. Die nördlichen Nachbarn haben sich Freudenstadt ausgesucht. Spanien wird in Donaueschingen logieren. Im Fünf-Sterne-Resort Öschberghof freuen sich Michael Artner und Ben Hortig schon auf die Sportler und das Team um das Team.
Das Luxushotel hat bereits Erfahrungen mit hochklassigen Fußballmannschaften. Der FC Barcelona war schon zum Trainingslager dort, Jürgen Klopp mit den Reds aus Liverpool sowie andere Vertreter der Premier League und der deutschen Bundesliga. Der Unterschied zum Aufenthalt der spanischen Elf: „Bei einem Trainingslager reden wir von ungefähr zwei Wochen, jetzt können es fünf oder sechs Wochen sein – je nachdem, wie weit die Mannschaft kommt“, sagt General Manager Michael Artner. Ein weiterer Unterschied zu den Teams aus den Ligen: Die „La Furia Roja“, wie die spanische Nationalmannschaft betitelt wird, ist alleiniger Gast im Hotel. „Nur die Golfplätze und die Restaurants sind in dieser Zeit für andere Gäste geöffnet“, sagt der Director of Sports des Öschberghofs, Ben Hortig.
Spanische Tage und Nächte im Öschberghof
Die spanische Nationalmannschaft hat sich den Öschberghof als Quartier für die EM 2024 in Deutschland ausgesucht. Für das Fünf-Sterne-Superior Resort bei Donaueschingen ist das eine Herausforderung in Kombination mit viel Vorfreude. Was dies bedeutet, erläutern General Manager Michael Artner und Director of Sports, Ben Hortig, im Interview mit der WiS.
WiS: Herr Artner, Herr Hortig, der Öschberghof hat 127 Zimmer und Suiten. Werden die alle von der spanischen Nationalmannschaft belegt?
Michael Artner: Wir rechnen mit etwa 100 spanischen Gästen bestehend aus Spielern, Trainerteam, Physiotherapeuten und Betreuern. Dazu kommen noch der Spa-Bereich und viele Funktionsräume, die ebenfalls genutzt werden.
Freie Zimmer für andere Gäste gibt es trotzdem nicht?
Ben Hortig: Unser Hotel steht exklusiv dem spanischen Verband zur Verfügung. Bei einer Europameisterschaft geht es um das Teamgefüge und Konzentration. Da möchte man Ablenkung jeglicher Art vermeiden.
Ein Spagat für die Hotellerie
So schön und spannend der Besuch aus Spanien auch sein wird: Für das Hotel ist er mit einem Spagat verbunden. „Die Europameisterschaft fällt in unsere Hauptbuchungszeit“, sagt Michael Artner: „Das heißt, dass wir einige Gäste vertrösten mussten.“ Umso schöner wäre es deshalb für ihn und seine rund 400 Mitarbeitenden, wenn es die „rote Furie“ nicht nur ins Finale schafft, sondern dort auch gewinnt. „Das wäre etwas Besonderes für alle hier im Öschberghof, wenn wir den Europameister in unserem Haus gehabt und ihn über das Turnier begleitet hätten.“
Ob das spanische Team im Falle eines Sieges zu einem Bier der Hirschbrauerei greifen wird? Groß ist die Wahrscheinlichkeit nicht. Aber das Familienunternehmen aus Wurmlingen – keine 20 Kilometer Luftlinie weiter östlich – setzt wie viele andere Firmen auf die Strahlkraft der Europameisterschaft. Und Donaueschingen ist mitten im Vertriebsgebiet. Für Geschäftsführer Hubert Hepfer steht jedenfalls fest: „Bier ist wie der zwölfte Mann auf dem Rasen. Bier gehört zum gemeinschaftlichen Fußballschauen einfach dazu.“ Das zeige sich an den Statistiken zu vorhergehenden Europa- oder Weltmeisterschaften: „Der Absatz ist da deutlich höher.“ Wobei sich der Zuwachs über alle Biersorten vom Radler über alkoholfreie Produkte und Weizenbiere bis zum klassischen Pils verteile.
Passend zur EM hat die Brauerei eine Marketingkampagne aufgestellt, zu der unter anderem Verkaufspräsentationen in Getränkemärkten und ein Treuepass für die Gastronomie – „das zwölfte Bier ist kostenlos“ – gehören. Maßgeblich für den Erfolg seien aber weniger die Aktivitäten der Brauerei, sondern das Auftreten der deutschen Nationalmannschaft und noch mehr das Wetter. „Das ist der beste Verkäufer“, sagt Hepfer – „oder eben der schlechteste“. Daher hofft er zum einen auf viel Sonne, zum anderen auf ein gutes Abschneiden der Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Sein Wunsch: Ein Sieg im Finale gegen Frankreich mit 2:1.
Ein Spielzeug trumpft auf
Von fußballerischen Großereignissen profitieren nicht nur Gastronomen und Brauereien, auch bei der Tipp Kick GmbH in Villingen-Schwenningen ist man voller unternehmerischer Vorfreude. Mathias Mieg, einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern: „Die EM hat große Auswirkungen auf unser Geschäft.“ Denn gerade in Jahren mit Europa- oder Weltmeisterschaften werde Tipp-Kick nicht nur im Familienkreis wieder hervorgeholt, sondern auch gern als Werbegeschenk eingesetzt: „Wir malen die Metallkicker dafür nach Kundenwunsch an und haben im Moment sehr viel Arbeit“, beschreibt es Mieg mit einem Lächeln. Das ist aber nicht alles: Denn vor exakt 100 Jahren erfand Edwin Mieg das Spiel mit den Kickern aus Metall und dem roten Druckknopf. Anlässlich des Jubiläums hat das Familienunternehmen die Sonderedition „DFB Classic“ herausgebracht. Mathias Mieg: „Es zeigt und stärkt unsere Liebe und Verbindung zum Fußball gerade im EM-Jahr in Deutschland.“ Auch deshalb wünscht er sich einen möglichst positiven Turnierverlauf „für unsere Nationalmannschaft – gern mit Endspiel und Titel!“
Verbindendes Ereignis
„Die Europameisterschaft ist ein bedeutendes Ereignis, das Menschen aus ganz Europa und der Welt zusammenbringt“, weiß Roland Mack, Geschäftsführender Gesellschafter des Europa-Parks Rust. „Wir sehen in solchen Großveranstaltungen eine wunderbare Gelegenheit, die europäische Kultur, Vielfalt und Freundschaft zu feiern.“ Und das tut der Freizeitpark in Rust mit einem großen Public Viewing. Auch hier hoffen die Verantwortlichen, dass durch die EM und die damit verbundenen internationalen Besucher, neue Gäste gewonnen werden können. Fairplay und Miteinander stehen dabei im Mittelpunkt. Mack: „Unser Wunsch ist es, dass das Finale der EM ein spannendes Spiel wird, das Fans auf der ganzen Welt begeistert. Der Ausgang des Spiels ist für uns weniger wichtig als das Zusammenbringen von Menschen unterschiedlicher Nationen, um gemeinsam zu feiern.“
Gemischte Gefühle
Busunternehmer Marco Dietsche aus Stühlingen verbindet mit der anstehenden EM generell eher überschaubare wirtschaftliche Effekte und sieht seine Branche vor Herausforderungen gestellt: „Wir haben die Problematik, dass im Touristik-Bereich für unseren Reisekatalog kaum Hotels verfügbar waren. Wenn es Hotelkapazitäten in den Regionen der Austragungsorte gab, dann machen den Busunternehmen die hohen Einkaufspreise zu schaffen.“ Einzelne Branchen würden von der Europameisterschaft sicher profitieren, andere nicht. Wichtiger sei allerdings der Imagegewinn für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Für Manuel Stein hingegen steht fest, dass auch die DFB-Elf gewinnen wird. Und zwar nach einem Finalspiel gegen Österreich. Wie er darauf kommt? Bis 2023 war er mit seinem auf echtzeitfähige Bewegungsanalyse spezialisierten Unternehmen, der Konstanzer Subsequent GmbH, für die österreichische Nationalmannschaft im Einsatz. In diesem Jahr kann er sich einfach nur zurücklehnen – „auch mal schön“- und als Zuschauer die Daumen drücken, dass die deutsche Nationalmannschaft als Sieger vom Platz geht.
Text: Patrick Merck
Bilder: Bild: Adobe Stock – Igor (oben)/Rafael Henrique (Fahne)
Bild (Torwart): Serbiens Nationalkeeper Vanja Milinković-Savić trägt Torwarthandschuhe von T1tan aus Herbolzheim