Ob Arbeitskleidung, Schrauben oder Zeitschriften: Großhändler gibt es für praktisch alles. Anders als viele ihrer Kunden, beispielsweise Handwerker und Einzelhändler, agieren die meisten Großhändler abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit. Wir geben anhand von drei Beispielen einen Einblick in die Branche im Südwesten und berichten von ihren aktuellen Herausforderungen.
Ein Großhandelsunternehmen stellt man sich anders vor: Hellgrüne Teppiche, weiße Tische und Stühle, hölzerne Wände und Raumteiler mit riesigen Bildern eines sonnendurchfluteten Waldes dominieren die Räume der RAW Handel und Beratungs GmbH in March-Neuershausen. Vor etwa eineinhalb Jahren haben der geschäftsführende Gesellschafter Marco Wittstock und seine zehn Mitarbeiter sie bezogen. Im Konferenzraum veranstalten sie diesen Monat das erste Seminar für ihre Kunden. Das Thema professionelles Leckage-Notfallmanagement passt zu den Produkten, die RAW vertreibt. Diese verhindern, dass Gefahrstoffe in die Umwelt austreten. Dazu zählen Absorptions- und andere Mittel zur Aufnahme austretender Flüssigkeiten, Auffangwannen und weitere Lagertechnik beispielsweise für Fässer mit Kühlschmierstoffen sowie Sicherheitsschränke zum Aufbewahren gefährlicher Chemikalien. Die Kunden von RAW sind wiederum Großhändler – für Werkzeuge, Industrie- und Werkstattbedarf, chemisch-technische oder technische Produkte – sowie Hersteller.
„Gefährliche Stoffe sind ein komplexes Feld“, erklärt Marco Wittstock. Wer mit ihnen umgeht, müsse öko-soziale, rechtliche und ökonomische Anforderungen beachten. „Daher wollen wir den Anwendern vor allem mehr Sicherheit beim Umgang mit den Gefahrstoffen geben und die Umwelt, aber auch Objekte und Materialien vor Schäden schützen“, sagt er. „Unseren Kunden helfen wir daher, den Anwender in diesem Kontext besser zu beraten.“ Deshalb bietet RAW ihnen neben Logistikdiensten sowie Vertriebs- und Marketingunterstützung auch Seminare sowie Fachschulungen an und setzt vermehrt auf engen persönlichen Kontakt. „Unsere Herausforderung liegt darin, die Gunst des Händlers zu gewinnen, zu erreichen, dass er seine Kunden von unseren Produkten überzeugt“, sagt Marco Wittstock.
Neu ausgerichtet hat er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater vor der Übergabe im Jahr 2015. Den Altpapiergroßhandel, mit dem Joachim Wittstock 1994 gestartet war, stellten sie ein. Dieser war für den Mittelständler angesichts der zunehmenden Konzentrationen der Papierfabriken einer- und der Entsorgungskonzerne andererseits nicht mehr rentabel. Lagerhaltung und -logistik sowie den Versand der Umweltschutzprodukte, die schon kurz nach der Firmengründung als zweites Standbein hinzugekommen sind, übernimmt weiterhin die Spedition Streck. Heute versteht Marco Wittstock das Unternehmen als Umweltdienstleister – auch wenn es nach wie vor den Großteil seines Umsatzes mit dem Handel macht. 2017 betrug dieser etwa zwei Millionen Euro, 2018 ist es voraussichtlich ebenso viel. „Wir stellen jetzt den Service um das Produkt herum in den Vordergrund“, sagt Marco Wittstock. Der Grund: „Der Kunde bestellt bei uns wegen des Mehrwerts, auch wenn das Produkt teurer als bei anderen ist.“
Diese Erfahrung machen andere Großhändler gleichermaßen – und stellen sich daher neu auf. Ein Grund für die veränderten Ansprüche vieler ihrer Kunden ist deren verändertes Einkaufsverhalten. Das fing im Privaten an und äußert sich nun immer mehr im Geschäftlichen: Man informiert sich mal online, mal vor Ort beziehungsweise wie gewohnt und bestellt immer mehr dort, wo es am günstigsten ist. Mit diesem Problem steht der Großhandel nicht alleine da. Vor allem der Einzelhandel hat mit der zunehmenden Onlinekonkurrenz seit Längerem und zum Teil vehement zu kämpfen. Allerdings verfügt er mit einem Ladengeschäft über eine andere Sichtbarkeit als der Großhandel, der häufig gar keinen klassischen Verkaufsraum hat. Zudem fehlt dem Großhandel öffentliche Aufmerksamkeit, da er im Gegensatz zum Einzelhandel im Alltag des Normalbürgers quasi nicht präsent ist.
Ein paar Zahlen: Im Regierungsbezirk Freiburg gibt es laut dem Unternehmensregister des Statistischen Landesamtes etwa 4.700 Großhandelsunternehmen. Sie beschäftigen insgesamt rund 46.000 Mitarbeiter und setzen circa 25,6 Milliarden Euro im Jahr um (ohne Kfz, Stand Ende 2016, siehe Grafik Seite 10). „Der Großhandel ist im Südwesten umsatz- und personalstark“, sagt Boris Behringer, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Dienstleistung, Groß- und Außenhandel Baden-Württemberg (grosshandel-bw). Das zeigt der Vergleich mit dem Einzelhandel. Im Regierungsbezirk Freiburg gibt es rund 10.100 Einzelhandelsbetriebe (ohne Kfz, Stand 2016), etwa doppelt so viele wie Großhändler. Sie beschäftigen rund 62.300 Mitarbeiter und setzen knapp 14,4 Milliarden Euro um und damit weniger als der traditionell umsatzstärkere Großhandel.
Der Grund für die Größe der Branche ist laut Behringer die wirtschaftliche Stärke des Südwestens. Einfach ausgedrückt heißt das: Eine starke Wirtschaft braucht viel Nachschub. Und die bekommt sie vom Großhandel. „Der Großhandel hat in einem mehrstufigen Vertriebssystem eine Scharnierfunktion“, sagt Boris Behringer. Seine traditionelle Funktion besteht darin, Industrie, Handwerk oder Einzelhandel die Waren, die diese benötigen, in ausreichender Menge und möglichst schnell zur Verfügung zu stellen. Passend dazu besitzt ein traditioneller Großhändler einen großen Außendienst, ein großes Lager und häufig auch eine eigene Lkw-Flotte. Ein weiteres Charakteristikum des Großhandels im Südwesten: So wie die Region ist auch die Branche mittelständisch geprägt. Der Vorteil der regionalen Großhändler sind laut Boris Behringer die häufig über viele Jahre gewachsenen und daher starken Kundenbeziehungen. Trotzdem muss sich die Branche verändern – und tut es zum großen Teil auch. „Viele Unternehmen setzen darauf, neben dem Produkt vor allem den Servicegedanken in den Vordergrund zu stellen“, sagt Boris Behringer.
Auch die Beyerbach GmbH in Villingen-Schwenningen ist kein klassischer Großhändler mehr. Das war bis vor ungefähr drei Jahren anders: Bis dahin bestand das Hauptgeschäft des Familienunternehmens darin, Metzgereien und einige mittelständische Fleischereibetriebe in einem Umkreis von etwa 80 Kilometern mit Gewürzen, Handschuhen, Messern, Plastikbehältern für Salate und anderen Produkten sowie mit Maschinen und Geräten für ihren täglichen Bedarf zu beliefern. Die Außendienstmitarbeiter fuhren die Betriebe in einem regelmäßigen Turnus an und notierten die Bestellungen. Ein bis zwei Tage später wurden die im firmeneigenen Lager verpackten Waren geliefert. Mit diesem traditionellen Großhandelsgeschäft macht die Beyerbach GmbH heute nur noch einen Teil ihres Umsatzes. Etwa 35 Prozent entfallen 2018 – in ein paar Jahren werden es voraussichtlich 80 Prozent sein – auf den Lebensmitteleinzelhandel, den Beyerbach deutschlandweit beliefert und für den das Unternehmen auch die Logistik übernimmt. Das heißt, Beyerbach richtet den Märkten auf Wunsch jeweils ein Lager ein, das stets nach demselben System aufgebaut und dessen Fächer mit verschiedenen Barcodes etikettiert sind. Diese kann der Marktmitarbeiter mit seinem Smartphone scannen und so per App bequem die fehlende Ware nachbestellen.
Der Grund für diese neue Dienstleistung: „Eine Vielzahl der Produkte bekommt der Kunde überall, zum Teil auch günstiger“, sagt Geschäftsführer Daniel Werth. Und angesichts des Internets sei er darüber auch besser informiert als früher. „Der Service wird das Wichtigste werden“, sagt Werth, der sein Unternehmen heute als einen Anbieter von Systemlösungen versteht. Die Digitalisierung sieht er dabei nicht als Lösung, sondern als Unterstützer an, um dem Kunden die Arbeit zu erleichtern. Den persönlichen Kontakt hält er nach wie vor für wichtig, er hat sich aber verändert. So spiele die Beratung, zum Beispiel zu Themen wie der Kasse der Zukunft, eine immer wichtigere Rolle.
Zu den neuen Kunden der Beyerbach GmbH zählen neben Einzelhändlern Industrieunternehmen vor allem aus dem Bereich Automotive sowie Betriebe aus dem Bereich Hygiene wie Krankenhäuser oder Ärzte. Die Produkte, mit denen Beyerbach diese beliefert, unterscheiden sich nicht von den bisherigen. „Wir haben nur die Zielgruppe erweitert“, sagt Daniel Werth. Denn die Arbeitsschuhe, die Mitarbeiter in einer Metzgerei oder in einem Produktionsbetrieb tragen, sind oft dieselben oder stammen zumindest vom gleichen Hersteller. Das gilt zum Beispiel auch für Schutzhandschuhe eines Herstellers, von denen in verschiedenen Branchen Modelle unterschiedlicher Dicke oder Farbe verwendet werden.
Als einen Grund für die Veränderungen nennt der promovierte Wirtschaftspsychologe Daniel Werth, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Florian führt, das geänderte Einkaufsverhalten im Lebensmittelbereich. Dazu gehört auch, dass immer weniger Menschen in traditionellen Metzgereien in ihrem Wohnort einkaufen, sondern ihre Wurst- und Fleischwaren immer häufiger im Lebensmitteleinzelhandel erwerben. Vor vier Jahren stand die Familie – bis zum Jahresbeginn waren die Eltern Helga und Michael Werth noch in der Geschäftsführung aktiv – vor der Frage: klassisch fortführen, verkaufen oder grundlegend neu aufbauen? Obwohl die Geschäfte stabil und die Mitarbeiterzahl mit durchschnittlich 20 konstant war. Heute hat Beyerbach 28 Beschäftigte und neben der Zentrale in Schwenningen Vertriebsbüros in Karlsruhe und Willich (Nordrhein-Westfalen). Die meisten Beschäftigten sind geblieben, aber, so berichtet Daniel Werth: „Ihre Kompetenz hat sich geändert.“ Der Veränderungsprozess, der mit der Digitalisierung sämtlicher Strukturen einherging, sei für viele, vor allem langjährige Mitarbeiter schwierig gewesen. „Das Problem sind dabei nicht die neuen Technologien, es sind die alten Denkstrukturen, die gefestigten Muster in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeiter“, hat er festgestellt.
Das Einkaufsverhalten der Betriebe, die der Großhandel traditionell beliefert, wird sich weiter ändern: Immer mehr Unternehmen kaufen Büro-, Elektronik- oder Gastronomiebedarf nicht mehr bei ihnen, sondern auf B2B-Onlinehandelsplattformen wie Amazon Business, Mercateo und Alibaba. „Viele übertragen auf die Geschäftswelt, was sie privat schon machen“, sagt Thomas Kaiser, der bei der IHK Südlicher Oberrhein unter anderem für die Beratung im Bereich Handel zuständig ist. Das sei häufig über einen Klick möglich, somit komfortabel, und das Diskutieren über den Preis falle weg. Eine eigene Onlineplattform ist für Kaiser daher ein Muss für einen Großhändler. Je nach Branche schlägt er als Alternative Apps zur Unterstützung der Außendienstmitarbeiter vor. „Der Großhändler wird immer mehr zum Dienstleister im Geschäftsumfeld“, sagt Kaiser. Das sieht Boris Behringer vom Großhandelsverband ähnlich, der ebenfalls den Zusatznutzen betont, den der Großhändler dem Kunden neben der Ware bieten müsse. „Dafür wird es nie eine pauschale Lösung geben“, gibt er zu bedenken. „Da muss sich jedes Unternehmen fragen: Was brauchen meine Vertragspartner, die in der Lieferkette vor und nach mir kommen.“
Heiner Lasi, Professor für Industrial Intelligence und Leiter des Ferdinand-Steinbeis-Instituts in Stuttgart, sieht die Zukunft des Großhandels in digitalen Unternehmensnetzwerken. Dazu erstellt er mit seinen Mitarbeitern zurzeit im Auftrag von „grosshandel-bw“ und gefördert vom Wirtschaftsministerium des Landes eine Studie. Dabei spielen sogenannte Micro Testbeds eine wichtige Rolle. In einem geschützten Raum proben jeweils fünf bis sieben kleine und mittelständische Unternehmen eine branchenübergreifende Zusammenarbeit. Darunter sind neben Handelsunternehmen solche aus den Bereichen Transport, Dienstleistung, Produktion, Energie, Handwerk, Gesundheit und Finanzen sowie externe Experten. Der Fokus liegt auf dem Zusatznutzen, den die Unternehmen durch die Zusammenarbeit haben. Das Motto: „Just do it!“
Auch die Carl Pfeiffer GmbH & Co. KG in Stockach verändert sich regelmäßig. „Für uns ist es wichtig, immer up to date zu sein“, sagt Peter Buchbinder, der gemeinsam mit seinem Schwager Carl Heinz Pfeiffer die Geschäfte des 1829 gegründeten Familienunternehmens führt. Eisen-Pfeiffer – unter diesem Namen kennt man den Großhändler in der Region – hat alles, was einen klassischen Großhändler ausmacht: einen Fachmarkt, ein Lager und eine eigene Flotte. Auf 12.000 Quadratmetern bietet Eisen-Pfeiffer etwa 40.000 Artikel rund um den Hausbau an – von Stahlträgern bis zur Kamineinfassung, aber auch Sägen, Rasenmäher und Sicherheitsschuhe. Die verschiedenen Abteilungen sind großzügig gestaltet, bei der Arbeitskleidung gibt es zum Beispiel Umkleidekabinen. Der Barumsatz im Fachmarkt beträgt lediglich rund vier Prozent des Gesamtumsatzes. „Aber man kann sich hier warentechnisch sehr gut präsentieren“, sagt Peter Buchbinder. Und die Handwerker, mit denen Eisen-Pfeiffer etwa 90 Prozent seines Umsatzes macht (etwa sechs Prozent entfallen auf Industrie- und etwa vier Prozent auf Privatkunden), können sich hier über die Produkte informieren. Die Lagerfläche ist ebenfalls etwa 12.000 Quadratmeter groß und umfasst unter anderem ein vollautomatisches Hochregallager. Für 1,5 Millionen Euro entsteht bis Anfang 2020 ein Lagershuttlesystem für rund 12.000 Kleinteile, die dann per Knopfdruck zum Kommissionierer gebracht werden – für Buchbinder eine „enorme Platz- und Zeitersparnis“. Vom Lager aus wird auch die 14 Lkw und Sprinter umfassende Flotte koordiniert, die die Waren an die Handwerksbetriebe in einem Umkreis von rund 100 Kilometern um Stockach ausliefert. Die komplette Route des Tages und wo sie sich gerade befinden, sieht man auf einem der Bildschirme in der Fuhrendispo.
Nicht nur in diesem Bereich ist Eisen-Pfeiffer modern aufgestellt. Seit etwa 15 Jahren betreibt der Großhändler einen Onlineshop, die acht Außendienstmitarbeiter sind seit etwa zehn Jahren mit ihren Laptops zu den Kunden unterwegs. Diese können die Ware seit vier Jahren auch über eine App bestellen. Und über ein sogenanntes E-Gate haben Kunden und Mitarbeiter seit November übers Internet Zugriff auf sämtliche Bestellungen und weitere Daten. „Wir schauen, dass wir technisch immer auf dem neuesten Stand sind“, sagt Peter Buchbinder, der zudem auf den persönlichen Kontakt zu den häufig langjährigen Kunden hinweist. Für diese veranstaltet Eisen-Pfeiffer zusammen mit Herstellern wie Kärcher oder Hewi auch Seminare zu Fachthemen – so wie neulich eines für Schreiner und Innenausbauer über neue Beschlägetechnik. „Wir bieten einen Rundumservice von der Beratung bis zur Auslieferung. Das ist für die Handwerker wichtig“, betont Buchbinder. Ein Servicecenter, in dem die verkauften Sägen oder Rasenmäher repariert werden können, gibt es ebenfalls.
Eisen-Pfeiffer beschäftigt 200 Mitarbeiter, darunter 16 Auszubildende, und steigert seinen Umsatz 2018 voraussichtlich um etwa 2,5 Prozent auf rund 50 Millionen Euro. Etwa zwölf Millionen Euro hat das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren in den Fachmarkt, die neue Stahlhalle sowie das Logistikzentrum investiert. „Wir wollen der nächsten Generation ein gut bestelltes Haus hinterlassen“, sagt Peter Buchbinder. Er selbst ist 60, sein Schwager 58 Jahre alt – und ihre insgesamt fünf Kinder wollen ab 2020 nach und nach in das Unternehmen einsteigen und es einmal in der siebten Generation weiterführen.
Susanne Maerz
Großhandelsfachforum zur Zukunft des Außendienstes bei Alexander Bürkle in Freiburg
Über Apps, Software und anderen Zusatznutzen
Kabeltrommel an Kabeltrommel im einen, Waschmaschine über Waschmaschine im anderen Lager – mit einem Rundgang durch das insgesamt 35.000 Quadratmeter große Lager der Alexander Bürkle GmbH & Co. KG startete das Fachforum „Digitale Vertriebswege und die Zukunft des Außendienstes“. Zu diesem waren Mitte November auf Einladung der baden-württembergischen IHKs und des Verbands „großhandel-bw“, unterstützt vom Wirtschaftsministerium, 95 Unternehmensvertreter zu dem Freiburger Elektrogroßhändler gekommen. Dieser beschäftigt rund 800 Mitarbeiter an 22 Standorten. Seine Kunden sind vor allem Elektro- und Sanitärinstallateure, Industrieunternehmen sowie Facheinzelhändler. „Großhandel war gestern“, sagte Alexander-Bürkle-Geschäftsführer Frank Schoberer. „Heute befähigen wir unsere Kunden, ihr Geschäft besser zu machen.“
Wie dies in verschiedenen Unternehmen funktioniert und welche Auswirkung es jeweils auf den Außendienst hat oder haben kann, darum ging es in verschiedenen Runden. Ulrich Gutting, Präsident des Großhandelsverbandes und Mineralölgroßhändler, hob den Zusatznutzen hervor, den jeder Großhändler bieten müsse – „daher ist der Außendienst unerlässlich“. Die Kunden würden aber nicht mehr wollen, dass die Außendienstmitarbeiter wie früher alle zwei Wochen vor Ort sind, gab Steffen Auer, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein und Geschäftsführer des Großhändlers Schwarzwald-Eisen, zu bedenken. Zweimal pro Jahr würde dem Kunden genügen. „Dann erwartet er aber eine zweistündige Spezialdiskussion“, sagte Auer. Ein Außendienstler müsse daher heute andere Kompetenzen mitbringen.
Die Thesen von Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln: Die Innovationsgeschwindigkeit werde immer schneller, daher müsse die Organisation des Unternehmens agil sein. „Der Mut, das eigene Geschäft zu kannibalisieren, sichert die Zukunft“, sagte er und nannte Kodak und Quelle, die den Einstieg in die Digitalisierung verpassten und Insolvenz anmelden mussten, als Negativbeispiele. Wesentlich sind für ihn heutzutage Datenkompetenz, Denken aus Sicht des Endkundens und Service. Der Unternehmer müsse sich immer fragen: „Wo kann ich meinem Kunden einen Mehrwert bieten, den andere wie Amazon nicht bieten können?“
Beispiele ihres Mehrwertes für die Kunden gaben verschiedene Firmenvertreter: Ralf Glink stellte die Lösung „Terminal“ von Alexander Bürkle vor. Sie ist eine Planungssoftware fürs Smarthome, die der Elektrogroßhändler in Zusammenarbeit mit einem Softwarehaus entwickelt hat und mit der Elektroinstallateure die gesamte smarte Haustechnik eines Gebäudes einfach und schnell am Bildschirm planen können. Etwa eine halbe Million Euro investierte das Unternehmen in der vierjährigen Planungs- und Probezeit und betrat damit neues Terrain. Mitarbeiter mit für das Unternehmen neuen Qualifikationen seien eingestellt und bestehende weitergebildet worden. Inzwischen kann Alexander Bürkle über 2.700 Nutzer vorweisen, die mit Terminal knapp 16.000 Projekte realisiert haben.
Max Bremer von der Adolf Würth GmbH & Co. KG sagte: „Das Handwerk ist digitaler als wir denken.“ Es habe aber nicht die Zeit, sich mit digitalen Prozessen zu beschäftigen – „wir müssen den Schritt auf unsere Kunden zugehen“, so Bremer. Er berichtete davon, wie Würth Regalsysteme in den Montagefahrzeugen seiner Kunden einrichtet, sie mit optischen Sensoren bestückt. Die prüfen, was fehlt und senden automatisch Bestellungen an eine Würth-Niederlassung. Ein Dienstleister liefert die Waren an die Monteure. Doch wie kommen diese nach Feierabend ins Montageauto? Das Problem konnte man bei Würth nicht lösen – und begann schließlich, mit einem Autohersteller zusammenzuarbeiten. Zurzeit läuft die Pilotphase. Der Lerneffekt sei gewesen, sich Partner zu suchen, sagte Bremer.
Als potenzieller Partner für Firmen präsentierte sich Frederic Sell vom Start-up Pitchview. Er wies auf die Bedeutung des persönlichen Kontakts in Zeiten der Digitalisierung hin und nannte den Messeaufritt als effizientestes Mittel zur Kontaktpflege mit Kunden und präsentierte die App, die sein Unternehmen dafür entwickelt hat.
Wie wichtig nach wie vor der persönliche Kontakt der Außendienstmitarbeiter mit den Kunden ist, betonte auch Daniel Werth von der Beyerbach GmbH (siehe linke Seite). Die Digitalisierung sei ein Hilfsmittel, nicht die Lösung. „Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht.“ Ein Tenor der Veranstaltung: Wie sich ein Unternehmen ändern muss, hängt vom Kunden ab. Und wann? Kai Hudetz sagte: „Der richtige Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt.“
mae