Als Gründungsjahr Freiburgs dient die Verleihung des Marktrechts 1120. Die Kaufleute, die der damalige Herzog Konrad gezielt anwarb, spielten in den Freiburger Anfängen eine bedeutende Rolle. Zugleich waren sie die ersten Wirtschaftsvertreter der Stadt und stehen damit auch am Anfang der Geschichte der heutigen Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein.
Anfang des zwölften Jahrhunderts suchte Herzog Konrad in der ganzen Region nach „angesehenen Kaufleuten“, sogenannten Mercatores, die sich in seinem Markt niederlassen sollten. Er warb sie mit attraktiven Sonderbedingungen an, gewährte ihnen beispielsweise Zollfreiheit und Grundstücke für ihre Häuser. „Damit erhielten sie quasi Privateigentum an Grund und Boden – eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Verfügung, die die hohe Wertschätzung der Kaufleute zeigt“, schreibt die Freiburger Historikerin Ursula Huggle in ihrer 1998 erschienen Geschichte der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein*. Diese privilegierte Gruppe organisierte sich, regelte Handelsangelegenheiten und gehörte den „Vierundzwanzigern“, dem Vorgänger des Stadtrats, an. Sie spielte also eine wichtige Rolle in der Entwicklung der jungen Stadt und war, wenn man so will, ein Vorläufer der Handelskammer.
Von freien Kaufleuten zu Zünften
Der Einfluss der Kaufleute verringerte sich allerdings, je mächtiger die Zünfte wurden. Seit 1293 waren diese im Stadtrecht als Körperschaften anerkannt. Die Zünfte beeinträchtigten den Handel zugunsten der kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden und dominierten auch die Stadtpolitik zunehmend. 1420 schlossen sich zwar noch 20 größere Kaufleute zusammen und stellten eine Satzung auf. Man wollte sich gegenseitig beraten und einander helfen. Doch dieses Bündnis konnte die Entwicklung nicht mehr aufhalten. 1466, als die Zahl der Zünfte auf zwölf reduziert wurde, verschwand der Stand der Kaufleute. „Eine neue Ära begann, in der nicht mehr die Edlen und Kaufleute, sondern die Zünfte immer mehr Macht ausübten“, schreibt Ursula Huggle.
Nach 1466 waren die Kaufleute auf die zwölf Zünfte verteilt. Die meisten gehörten der Krämerzunft an, in der außer den namensgebenden Krämern und den Handelsleuten auch Apotheker, Kürschner, Buchdrucker, Buchhändler, Weißgerber sowie Säckler vereint waren. Der Fernhandel, der aufgrund der ungünstigen Verkehrssituation Freiburgs (die Hauptroute verlief links des Rheins) ohnehin keine besonders große Rolle gespielt hatte, ging noch weiter zurück. Die Freiheit der Gründungsjahre wich einer protektionistischen Wirtschaftspolitik. „Die einstige Stadt der Kaufleute entwickelte sich zur agrarisch geprägten Mittelstadt“, konstatiert Ursula Huggle in ihrem Buch.
Ihre abwehrende Haltung fremden Händlern gegenüber behielten die Freiburger sehr lange bei, bis weit ins 19. Jahrhundert. Dennoch schafften es Einwanderer aus Savoyen und Piemont, in die Krämerzunft eingelassen zu werden. Vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) strömten sie in die ausgeblutete Stadt, wurden bürgerlich aufgenommen und brachten es bald zu Wohlstand und Ansehen. Einige bekannte Kaufmannsfamilien wie die Montforts oder Rossets kamen so an die Dreisam. Sie wurden Mitglieder des Handelsstands und später der Handelskammer.
Wenngleich den Zünften, die das Freiburger Wirtschaftsleben über viele Jahrhunderte prägten, der freie Handel fernlag, finden sich doch auch in ihrer Organisation Parallelen zu den späteren Kammern, vor allem die Pflichtmitgliedschaft und das Ausbildungswesen. Jeder, der in der Stadt ein Gewerbe betrieb, musste Mitglied einer Zunft sein und Beitrag zahlen. Zudem organisierten die Zünfte die Berufsausbildung. Ursula Huggle sieht sie daher „in gewisser Weise schon als Vorreiter“ der Industrie- und Handelskammer. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede. So waren die Zunftmitglieder bei Angriffen oder Bränden für die Verteidigung und Sicherheit der Stadt zuständig, und die Zünfte kümmerten sich um soziale Aspekte wie die Fürsorge ihrer Mitglieder.
Breisgauer Handelsstand
Von 1677 bis 1697 war Freiburg, das seit 1368 zum Habsburger Reich gehörte, von Franzosen besetzt und vom Hinterland abgeschnitten. Das städtische Wirtschaftsleben litt unter der Besatzung und dem Ausbau der Festung, zumal als Lieferanten des französischen Heeres viele fremde Handwerker und Gewerbetreibende in die Stadt kamen. Nachdem Freiburg wieder österreichisch war, versuchte man, die alte Ordnung wiederherzustellen. Der Handelsstand erhoffte sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch die Gründung eines Verbands. 1700 schlossen sich Kaufleute und Krämer des gesamten, in fünf Bezirke aufgeteilten Breisgaus (das entsprach großen Teilen des heutigen Regierungsbezirks mit Ausnahme der evangelischen Markgrafschaften und der Ortenau) zum Breisgauer Handelsstand zusammen, um die Handelstätigkeit wiederzubeleben. Die Städte Freiburg, Breisach, Endingen, Villingen und Rheinfelden beziehungsweise Waldshut beteiligten sich an den gemeinsamen Statuten. Es gab zwar keine offizielle, aber eine faktische Pflichtmitgliedschaft. Der Jahresbeitrag betrug 30 Taler. Fremde Kaufleute durften beitreten, wenn sie „die Einkaufsgebühr erlegten“. Ansonsten war – wie seit Jahrhunderten – Nichtmitgliedern und Fremden der Warenverkauf nur während der Jahrmärkte gestattet. „Die Statuten des Handelsstands enthalten bereits einige Punkte, die in der Satzung der Handelskammer 1880 wiederkehrten“, schreibt Ursula Huggle: Die Mitglieder des Verbands wurden durch ein gewähltes Kollegium vertreten, das Geschäftsführungsbefugnis hatte, die Rechtsgrundlage basierte auf einer gemeinsam aufgestellten Ordnung, die Gesellschaft vertrat das Gesamtinteresse der Handelszünfte eines größeren Bezirks, und die Mitglieder waren verpflichtet, einen finanziellen Beitrag zu leisten. Ein Unterschied zur späteren Kammer: Der Breisgauer Handelsstand kam nicht aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes, sondern durch freien Willen der Mitglieder zustande.
Freiburger Handelsstand
Die merkantilistische Wirtschaftspolitik der Habsburger prägte die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie erteilten Konzessionen für Manufakturen und bewilligten Handelsprivilegien, die das Zunftrecht ignorierten. Die Zünfte wurden 1787 in handwerkliche und bürgerliche unterteilt; der Handelsstand zählte zu letzteren. Er stellte 1798 neue Statuten auf, „um ein Bollwerk gegenüber staatlichen Übergriffen zu errichten“, wie Ursula Huggle schreibt. Die 23 Paragrafen regelten interne Angelegenheiten wie Ausbildung, Zulassung und Aufnahme. Die Geschäfte führte ein Ausschuss, der aus drei Kaufleuten bestand und befugt war, den gesamten Handelsstand zu vertreten, Dokumente auszustellen und Differenzen intern zu schlichten – wiederum sind hier also viele Aufgaben der späteren Handelskammer angelegt. Die Statuten erhielten die Zustimmung vom Stadtrat, aber aus verschiedenen Gründen nicht von den Landesherren (napoleonische Kriege 1800-1814, politischer Umbruch). De facto war der Freiburger Handelsstand dennoch eine Körperschaft.
Langer Weg zur Gewerbefreiheit
Das 19. Jahrhundert war dominiert von politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen. Freiburg gehörte seit 1806 zu Baden. Auf die napoleonische Eroberung folgten Befreiungskriege (1813/14) und schwere Hungerjahre (1816/17). Die badische Regierung wollte den Freihandel fördern, hob 1825 den Zunftbann auf – das heißt, Waren durften über den lokalen Bezirk hinaus verkauft werden – und trat 1835 dem Deutschen Zollverein bei. Doch an der Dreisam gab man sich den Veränderungen gegenüber zurückhaltend, hielt weitgehend an der alten Zunftordnung fest. Im katholischen Freiburg (seit 1827 Bischofssitz) hatte es die frühe Industrialisierung – anders als im protestantischen Lahr – schwer. Die wenigen, denen der Aufstieg zum industriellen Unternehmer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dennoch gelang – darunter Xaver Kuenzer mit seiner 1819 gegründeten Zichorienfabrik und Karl Mez mit seiner 1828 gegründeten Mechanischen Zwirnerei – kämpften gegen die konservativen Kräfte. 1846 gab sich der Freiburger Handelsstand zwar neue Statuten (angelehnt an das Mannheimer Vorbild), die vom Staat anerkannt wurden und somit als Satzung galten. Er nannte sich seither Handelskammer, doch es brauchte weitere Jahrzehnte und politischen Druck, bis die Freiburger sich endgültig von der alten Ordnung lösten.
Auch die badische Regierung fand zunächst keine einheitliche Linie zur künftigen Organisation der Gewerbetreibenden und zu den Aufgaben der Handelskammern. Zudem hemmten die Revolution 1848/49, gepaart mit Wirtschaftskrise und Missernten die Entwicklung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Industrialisierung dennoch auch in Freiburg Fahrt auf. Ein Grund dafür war der Bahnanschluss der Stadt seit 1845. Zudem wollte das Land Baden Freiburg als drittes Zentrum neben Karlsruhe und Mannheim ausbauen.
1859 wurden die Zünfte endgültig aufgelöst und 1862 mit der Einführung der Gewerbefreiheit alle alten Statuten, also auch die der Freiburger Handelskammer, aufgehoben. Die Freiburger Kaufleute gründeten daraufhin eine freie Handelsgenossenschaft mit freiwilliger Mitgliedschaft, was zu sinkenden Mitgliederzahlen führte. Dennoch trödelten sie mit der Neugründung, wie Ursula Huggle schreibt.
Kammergründung und Anfangsjahre
Erst das badische Handelskammergesetz von 1878 führte schließlich dazu, dass sich 1880 die Freiburger Handelskammer gründete: als Körperschaft öffentlichen Rechts und mit einem Geltungsbereich über die Amtsbezirke Freiburg, Breisach, Emmendingen, Neustadt, Staufen und Waldkirch. Im gleichen Jahr entstand der Badische Handelstag, dessen Mitglied die Freiburger Kammer wurde. Prinzipiell mussten alle Händler und Gewerbetreibenden Mitglied der Kammer sein. Ab 1886 galt die Beitragspflicht allerdings erst mit der Veranlagung zur Gewerbesteuer und einem jährlichen Grundeinkommen von 500 Mark. Im August 1880 fanden die Wahl zur neuen Vollversammlung und die konstituierende Sitzung statt. Eduard Fauler, Inhaber einer Eisengießerei in der Wilhelmstraße, der schon seit 1873 an der Spitze der Vorgängerinstitution gestanden hatte und von 1859 bis 1871 Freiburger Oberbürgermeister gewesen war, wurde erneut Präsident. Dem Präsidium gehörten insgesamt acht Fabrikanten, sechs Kaufleute und ein Bankier an.
Die Tätigkeit der Handelskammer umfasste innere Angelegenheiten, Zoll- und Steuersachen, Industrie- und Verkehrswesen. Sie bildete für jeden der drei Themenbereiche eine Kommission. Außerdem beriet die Handelskammer die Regierung. Sie gab zu zahlreichen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen Stellungnahmen ab, wirkte an der Vorbereitung des Handelsgesetzbuches, an der Konkursordnung sowie an vielen anderen Gesetzesvorhaben mit. Als 1901 am Freiburger Landgericht eine Kammer für Handelssachen eingerichtet wurde – wofür die Handelskammer sich eingesetzt hatte –, stellte sie vier Richter und Stellvertreter aus ihrem Präsidium. Als ihren Erfolg verbuchte die Handelskammer auch die Eröffnung der Höllentalbahn zwischen Freiburg und Neustadt 1887 (ab 1891 bis Donaueschingen).
Weil die Zahl der Wahlberechtigten seit der Gründung stark gestiegen war, vergrößerte die Kammer 1901 und 1908 ihr Präsidium erst auf 18, dann auf 22 Mitglieder. Alle Orte der zur Kammer zählenden Amtsbezirke wurden als kammerzugehörig erklärt, gleichzeitig wurde die Mitgliedschaft für Firmen mit weniger als 10.000 Mark steuerpflichtigem Jahresgewinn freiwillig. Davon versprach man sich „Entlastung von zwei wenig willkommenen Mitgliedergruppen“, wie Bernd Boll im Buch über die IHK-Geschichte schreibt: den kleinen Kaufleuten vom Land und denen, die ihren Beitrag nur widerwillig zahlten und von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machten.
Der Interessensgegensatz zwischen Industrie, Groß- und Kleinhandel prägte die ersten Jahrzehnte der Handelskammer und sorgte bis in die 1920er-Jahre immer wieder für Spannungen im Präsidium. Während des Ersten Weltkriegs wuchs der Einfluss der Industrie, was sich ab 1925 auch im Namen manifestierte: Auf Anregung des badischen Industrie- und Handelstags nannten sich auch die Freiburger in Industrie- und Handelskammer (IHK) um. In Freiburg selbst allerdings wurde die industrielle Entwicklung um die Jahrhundertwende von Oberbürgermeister Otto Winterer (1888-1913) zugunsten des Fremdenverkehrs gebremst. „Unter Winterer wurde Wohn- und Lebensqualität statt industriellen Wachstums gefördert“, sagt Ursula Huggle. Freiburg wurde – wie die Handelskammer bemängelte – zur „alldeutschen Pensionopolis“.
Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich die Handelskammer im „Demobilmachungsausschuss“ an der Überführung der Kriegs- zu einer Friedensindustrie. Die Inflation ließ den Kammeretat 1922 auf 1,34 Milliarden Mark und 1923 auf 8,3 Trillionen Mark steigen, ehe die Abwertung das Geldvermögen vernichtete. Die Kammer brachte Notgeld in Umlauf, das in ganz Südbaden als Zahlungsmittel anerkannt wurde.
Bis Ende der 1920er-Jahre wuchs der IHK-Bezirk aufgrund mehrerer Gebietserweiterungen. Der Kammer gehörten 1929 bereits 2.544 beitragspflichtige Betriebe an, der Beirat war auf 33 Mitglieder gewachsen. Parallel wurden Fusionen verschiedener IHKs diskutiert, erstmals auch die von Freiburg und Lahr.
Kammern unterm Hakenkreuz
Im März 1933 kamen in Baden die Nationalsozialisten an die Macht und passten im selben Jahr die Kammerstruktur ihrem „Führerprinzip“ an. Sie schufen eine badische Einheitskammer in Karlsruhe mit Außenstellen in Mannheim, Pforzheim, Freiburg, Schopfheim und Konstanz. Die alten Kammerpräsidenten wurden ersetzt, die Beiräte bedeutungslos. Der Teninger Aluminiumfabrikant und Nationalsozialist Emil Tscheulin wurde Vertreter Oberbadens in der Einheitskammer. 1935 wurde diese zwar wieder aufgelöst, Tscheulin blieb aber Präsident der Freiburger Kammer mit absoluter Macht. Unter Tscheulin beteiligte sich die IHK an der Verfolgung jüdischer Unternehmer und der Arisierung jüdischer Unternehmen. Von ehemals 1.244 jüdischen Unternehmen in Baden gab es 1939 nur noch 64.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Kammern dem Wirtschaftsministerium in Karlsruhe unterstellt und die Präsidenten zu Reichskommissaren ernannt. Rüstungsbetriebe wurden direkt der Wehrmacht untergeordnet. Tscheulin wurde 1940 nach der Besetzung des Elsass’ auch Präsident der Kammern in Mulhouse und Colmar. 1942 verloren die Kammern erneut ihren öffentlich-rechtlichen Status und wurden in die neu gegründeten Gauwirtschaftskammern integriert. Freiburg war damit wieder Zweigstelle. Der Einmarsch der Franzosen in Freiburg am 21. April 1945 beendete vorläufig die Kammerarbeit. Präsident Tscheulin wurde verhaftet.
Nachkriegszeit und Neugründung
Bis zur Errichtung einer neuen Organisation sollten die Kammern im Auftrag der französischen Besatzung die badische Wirtschaft vertreten – überwacht von französischen Offizieren. Sie wirkten auch an der Entnazifizierung der Wirtschaft mit. 1946 wurden die Kammerbezirke neu eingeteilt. Der Freiburger umfasste die Kreise Freiburg-Stadt und –Land, Emmendingen, Neustadt und Müllheim. 1949 gab sich die IHK Freiburg eine neue Satzung, die noch auf dem Handelskammergesetz von 1878 beruhte. 1950 wählte sie ihren Beirat und ihr Präsidium.1951 bestätigte dann ein neues Landesgesetz die rechtliche Stellung der Kammern wie vor dem Nationalsozialismus.
Den Wiederaufbau der Wirtschaft erschwerten zahlreiche Faktoren, vor allem die Demontagen und der Mangel an Arbeitskräften. Zudem wurde der Handel durch die Zonengrenzen und Exporthemmnisse behindert. Die IHK setzte sich für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung ein – im Gegensatz zur staatlich gelenkten Wirtschaftspolitik der Franzosen. Eine andere Streitfrage in den Nachkriegsjahren war die Arbeitnehmervertretung in den Kammern, auf die die Gewerkschaften pochten. Das „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der IHKs“ beendete 1956 diese Diskussion. Der Berufsbildungsausschuss wurde als einziges IHK-Organ paritätisch besetzt. Außerdem bestätigte das Gesetz die Kammern als Körperschaft öffentlichen Rechts, die das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrnehmen und die Berufsbildung sowie das Prüfungswesen beaufsichtigen. Daneben sah die IHK ihre Aufgabe in der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur sowie bei den Themen Verkehr, Handel, Geld- und Kreditwesen. Sie erstellte Gutachten, kümmerte sich um Kreditanträge sowie um Zulassungen zum Einzelhandel und zum gewerblichen Kraftverkehr. So begleitete sie die Entwicklung von der Notstands- zur Wohlstandsgesellschaft.
Gebietsreform und Kammerfusion
Zu Beginn der 1970er-Jahre nahm die baden-württembergische Landesregierung eine Gebietsreform in Angriff. Das hatte auch für die Kammerstruktur erhebliche Auswirkungen. Das neue Kammergesetz reduzierte 1973 die Zahl der IHKs im Land von 19 auf 12. Die Vollversammlungen der IHKs Freiburg und Lahr hatten die Fusion bereits 1971 gebilligt. Der neue Kammerbezirk Südlicher Oberrhein war nach Fläche der zweitgrößte im Land, nach Wirtschaftspotenzial der fünftgrößte und nach Einwohnerzahl im oberen Drittel der nunmehr zwölf baden-württembergischen IHKs. Zu den Mitgliedern zählten rund 7.000 eingetragene Firmen und rund 10.800 nicht eingetragene Gewerbetreibende. 1973 wurde die erste gemeinsame Vollversammlung mit nun 50 Sitzen gewählt. Präsident wurde Heinz Quester, den sein Lahrer Kollege Richard Dahlinger nach zwei Jahren ablösen sollte. In den ersten gemeinsamen Jahren blieben de facto noch viele Strukturen an beiden Standorten erhalten – so hatten beispielsweise Lahr und Freiburg je einen Hauptgeschäftsführer -, und es kam immer wieder zu Machtkämpfen zwischen den Vertretern des südlichen und des nördlichen Bezirks. „Die problematische Führungsstruktur behinderte inzwischen die Kammerarbeit empfindlich“, schreibt Ursula Huggle. Die Satzung wurde vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium und vom Deutschen Industrie- und Handelstag beanstandet. Auch auf diesen Druck hin verabschiedete die IHK 1985 eine neue Satzung. Seither gibt es nur noch einen Präsidenten und einen Hauptgeschäftsführer. „Unter den neuen Rahmenbedingungen gelang es Präsidium und Geschäftsführung, das Zusammenwachsen des Kammerbezirks entscheidend zu fördern“, konstatiert Ursula Huggle.
Neue Themen und Gewichtung
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den französischen und den Schweizer Kollegen, das neue Serviceangebot Umweltschutz und der beginnende Fachkräftemangel: Das waren die prägende Themen an die sich Norbert Euba, der erste gemeinsame Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein (1985-2007), aus seiner langen Amtszeit erinnert. Und er weiß noch genau, dass er stetig um Kandidatinnen für die Vollversammlung warb. Bei der Wahl 1993 war er erstmals erfolgreich: Irene Pirker, damals Geschäftsführerin von Cross-Air Deutschland, wurde als erste Frau in die Vollversammlung gewählt. Sie blieb – später als Inhaberin des Reisebüros V.IP Travel Collection – bis 2016 im Parlament der Wirtschaft. Und war dann auch nicht mehr allein. Der aktuellen Vollversammlung gehören zwölf Unternehmensvertreterinnen an.
Seit 2001 dauert die Amtszeit des Präsidenten fünf statt vier Jahre. Und 2011 wurde die Verteilung der Vollversammlungssitze zwischen dem Süd- und dem Nordbezirk geändert, weil sich die wirtschaftlichen Gewichte verschoben hatten. Vorher kamen je 25 aus der Ortenau und 25 aus dem Freiburger Raum, bei der Wahl 2011 betrug das – nach Anzahl der Firmen und des Gewerbeertrags errechnete – Verhältnis 23 zu 27, 2016 lag es bei 22 zu 28. Wo es bei der Wahl 2021 liegen wird, steht noch nicht fest. Die IHK, an deren Spitze aktuell der Lahrer Unternehmer Steffen Auer als Präsident und der ehemalige Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon als Hauptgeschäftsführer stehen, zählt laut jüngsten Zahlen insgesamt rund 65.000 Mitgliedsbetriebe, davon rund 18.370 ins Handelsregister eingetragene Firmen.
Text: Kathrin Ermert
Bilder (historisch): aus dem Buch „Die Industrie und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Geschichte und Wirkungsfeld der Kammern Freiburg und Lahr“
Bild des aktuellen IHK-Gebäudes: IHK Südlicher Oberrhein