Cyberangriffe auf Unternehmen sind inzwischen an der Tagesordnung. Mindestens ebenso wichtig wie das Unternehmensnetzwerk proaktiv zu schützen und Backup-Routinen zu entwickeln, ist es, sich auf die Kommunikation im Ernstfall vorzubereiten. Wie das geht, erklärt Susanne Kleiner. Die Freiburger Expertin für Reputationsmanagement sprach dazu auf der „IHK-Sicherheitskonferenz“ der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Frau Kleiner, warum ist Krisenkommunikation wichtig, wenn ein Unternehmen gehackt wird?
Susanne Kleiner: Ein Cyberangriff verunsichert Inhaber, Kommunikationsverantwortliche oder Führungskräfte genauso wie Mitarbeitende, Kunden und Lieferanten. Auch wenn Betroffene am Tag X nicht ändern können, dass Unbekannte ihre Daten gehackt haben: Die Qualität ihrer Kommunikation haben sie in der Hand. Deshalb bereiten sich immer mehr Unternehmen auf die Kommunikation in der Krise vor. Wer souverän kommuniziert, vermittelt: ‚Wir haben die Lage im Griff und wissen, was wir tun.‘ Das beruhigt ungemein. Äußern sich Unternehmenssprecher unsicher oder gar widersprüchlich, kann die Kommunikation in der Krise zur Kommunikationskrise werden. Dann ist die Verunsicherung umso größer und die Reputation steht auf dem Spiel.
Wie kommuniziert man professionell?
Zu Beginn ist es wichtig, die Gemüter zu beruhigen und schnell zu informieren. Klare Botschaften, Infos über konkrete Maßnahmen und eine deeskalierende Sprache helfen dabei. Etwa so: ‚Wir handeln und kommunizieren schnell, um den Geschäftsbetrieb wieder herzustellen. Wir untersuchen den Vorfall, haben die Behörden informiert und unterstützen die Aufklärung.‘ Betroffene berichten bestenfalls kontinuierlich darüber, welche Systeme und Daten betroffen sind. Sie erklären, ob Mitarbeitende noch arbeitsfähig sind und wie lange es voraussichtlich dauert, bis der Geschäftsbetrieb wieder normal läuft. Denn Transparenz schafft Vertrauen.
Mit wem muss man zuerst kommunizieren?
In der Unternehmenskommunikation gilt: intern vor extern kommunizieren. Mitarbeitende sind Botschafter des Unternehmens und sprechen auch in ihrer Freizeit über den Vorfall. Erfahren Angestellte aus der Zeitung oder den sozialen Medien, was passiert ist, sind Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Gut ist es, sachlich zu bleiben, wertschätzend zu kommunizieren und dialogbereit zu sein.
Information
- Videoaufzeichnung der IHK-Sicherheitskonferenz auf dem Youtube-Kanal der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: www.youtube.com/user/IHK78050 (Video vom 11.05.2022)
- Cybercrime-Report www.wirtschaft-im-suedwesten.de/titelthemen/kann-jeden-treffen
- Tipps für den Tag X www.wirtschaft-im-suedwesten.de/praxiswissen/cybercrime-to-dos-fuer-den-ernstfall
Muss man einen Anwalt einschalten?
Im Falle einer Cyberattacke heißt es: Betroffene geben nur Informationen heraus, die sie mit ihrem Anwalt abgestimmt haben. Bedenken Sie: Juristendeutsch schafft Distanz. Gute Kommunikatoren wählen die richtigen Worte und bauen eine Brücke zu den Adressaten. Vertrauen fördert, wer die juristisch fundierten Informationen in eine zielgruppennahe und gleichwohl selbstbewusste Sprache übersetzt.
Können Sie ein Beispiel geben?
Ich sage meinen Kunden: Sie handeln aktiv, also kommunizieren Sie auch aktiv. Ob Betroffene berichten ‚Das wird unternommen‘ oder ‚Wir unternehmen das‘ ist ein großer Unterschied. Auch dank ihrer aktiven Sprache positionieren sich die Verantwortlichen als kompetente Akteure, die die Sache in die Hand nehmen. Das heißt auch, dass kluge Sprecher am Anfang gezielt deeskalieren. Mein Rat: Formulieren Sie nicht: ‚Wir wurden gehackt‘, sondern informieren Sie besser über einen ‚IT-Sicherheitsvorfall‘.
Wie spreche ich mit der Öffentlichkeit?
Sind Hacker am Werk, dauert es nicht lange, bis Journalisten anrufen. Versierte Kommunikatoren bereiten ein Pressestatement vor. Sie bereiten Daten und Fakten anschaulich auf, zum Beispiel als Fragen-Antworten-Katalog. Medienaffine Unternehmen beobachten mit Hilfe eines Monitorings, was in den sozialen Medien über sie gesprochen wird. Es kann auch sinnvoll sein, die Öffentlichkeit proaktiv zu informieren: mit Pressearbeit oder online. Das kommt auf den Einzelfall an.
Wie kann man sich vorbereiten?
Ich empfehle, ein Krisenteam zu formieren und festzulegen, wer sich im Ernstfall worum kümmert. Auch in kleineren Unternehmen ohne eigene Kommunikationsabteilung rate ich dem Management: Legen Sie im Vorfeld fest, wer am Tag X spricht und absolvieren Sie ein Medientraining. Sind Mitarbeiterdaten betroffen, setzen Betriebe ein starkes Signal, wenn es intern einen Kollegen gibt, der persönlich erreichbar ist. Legen Sie Zuständigkeiten in einem Krisenplan fest. Skizzieren Sie mögliche Krisenszenarien und üben Sie, wie Sie in der Krise vorgehen. So lernen Verantwortliche, was alles auf sie zukommen kann.
Interview: Daniela Becker
IHK Hochrhein-Bodensee:
Susanne Tempelmeyer-Vetter
Telefon: 07531 2860-156
Mail: Susanne.tempelmeyer-vetter@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Wolf-Dieter Bauer
Telefon: 07721 922-168
Mail: bauer@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Nico Faller
Telefon: 0761 3858-267
Mail: nico.faller@freiburg.ihk.de