Mehr als vier Jahre ist es her, dass sich eine knappe Mehrheit der Briten im Referendum am 23. Juni 2016 für den Austritt aus der EU ausgesprochen hat. Doch bis heute wissen die Unternehmen nicht, wie die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich künftig ausgestaltet sein werden.
Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über ihre Beziehungen nach dem Ende der Übergangsphase ab 1. Januar 2021 waren Ende Oktober immer noch nicht vorangekommen. Die Ansichten über die Ausgestaltung eines Handelsvertrages gehen weit auseinander. Von Seiten der EU wird weiterhin darauf hingearbeitet, Regelungen in Bezug auf ein Level-Playing-Field zu erzielen. Dazu gehören unter anderem einheitliche Regelungen zu Staatsbeihilfen und Umweltstandards, um auch künftig einen offenen und fairen Wettbewerb zwischen der EU und Großbritannien zu gewährleisten. Zudem soll es ein umfassendes Abkommen ohne Mengenbeschränkungen und Zölle für Waren geben. Das Vereinigte Königreich hingegen möchte sich nicht auf die Aufrechterhaltung gemeinsamer Standards festlegen. Auch ein gleichbleibender EU-Zugang zu britischen Fischgründen ist bisher von den Briten nicht gewünscht. Dies macht eine Einigung schwierig, dabei ist die Zeit denkbar knapp. Um ein rechtzeitiges Inkrafttreten zum Jahreswechsel garantieren zu können, hätten die Verhandlungen bis Oktober abgeschlossen sein müssen, da der Handelsvertrag sowohl vom europäischen als auch vom britischen Parlament ratifiziert werden muss, und die nationalen Regierungen der EU Zeit für die Implementierung des Vertrages benötigen.
UK-Handel ab 2021
- Unabhängig vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen gibt es ab Januar 2021 neue Zollbestimmungen
- Eine europäische EORI-Nummer ist ab 2021 für Im- und Exporte verpflichtend
- Die Ursprungseigenschaft muss nachgewiesen werden, ansonsten wird – auch mit Handelsabkommen – ein Zoll erhoben
Unternehmen müssen bei Waren aus Drittländern Ursprungseigenschaften genau prüfen - Beim Handel mit Dienstleistungen fallen ab 2021 die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr weg
- Für Großbritannien gelten ab 2021 Export- und Importverbote für chemische Produkte, Abfall und Dual-Use-Güter
Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen, welche von Prüfstellen aus dem Vereinigten Königreich ausgestellt werden, sind innerhalb der EU nicht mehr gültig - Wenn es kein Abkommen gibt, kommen unter anderem Zölle im Handel mit UK hinzu
Quelle: Mitteilung der EU-Kommission „Getting ready for change“
Aufgrund der schwierigen Gesamtlage hat die EU-Kommission die Mitteilung „Getting ready for change“ herausgegeben, in der sie einen Überblick über die Veränderungen gibt, die nach dem Ende der Übergangsphase – unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen – auf die Unternehmen zukommen, wenn Großbritannien den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlässt. Für den Warenverkehr mit dem United Kingdom (UK) bedeutet dies neue Zollbestimmungen. Mit Beginn des neuen Jahres müssen EU-Unternehmen, die Ware ins Vereinigte Königreich exportieren oder aus diesem importieren, über eine Nummer zur Identifizierung und Registrierung von Wirtschaftsbeteiligten, die sogenannte EORI-Nummer der EU, verfügen. Zusätzlich wird für in die EU importierte Waren die Ursprungseigenschaft nachzuweisen sein. Materialien mit Ursprung „Vereinigtes Königreich“ tragen dann nur noch im bilateralen Handelsverhältnis zwischen EU und UK zum Erreichen des Präferenzursprungs und somit zu Zollvergünstigungen bei. Im Verhältnis mit Drittländern verlieren britische Vormaterialien dagegen ihre präferenzielle Ursprungseigenschaft. Falls Transportwege über das Vereinigte Königreich führen, sind Direktbeförderungsklauseln zu beachten.
Für den Handel mit Dienstleistungen fallen zum Jahresbeginn die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Unionsverträge weg. Um Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten, müssen Dienstleister nachweisen, dass alle Vorschriften eingehalten werden und alle Genehmigungen vorliegen, die für die Ausübung der Dienstleistung in der EU nötig sind. Bei Finanzdienstleistungen gelten nach Ende der Übergangsfrist nur noch die üblichen Drittstaatenregelungen des betreffenden Mitgliedsstaates.
Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen von Prüfstellen aus dem Vereinigten Königreich sind in der EU nicht mehr gültig. Zudem gelten für bestimmte Güter – unter anderem chemische Produkte, Abfall- und Dual-Use-Güter – ab 1. Januar 2021 Import- und Exportverbote beziehungsweise -beschränkungen. Kommt bis Jahresende kein Abkommen zustande, kämen unter anderem Zölle hinzu. Importierte Waren aus dem Vereinigten Königreich würden dann nach dem gemeinsamen Zolltarif der EU verzollt und exportierte Güter ins UK nach dem Zollsatz Großbritanniens mit Zöllen belegt.
Laut dem „Border Operating Model“ der britischen Regierung werden sich Importhändler von Standardware wie Kleidung oder Elektronik ab 1. Januar 2021 auf grundlegende Zollanforderungen vorbereiten müssen. Dazu gehören detaillierte Aufzeichnungen über die importierten Waren. Außerdem müssen Händler dann eine Mehrwertsteuer auf ihre Produkte entrichten. Innerhalb eines Zeitfensters von sechs Monaten können die Zollerklärungen nachgereicht werden. Ab April 2021 sind dann für alle regulierten Pflanzen und Pflanzenprodukte sowie alle tierischen Produkte (Honig-, Fleisch-, Milchprodukte et cetera) Voranmeldungen erforderlich und Gesundheitsdokumente vorzulegen. Ab Juli 2021 müssen dann für alle Importgüter die erforderlichen Zollerklärungen zum Zeitpunkt des Imports vorliegen.
Text: Matthias Dubbert
Referatsleiter Europapolitik, DIHK Brüssel
Bild: Irina 27 – Adobe Stock
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