Viele Firmenchefs und -chefinnen aus der Region haben ihre unternehmerische Karriere selbst als Gründer oder Nachfolger begonnen und erinnern sich noch, wie spannend das damals so war. Seither ist vieles einfacher, manches aber auch komplizierter geworden. Wie es sich heute gründet, was den Unternehmernachwuchs aktuell beschäftigt und was gestandene Start-ups raten.
Bunter könnte die Gruppe an diesem Dienstagmorgen in Offenburg im Gründer-Workshop „HOW2START“ kaum sein. Eine junge Frau mit der Idee zu einem Marketingnetzwerk, ein Grafiker in Hoodie und Basecap, der in Content Creation einsteigen möchte, ein Techniker, der mit seiner Frau online eine asiatische Kosmetiklinie vertreiben will, ein Handwerker, der vorhat, Marmor für B2B-Kunden zu importieren.
Wir haben bei gestandenen Start-ups, die den Kinderschuhen schon entwachsen sind, nachgefragt:
Was war der beste Rat, den Sie in der Gründungsphase bekommen haben? Und welchen Rat würden Sie selbst dem Nachwuchs mit auf den Weg geben?
- Manuel Stein, Gründer von Subsequent, Konstanz
- Sandra Prediger, Mitgründerin von Jobrad, Freiburg
- Alma Spribille, Mitgründerin von Wetell, Freiburg
- Hannah Louise Brown, Mitgründerin von Organifarms, Konstanz
- Mathias Fehske und Veronika Sharonova, Gründer von Silberzebra/Goodbalancer, Freiburg
- Fabian Silberer, Mitgründer von Sevdesk, Offenburg
Florian Appel, Geschäftsführer der Black Forest Innovation (BFI), einer Tochter der Stiftung Technologie und Wirtschaft aus Offenburg, die unter anderem den dortigen Technologiepark auf 4.000 Quadratmetern mit gut 50 Unternehmen und Start-ups betreibt, erklärt den Gründungsinteressierten anhand des Business Model Canvas – ein neunteiliges Plakat – wie sie ihr Geschäftsmodell gedanklich entwickeln und aufschreiben.
Ein studierter Sportwissenschaftler hat für sein Wunschbusiness – individuelle Reha- und Präventionstrainings – so ein Canvas schon mitgebracht und versucht nun, auf dem mit Bleistift dicht bekritzelten Papier seine Vertriebskanäle zu identifizieren. Wie auch einige der anderen Teilnehmer steckt er schon so tief drin in den Details seines künftigen Unternehmens, dass der Blick von außen, aus Kundensicht, schwerfällt.
Florian Appel bohrt bei allen immer wieder nach, stellt Geschäftsidee, Zielgruppe, Konzept auf die Probe. Das irritiert, ganz klar, aber muss so sein, wie der Gründungsexperte feststellt: „Ihr müsst euch fragen: Warum ich? Warum mein Shop? Warum mein Produkt?“ Sein Rat: „Geht raus, testet euer Angebot am Markt. Fangt klein an, vielleicht nur mit einer Zielgruppe – und dann Attacke!“ Man solle nicht verzweifeln, wenn man anfangs abblitzt. Nur so entwickelt sich die Idee zu etwas Marktgängigem. Er zitiert ein Start-up, das mal gesagt habe „Wenn du zurückblickst und dich für deine Anfänge nicht schämst, dann hast du zu lange gewartet.“
Die Geschäftsidee früh ausprobieren, „unterwegs“ weiterentwickeln und notfalls die Richtung ändern – dieser eher US-amerikanische Ansatz, Projekte anzugehen, ist einer der größeren Unterschiede zwischen heutigen Gründungen und denen früherer Tage. Damals tüftelte man eher länger als kürzer im stillen Kämmerlein, bis alles rund lief, bevor man an die Öffentlichkeit ging.
Die, die es ernst meinen
Wobei das Gründungsinteresse insgesamt schon mal deutlich lebhafter war, wie der DIHK-Gründungsmonitor aus diesem Frühjahr feststellt. Für das Jahr 2022 meldeten die IHKs bundesweit erneut einen Rückgang bei den Informations- und Beratungsgesprächen: Nahmen vor zehn Jahren noch 327.000 Interessenten die Gründungsberatung der Kammern in Anspruch, waren es 2022 nur knapp 155.000, drei Prozent weniger als im Vorjahr, der Tiefststand seit 2002.
Ein Grund dafür dürfte die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt sein, meint Alexander Vatovac, bei der IHK Hochrhein-Bodensee für Existenzgründung und Unternehmensförderung zuständig. „Es muss niemand mehr mangels Alternativen gründen.“ Bleiben also die, „die wirklich für ihre Idee brennen und die bereit sind, Energie, Freizeit, Nerven und Jahre ihres Lebens zu investieren.“ Die Fähigkeit, diese Intensität durchzuhalten, sagt Vatovac, hat auch nicht jeder.
Tatsächlich würden sich Gründer die ganze Sache etwas weniger mühsam wünschen, wie der DIHK-Report weiter zeigt (siehe Grafik): runter mit den Regeln, rauf mit den Fördermitteln. Mehr Vernetzungs- und Informationsmöglichkeiten wünschen sich dagegen nur wenige. „Davon gibt es mittlerweile wirklich reichlich“, weiß Christian Müller, Gründungsberater bei der IHK Südlicher Oberrhein und einer der Mitveranstalter des How2Start-Workshops in Offenburg. Er spricht an diesem Morgen nicht nur über Geschäftsmodell – „Stellt es immer wieder auf den Prüfstand und justiert es nach“ – und Businessplan – „Er wird nicht mehr zwingend gebraucht, ist aber sinnvoll, auch für euch selbst“ –, sondern stellt den Teilnehmern auch das große Angebot an Projekten in der Region für Start-ups und andere Existenzgründer vor. Sein Tipp: Vernetzt euch, holt euch Rat ein. „Und kommt bei der IHK zur Beratung vorbei, noch bevor ihr größere Entscheidungen getroffen oder irgendwelche Verträge unterschrieben habt“, so seine Bitte.
Veranstaltungen rund ums Gründen
- Termine zur Gründungswoche vom 13. bis zum 17. November u.a. in der „Farm“, Konstanz, unter www.konstanz.farm/gruendungswoche.
- Workshop Existenzgründung: „Ich mache mich selbstständig“. Startercenter Südwest. 14. November, online. Infos unter www.ihk.de/konstanz – 13540
- Welche Möglichkeiten der Finanzierung gibt es? Veranstaltung der IHK Hochrhein-Bodensee und der Handwerkskammer Konstanz. 14. November, Farm/Konstanz. Infos unter www.konstanz.farm/event/gruendungsfinanzierung
- Was macht eine Gründung erfolgreich? Veranstaltung der IHK Hochrhein-Bodensee und der Handwerkskammer Konstanz. 15. November, Farm/Konstanz. Infos unter www.konstanz.farm/event/erfolgreiche-gruendung
- IHK on the Road: Die IHK Südlicher Oberrhein und die Chambre de Commerce et d‘Industrie Alsace Eurométropole (CCI) bieten eine grenzüberschreitende Gründungsberatung an. Nächster Termin: 15. November in Kehl. Infos unter https://veranstaltungen.freiburg.ihk.de/ihkcciontheroad
- „HOW2START“: Vortragsreihe für Gründende im Technologiepark Offenburg. Initiatoren sind die IHK Südlicher Oberrhein, Foundersnet und der Technologiepark Offenburg. Nächster Termin: 16. November. Infos unter https://technologiepark.org/how-2-start
- „Ihr Marketing auf dem Prüfstand“: Onlinesprechstunde insbesondere auch für Gründer. 17. November. Termine holen unter https://veranstaltungen.freiburg.ihk.de/ihrmarketingaufdempruefstandnovember
- #StartupTrifftMittelstand: Start-up-Pitch der Baden-Württembergischen IHKs. 21. November, online. Zusehen unter
https://startup-mittelstand-ihk5.ascrion.com - Storytelling: Exklusive Veranstaltung des Gründernetzwerks der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. 22. November, Tuttlingen. Infos und Anmeldung unter https://veranstaltungen-ihk-sbh.de/r/Netzwerk-ST
- Startschuss Gründung: Informationsveranstaltung der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg mit der Handwerkskammer Konstanz. 5. Dezember. Villingen-Schwenningen. Infos unter https://veranstaltungen-ihk-sbh.de/r/startschuss_g12
- Veranstaltungskalender von Startinsland, der Gründungsinitiative Region Freiburg unter www.startinsland.de/termine
Man redet miteinander, reichlich
Auch das ist ein Unterschied zu früheren Gründergenerationen: der unbedingte Wunsch nach Austausch, nach Vernetzung. Man hält nicht mehr hinterm Berg mit seiner Idee, sondern teilt sie – ein Stück weit – zügig. Diese Haltung spiegelt sich auch in einigen der Ratschläge gestandener Start-ups (siehe Testimonials).
Gründer-Events, auf denen man zwangslos netzwerkt und Erfahrungen teilt, „kommen wahnsinnig gut an“, berichtet Maik Schirling, Gründungsberater bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. „Das Gefühl, Kontakte oder Partner zu haben, gibt Sicherheit. Einfach zu wissen, da gibt es Experten in meinem Telefonbuch, die ich anrufen kann.“ Das war für die IHK vor einigen Jahren auch ein Grund dafür, die Gründergarage, ein Intensivprogramm inklusive Mentoring, einzuführen. Seit Kurzem unterhält man auch ein Beratungsbüro im neuen Gründerzentrum in Rottweil, dem Gewächshaus.
Dass der potenzielle Kooperationspartner – oder auch nur die Kollegen, die ein paar Monate mehr Erfahrung zu einem Thema haben – nur ein paar Türen weiter sitzt, wissen auch die Start-ups in der „farm“, dem Gründungs- und Innovationszentrum in Konstanz, zu schätzen. Auf drei Etagen sitzen aktuell rund 30 Existenzgründende – vom Tech-Start-up, das mal ein Unicorn werden könnte, bis zum Systemischen Coach. „Bei uns laufen zudem alle Anfragen rund ums Gründen in der Region zusammen und wir spielen sie in das hiesige Gründungsnetzwerk, zu dem mittlerweile knapp 20 Partner gehören“, erklärt Christina Groll, die die Farm leitet.
Es ist eine thematisch breite Mischung, die sich hier trifft, von Anwendungsmodellen für Künstliche Intelligenz über Solarenergiespeicher bis zu New-Work-Ansätzen. Man befruchtet sich gegenseitig. Und leidet gemeinsam – etwa unter dem erforderlichen Papierkram.
Endgegner Bürokratie
Gefragt nach der größten Herausforderung für ihr Unternehmen, nennt Jan Kaiser, Mitgründer von Xanevo, die Texte, etwa für Produktinformationen, per KI erstellen und zudem Unternehmen zur Einführung von KI beraten: „die Bürokratie“. Die sei schon arg. „Weil die Ausschreibungen, an denen wir uns beteiligen, immer mindestens eine GmbH fordern, fiel für uns die Option einer GbR flach“, erklärt er. In der Folge brauche es für alles gleich einen Steuerberater, da mache Wachstum gar keinen Spaß. Und auch die Auftragsvergabe großer Firmen findet er bemerkenswert: „Wir sind jetzt im dritten Jahr und die Kundenakquise erleichtert sich massiv dadurch, dass es uns einfach schön länger gibt. Das ist doch verrückt. Einfach nur durch Zeitablauf.“
Für Verena Ziegler, Mitgründerin des Fashion-Tech-Start-ups Open Dress, ist die Personalsuche gerade der größte Flaschenhals. Open Dress vermisst mit seiner Passformsoftware Körper und berechnet aus den 3D-Körperscans beispielsweise passgenauere Schnittmuster für die Modeindustrie. „Das hat viel mit Geometrie zu tun, so dass wir ganz spezielle IT-Fachleute benötigen.“ Mittlerweile holt das 14-Personen-starke Start-up seine Experten inklusive ihrer Familien sogar aus dem entfernteren Ausland, etwa aus dem Iran, nach Konstanz. Am zweitheftigsten drücke der Schuh, so Verena Ziegler, beim Thema Finanzierung. „Es fehlt Geld für die mittlere Phase“, so ihre Erfahrung.
Möglicherweise hilft hier künftig das neue Förderprogramm „InnoGrowth BW“, das die Landesregierung und die L-Bank Mitte Oktober aus der Taufe gehoben haben.
Potenzial wird vernachlässigt
Zu Finanzierung und Bürokratie hat auch Roland Burkhardt einiges zu sagen. Er ist in der Farm einer der ältesten Jahrgänge, hat schon in den 1990er Jahren erstmals gegründet und Solarzellen produziert. Der Sonne ist er treu geblieben, jetzt geht es ihm aber um Speichermedien für Solarenergie. Am 21. März 2020 – „der Tag des ersten Lockdowns, finden Sie da mal einen Notar zum Beurkunden“ – hat er Energy Depot gegründet.
„Für meine ersten Unternehmen bin ich zur Bank gegangen, habe meinen Businessplan vorgelegt und Geld bekommen, ohne Sicherheiten“, erinnert er sich. Das ginge wegen Basel I bis IV heute nicht mehr, „denn in den Banken sitzt niemand mehr, der technisch so gut ausgebildet ist und das Risiko beurteilen kann“.
Auch die Anforderungen rund ums Gründen hätten immens zugenommen. Man könne nicht mehr einfach losrennen und seiner Idee nachgehen. „Zuvor muss man seinen Firmennamen, die Webseite, seine Brands schützen lassen. Dann kommen Datenschutz, Recyclingkonzept und Lieferkette…“ Bis dahin habe man noch kein einziges Stück verkauft.
„Ich finde das eine gefährliche Entwicklung. Innovationen kommen meiner Erfahrung nach nie von den großen Firmen. Sie kommen von den kleinen. Ich kann nicht verstehen, warum man das in Deutschland nicht wirklich massiv unterstützt.“ Eine Einschätzung, die wohl viele KMU – und nicht nur die ganz kleinen und neuen – so unterschreiben würden.
Text: Ulrike Heitze
Bild: Adobe Stock/deagreez
Grafik: DIHK
Grafik: Ergebnis des DIHK-Report Unternehmensgründung 2023, der auf 170.000 Kontakten aus dem IHK-Gründungsservice mit angehenden Unternehmern fußt.
Starthilfe
- IHK-Ansprechpartner rund ums Gründen:
- IHK Hochrhein-Bodensee: Alexander Vatovac, Telefon: 07531 2860-135, Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de, www.ihk.de/konstanz/starthilfe/gruendung/existenzgruendung
- IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Maik Schirling, Telefon: 07721 922-349, Mail: schirling@vs.ihk.de, www.ihk.de/sbh/gruender
- IHK Südlicher Oberrhein: Christian Müller, Telefon: 07821 2703 641 Mail: christian.mueller@freiburg.ihk.de, www.ihk.de/freiburg/starthilfe
- Individuelle Gründungsberatung der IHKs. Hilfe zu Businessplänen, Rechtlichem, Netzwerken, Stellungnahmen für Finanzmittel, zur Förderlandschaft, Rechtsformwahl. IHK-Ansprechpartner siehe oben.
- Startercenter Südwest. Verbund der drei IHKs im Südwesten zur Unterstützung von Existenzgründern. Unter anderem Online-Seminarreihe „Gründer Tea Time“ und monatliche Online-Existenzgründer-Workshop. startercenter-suedwest.de
- Unternehmenswerkstatt Baden-Württemberg. Digitale Plattform der zwölf IHKs im Land für Mitgliedsunternehmen sowie Gründer. Tools und Infos unter anderem zur Existenzgründung. www.uwd-bw.de
- Gründergarage der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Kostenfreies Intensivcoaching für fortgeschrittene Gründer über vier Monate. Bewerben jederzeit möglich, nächster Start Anfang April. Infos und Bewerbung: gruendergarage@vs.ihk.de, Telefon: 07721 922-349, www.gruendergarage-sbh.de
- Gründernetzwerk der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Netzwerk für Start-ups, Existenzgründer und Jungunternehmer aus allen Branchen. www.ihk.de/sbh – 4620288
- Service-„Tool für Gründer:innen“. Für die ersten Schritte in die Selbstständigkeit. www.ihk.de/freiburg – 5443574
- Auswahl an Acceleratoren in der Region: Black Forest Innovation www.bf-innovation.com, Baden-Campus www.badencampus.de, Smart Green www.smartgreen-accelerator.de
- Auswahl an Gründungsinitiativen in der Region: Startinsland www.startinsland.de, Foundersnet www.foundersnet.de. Startupnetzwerk Bodensee www.startup-netzwerk-bodensee.com
- Offensive Regio. Deutsch-franz. Gründerportal. offensive-regio.de
- Startup-Academy. Schweizerisch-deutsches Gründerportal. startup-academy.ch