Um die Formel zur Berechnung von Arbeit zu erklären, macht sich Harald Moses ziemlich viel Arbeit. Der Dozent steht am zweiten Donnerstag im September 2022 in der IHK-Akademie in Offenburg vor einem Dutzend junger Menschen, die ihm gebannt lauschen.
Kein Wunder, dass die jungen Leute so fasziniert sind. Harald Moses erzählt bildhaft, wie er beim Tag der offenen Tür an einer Universität miterlebte, wie sich mit einer Arbeitsmaschine ein Schriftzug auf den Rüssel einer Schnake gravieren lässt. „Das sind Maschinen, die im atomaren Bereich arbeiten“, erläutert er. Und schwenkt schon zum nächsten bildhaften Beispiel, wie diese Technologien angewandt werden: „Unter dem Mikroskop kann man sehen, welche Atome beim Bruch der Bremsscheibe eines Formel 1 Boliden beteiligt waren.“
Vor Harald Moses sitzen Youtube-gestählte junge Frauen und Männer, die die Güte von Tutorials einschätzen können. Sie sind absolut interessiert an dem, was Harald Moses zu berichten hat. Schließlich geht es heute nicht um pure Unterhaltung, sondern um den Einstieg in die eigene nächste Lebensphase. Vom 6. bis 9. September bot die Akademie der IHK Südlicher Oberrhein wieder ein Azubi-Opening an – gleichzeitig in den Räumlichkeiten in Offenburg und in Freiburg. „Die vier Tage sind dazu gedacht, dass Auszubildende ihre Schlüsselqualifikationen trainieren und ausbildungsrelevante Grundfertigkeiten stärken“, erläutert Petra Kratochwil, bei der IHK zuständig für das Azubi-Opening-Programm in dieser Woche. Eine Art Bootcamp für die Vorbereitung des Berufslebens.
„Abgeholt“ werden die Teilnehmenden am ersten Tag von Bernd Wiegele. Sein Vortrag ist vielleicht nicht so lebendig wie der von Harald Moses, wichtig ist er dennoch. Und ob der Bedeutung von Ausbildungsverordnungen, Ausbildungsverträgen und Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten ist die Ernsthaftigkeit des Vortrags aus dem Mund des stellvertretenden Leiters Aus- und Weiterbildung bei der IHK und Chef der Ausbildungsakademie durchaus angebracht. Bernd Wiegele spricht aus Erfahrung, wenn er dem neuen Jahrgang ins Stammbuch schreibt, sich bei eventuell auftretenden Schwierigkeiten an die Ausbildungsbegleiter der IHK zu wenden: „Der Wechsel von der Schule in die Berufswelt birgt Stoff für Konflikte und es läuft eben nicht immer alles rund.“
In die nächste Runde geht hingegen Harald Moses, der elegant die Kurve nimmt vom erzählerischen Ausflug Richtung graviertem Schnakenrüssel hin zur von ihm angefertigten und sorgfältig laminierten Formelsammlung, auf die das Spicken erlaubt ist, wenn man Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung oder gar Volumenstrom ausrechnen soll. Vor ihm sitzen die gewerblichen Auszubildenden. Alle hatten schon ihre ersten paar Tage im Ausbildungsbetrieb inklusive Betriebsbesichtigung und der eine oder andere ist mit einer Informationsmappe des Arbeitgebers ausgerüstet. Während sie langsam mit Harald Moses beginnen, ihre grundlegenden mathematisch-physikalischen Fähigkeiten zu vertiefen, Pläne zu lesen und ihre IT-Kompetenz zu fördern, die über das schnelle Tippen von Whats-App-Nachrichten oder das Hochladen von Reels auf Instagram hinausgehen, ist Harald Moses‘ Kollege Artur Zagajewski in einem anderen Raum der IHK-Akademie zugange.
Der studierte Betriebswirt bildet sowohl Auszubildende wie auch Ausbilder aus und sorgt zunächst dafür, dass sich alle kennenlernen. In einem Rollenspiel initiiert Artur Zagajewski eine gegenseitige Vorstellungsrunde. Die fördert unter anderem zutage, dass sich das Angebot für Praktika für die Unternehmen auszuzahlen scheint. Die meisten der jungen Menschen kennen ihren Ausbildungsbetrieb nämlich aus Praktikumszeiten während ihrer Schullaufbahn. Aber auch die sich anbahnende Wirtschaftskrise ist augenscheinlich Motor, bei einer soliden Ausbildung zuzugreifen. So berichtet Karolina Kiefer von ihrer einjährigen Episode „Jura-Studium“, während derer sie aufgrund der Coronapandemie nicht ein einziges Mal die Universität von innen gesehen hat: „Solch ein Studium unter diesen Möglichkeiten war nicht umsetzbar“, zieht sie Bilanz. Sie jobbte acht Monate und macht jetzt beim Spülmaschinenhersteller Hobart in Offenburg eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Sie ist happy mit dieser Wahl und eifrig bei der Sache ist sie auch während der Azubi-Opening-Woche.
Daniel Reglin wird für die kommenden Jahre einer ihrer Ausbildungskollegen sein. Auch er hat bei Hobart angeheuert und lässt sich als Fachinformatiker für Systemintegration ausbilden. Wie er die Azubi-Opening-Woche findet? „Ziemlich gut“, lobt er Dozenten wie Carmelo Carmeni. Gerade ist Pause bei der Einführung in die Themen „Wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen“ und „Sensibilisierung für Qualitätsmanagement“. Warum Daniel Reglin dem Dozenten ausgerechnet Empathie bescheinigt, wird klar, wenn man für eine Weile als Gasthörer im Raum sitzt: Der Marketingspezialist holt die jungen Leute ab. Eine Frage jagt die nächste, er bindet ihre Aufmerksamkeit und verlässt kaum den Pfad der Interaktivität.
Dass in den teilnehmenden Unternehmen selbst eine hohe Zufriedenheit mit dem Azubi-Opening besteht, bestätigt auch Manuela Kurbjuhn, bei der Girsberger GmbH in Endingen verantwortlich für die Auszubildenden: „Wir sind absolut glücklich mit der Organisation und auch unsere Auszubildenden loben diese Einführungswoche.“
dg
Bild oben: Bernd Wiegele, Leiter der IHK Ausbildungsakademie (linke Seite, rechtes Bild) begrüßte die neuen Auszubildenden und stellte auch die Bedeutung der IHK in deren Berufsleben vor.
Bild unten: Aufmerksam verfolgen die Teilnehmer des Azubi Openings, was Harald Moses ihnen zu berichten haben.
Ansprechpartnerinnen für das Azubi-Opening
Petra Kratochwil
Telefon: 0781 9203-555
Mail: petra.kratochwil@freiburg.ihk.de
Sabrina Schlenz
Telefon: 0781 9203-571
Mail: sabrina.schlenz@freiburg.ihk.de