Ein Unternehmen, diverse Standorte, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle sollten mit demselben Wissen arbeiten. Tun sie nicht. Hier eine Veränderung in einem Dokument, dort ein Abspeichern auf dem nicht für alle zugänglichen Laufwerk. Ein Problem für jede Firma. Technologiedienstleister Alexander Bürkle in Freiburg hat sich mithilfe der Digitalisierung der Herausforderung Wissensgerechtigkeit gestellt.
Kopfschüttelnd erinnert sich Ulrike Berger, wie Wissen bei ihrem Arbeitgeber noch vor knapp zehn Jahren gesammelt und vermittelt wurde. „18 Niederlassungen in Südwestdeutschland, jeder Mitarbeiter hatte seinen Informationsstand, überall liefen Prozesse ein bisschen anders ab.“ Das wollte die Leiterin der Alexander Bürkle-Akademie ändern. Doch es gab noch eine weitere Herausforderung: „Natürlich glaubten alle, an ihrem Standort gäbe es die beste Lösung.“ Für Berger war damit schnell klar, dass sie nicht nur eine Lösung für die Wissensvermittlung und Prozessvereinheitlichung benötigte. „Wir mussten die Mitarbeiter mitnehmen, im Gespräch bleiben und auch Kompromisse eingehen.“ Diese Einstellung gefällt auch Emmanuel Beule, Referent Digitale Geschäftsprozesse bei der IHK Südlicher Oberrhein. „Diese Haltung der Wissensgerechtigkeit sollte Vorbild für alle Führungskräfte sein. Das ist Teil der Digitalisierung ohne Bits und Bytes.“ Hier setze auch die IHK mit ihren Beratungsleistungen an.
„Tatsächlich geht es zuallererst um Prozessoptimierung, nicht um Digitalisierung“, bestätigt Gerhard Sommer, Senior Customer Success Manager bei United Planet. Den Freiburger Softwarehersteller holte Alexander Bürkle zur Unterstützung hinzu. Warum Sommer sich zunächst mit Abläufen und Vorgängen auseinandersetzt, bevor er digitalisiert, erklärt er mit einem einfachen Sachverhalt: „Ein schlechter analoger Prozess bleibt auch digital ein schlechter Prozess.“ Zudem würden bei der Prozessoptimierung alle durch die gemeinsame Suche nach der Verbesserung beteiligt. Und so habe auch das Qualitätsmanagement von Alexander Bürkle gejubelt, als es darum ging, Prozesse zu digitalisieren. Berger: „Denn somit war Digitalisierung gleichbedeutend mit Optimierung.“
Die Digitalisierung selbst ist für Gerhard Sommer eigentlich keine große Sache. „Die größere Herausforderung ist die Analyse der Prozesse – bevor die Digitalisierung startet.“ Ein Überstülpen ist für ihn daher auch unmöglich. „Zu sagen, ein Unternehmen müsse digitalisiert werden, macht keinen Sinn. Das geht nur Stück für Stück.“ Hier gibt es große Zustimmung von Ulrike Berger aus ihrer Erfahrung mit Alexander Bürkle. „Es braucht keine übermächtigen Programme. Es reicht, wenn der einzelne Mitarbeiter seinen Bereich sieht.“ Gleichzeitig dürfe jedoch kein Prozess isoliert angeschaut werden. Berger: „Es muss immer alles mitgedacht werden.“
Berger begann den Prozess der Optimierung 2010 mit einer Frage. „Was heißt denn Digitalisierung? – Es ist das Wegkommen von Papier.“ Also schaute sie sich die Papierordner in den Regalen an. „Was wird da abgelegt? Wie werde ich die los?“, lauteten ihre nächsten Fragen. Die Antwort auf die Fragen war das Verlagern des Wissens ins Intranet, eine Version, für alle zugänglich. Keine unterschiedlichen Fassungen in Papierordnern oder auf Laufwerken, wo jeder sein Wissen einfügt und nicht teilt. Sommer: „Wenn sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen, dann funktioniert Wissensvermittlung so vielleicht noch. Aber ab einer gewissen Größe klappt das mit dem Flurfunk schlicht nicht mehr.“
Konsequent ging Ulrike Berger die Prozessoptimierung der Wissensvermittlung an. „Sechs Monate nach dem Start liefen alle Papierordner durch den Reißwolf; alle irgendwo auf Laufwerken gespeicherten Excel-Tabellen wurden gelöscht.“ Und schon kurze Zeit später hörte die Akademie-Leiterin immer mal wieder eine Frage: „Wie haben wir das eigentlich früher gemacht?“ Sie lacht. „Da war mir klar, dass wir die Leute überzeugt hatten.“
naz