Ausbau der Infrastruktur, Abbau der Bürokratie, Management der Transformationen: Diese Schwerpunkte prägten das vergangene IHK-Konjunkturgespräch. Unter dem Titel „Handlungsauftrag Standortpolitik“ zeigten Clemens Fuest, Wirtschaftsprofessor, Präsident des ifo-Instituts und Direktor des Center for Economic Studies, sowie IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des Vorstands der Marquardt Gruppe Harald Marquardt einen ersten Ausblick auf das kommende Wirtschaftsjahr. Gemeinsamer Tenor: Zum Ende des ersten Quartals 2022 dürfte der pandemiebedingte Einbruch der Wirtschaftsleistung aufgeholt sein. Das wurde beim diesjährigen IHK-Konjunkturgespräch deutlich.
Volatiles Konjunkturgeschehen prägt den Winter
„Das aktuelle Konjunkturgeschehen wird von Lieferengpässen, Inflationsgefahren und Covidinfektionen geprägt“, erläuterte Fuest. Diese Faktoren drückten das Geschäftsklima. Als historisch bezeichnete Fuest die aktuellen Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten: „Im verarbeitenden Gewerbe spüren sieben von zehn Betrieben die Knappheit von Vorprodukten. Dieser Mangel an Material sei praktisch bei allen Arten von Zwischengütern spürbar, hemme die Produktion und führe aufgrund der gleichbleibend hohen Nachfrage zu Preiserhöhungen an vielen Stellen. Fuest: „Diese Situation dürfte sich allerdings in den kommenden Monaten entspannen. Sofern Lieferungen wieder regelmäßig und planbar am Ort ihres Bedarfs eintreffen, rechnen wir dieses Jahr mit einer wieder sinkenden Inflation.“
Impfquote drückt Wahrscheinlichkeit von Lockdown
Im Hinblick auf die Coronapandemie betonte Clemens Fuest, dass der wirtschaftliche Schaden für viele Branchen im Jahresvergleich geringer ausfallen müsste: „Die Infektionen verändern das Verhalten von Konsumenten – unabhängig von den staatlichen Maßnahmen.“ Im Vergleich zu 2020 sei jetzt aber die Impfung vorhanden und zu einem der wesentlichen Instrumente zum Eindämmen der pandemischen Folgen geworden. „Das erlaubt Konsum und sozialen Kontakt mit weniger Risiko.“ Die Impfquote in Deutschland müsse jetzt gesteigert, und soziale Kontakte müssten reduziert werden, damit ein erneuter Lockdown auch für Geimpfte aus Gründen mangelnder Krankenhauskapazitäten verhindert werden kann.
Neben dem Pandemiemanagement gelte es mittelfristig die Herausforderungen Deutschlands als Industriestandort anzupacken. Eine wirtschaftsstärkende Dekarbonisierung der Industrie sei mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche die wesentliche Herausforderung für die neue Bundesregierung.
Hintergrund
Der Mitschnitt des digitalen IHK-Konjunkturgesprächs ist auf der Homepage der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg hinterlegt und auf ihrem Youtube-Kanal zu finden: www.youtube.com/user/IHK78050
Handlungsaufträge an die Bundespolitik
„Dafür braucht es standortpolitische Entschlossenheit, Führung und ein klares Controlling konkreter Handlungsfelder“, so Harald Marquardt. Zwei Handlungsfelder griff er aus dem jüngsten Unternehmensbarometer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages unter 3.500 Unternehmen heraus: die Bürokratie und die Standortkosten. „Bei beiden Handlungsfeldern hat sich der Standort Deutschland leider weiter verschlechtert. Andere Länder sind schneller, weniger papierintensiv, günstiger und wachstumsorientierter.“
Gleichzeitig sollte der neuen Bundesregierung eine Chance gegeben werden. „Die Wirtschaft nimmt die Ankündigung ‚Mehr Fortschritt wagen‘ ernst!“ In den Fokus der deutschen Standortpolitik gehörten die flächendeckende Digitalisierung von Institutionen und Regionen, die Beschleunigung der Verwaltungsarbeit und die nachhaltige Transformation der Industrie. „Klimapolitik darf nicht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit gehen. Sie muss Investitionssicherheit schaffen und klare Leitplanken geben: bei staatlichen Förderprogrammen, bei Belastungen und Abgaben und den politischen Zielvorgaben“, sagte der IHK-Vizepräsident. Marquardt betonte abschließend: „Wir wünschen uns eine Bundespolitik, die neue Wirtschaftskraft fördert und nicht maßregelt, die tatsächlich mehr Fortschritt wagt und im Zusammenspiel mit der Wirtschaft jedem Menschen bestmögliche Bildungschancen ermöglicht und Berufskompetenzen sicherstellt.“ Wenn sie dann noch klare Leitplanken für die Transformation des Industriestandortes Deutschland setze, sei für die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes viel erreicht, so der IHK-Vizepräsident.
Text: Hi
Bild: Light & Sound, Spaichingen
Philipp Hilsenbek, Fachbereich Standortpolitik
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