Auf Unternehmen und Unternehmer kommen auch 2021 zahlreiche rechtliche Neuerungen zu. Hier geben wir einen Überblick.
Erleichterte Beschlussfassung bei AG und GmbH auch 2021 möglich
Haupt- und Gesellschafterversammlungen im klassischen Sinn, das heißt in Form eines physischen Treffens, sind selbst bei kleinerem Gesellschafterkreis auf absehbare Zeit nicht möglich – jedenfalls aber unvernünftig. Ohne Versammlungen der Anteilseigner können notwendige Beschlüsse jedoch nicht gefasst werden. Der Gesetzgeber hat das Problem im Frühjahr 2020 während der ersten Coronawelle sofort erkannt und für Aktiengesellschaften die Möglichkeit einer (rein) virtuellen Hauptversammlung eingeführt sowie für die GmbH das schriftliche Umlaufverfahren erleichtert. Diese, ursprünglich bis zum Jahresende 2020 befristeten Erleichterungen, wurden per Verordnung bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Um auch in GmbHs virtuelle Versammlungen per Telefon- oder Videokonferenz zu ermöglichen, sollten entsprechende Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden.
Mindestlohn & Minijobs
Der gesetzliche Mindestlohn ist zum Jahreswechsel auf 9,50 Euro gestiegen. Danach wird er in Halbjahresschritten bis zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro steigen. Die Erhöhung kann erhebliche Konsequenzen haben: Konnte ein 450-Euro-Jobber bislang circa 48 Stunden in einem Monat sozialversicherungsfrei arbeiten, bleiben ab dem Jahresbeginn nur noch rund 47 Stunden, Mitte 2022 nur noch 43 Stunden. Bei Verträgen, die die Grenze von Euro 450 voll ausschöpfen, sollte der Beschäftigungsumfang regelmäßig angepasst werden. Anderenfalls droht die Sozialversicherungspflicht.
Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Von März bis einschließlich September 2020 war die Insolvenzantragspflicht für überschuldete und zahlungsunfähige Betriebe ausgesetzt, sofern die Insolvenzgründe auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen waren und Aussichten auf eine Beseitigung der Insolvenzgründe bestand. Für überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Unternehmen, wurde die Antragspflicht im Herbst nochmals bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Die Aussetzung der uneingeschränkten Insolvenzantragspflicht wurde weiter für Januar 2021 verlängert. Um zu verhindern, dass Insolvenzanträge allein aufgrund der pandemiebedingten Prognoseunsicherheiten gestellt werden müssen, ist für die Fortführungsprognose unter bestimmten Voraussetzungen zumindest aber eine Verkürzung des Prognosezeitraums von zwölf auf vier Monate geplant.
Reform des Insolvenzrechts
Die Bundesregierung hat in Umsetzung der europäischen Restrukturierungsrichtlinie im Oktober 2020 einen Gesetzesentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vorgelegt. Teil des Gesetzesentwurfs ist das „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“. Hierdurch soll ein neuer Rahmen für Restrukturierungen geschaffen, und finanziell angeschlagenen Unternehmen sollen neue Instrumentarien an die Hand gegeben werden, um sich aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu sanieren. Voraussetzung für das neue Sanierungsverfahren ist, dass das Krisenunternehmen nur drohend zahlungsunfähig ist und noch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt. Um die durch den Entwurf geschaffenen Sanierungsoptionen der Praxis so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen, ist das Gesetz bereits zum Jahreswechsel in Kraft getreten.
Gesetz gegen Abmahnmissbrauch
Missbräuchliche Massenabmahnungen sollen sich nicht mehr lohnen: Am 10. September 2020 hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ verabschiedet. Nachdem es im Oktober auch den Bundesrat passiert hat, ist es von wenigen Ausnahmen abgesehen am 2. Dezember 2020 in Kraft getreten. Das Gesetz soll dem Geschäftsmodell „Massenabmahnung“ die Grundlage entziehen und insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen unnötiger und wettbewerbsschädlicher Abmahnungen schützen. Ein Anliegen, für das sich auch die IHKn stark gemacht hatten . Um finanzielle Anreize für Abmahnungen zu verringern, wird etwa der Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Abmahnung bei Verstößen gegen Informations- oder Kennzeichnungspflichten im Internet oder von Verstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzrecht ausgeschlossen. Umgekehrt steht dem Abgemahnten nun ein Kostenerstattungsanspruch zu, wenn die Abmahnung erkennbar unberechtigt war, nicht den formalen Anforderungen an eine Abmahnung entspricht oder unberechtigterweise ein Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wurde. Schließlich wird für Verstöße im Internet der sogenannte „Fliegende Gerichtsstand“ abgeschafft, das heißt das Gericht, bei dem Klage erhoben wird, kann nicht mehr frei, sondern muss am Sitz des Beklagten gewählt werden.
Neues Weingesetz
Nach über 50 Jahren wird das deutsche Weinrecht reformiert. Kern der Reform sind Neuregelungen zur Qualitätsbestimmung. Bislang gilt in Deutschland, dass jeder Wein – unabhängig von seiner Herkunft – ein Spitzenerzeugnis sein kann (Prinzip der „Qualität im Glase“). Seit den 1960er-Jahren ist für die Qualitätsbezeichnung nicht die Herkunft, sondern – vereinfacht gesagt – der Zuckergehalt der Trauben maßgeblich (Oechsle). Bekanntlich sind aber nicht allein die Oechslegrad ausschlaggebend für die Qualität eines Weines, sondern vielmehr das Zusammenspiel von Boden, Klima und sonstigen natürlichen Gegebenheiten (Terroir). Nach dem Vorbild anderer großer europäischer Weinbaunationen wie Frankreich und Italien soll künftig auch in Deutschland die Herkunft eines Weines im Mittelpunkt stehen. Dabei gilt der Grundsatz: je genauer die Herkunft, desto höher die Qualität. Dafür soll eine „Herkunftspyramide“ eingeführt werden, an deren Spitze eine Einzellage steht. Der Deutsche Weinbauverband (DWV) sieht in einem Vorschlag eine Übergangsfrist bis zum Jahrgang 2026 vor. Eine Entscheidung des Gesetzgebers hierzu steht noch aus.
Grundstücksübertragungen
Eine Reform des Grunderwerbssteuergesetzes ist schon lange geplant. Über den von der Bundesregierung im Juli 2019 gefassten Entwurf, der bereits am 1.1.2020 hätte in Kraft treten sollen, wird indes weiter zwischen den Regierungsfraktionen diskutiert. Einige Bundesländer – zuletzt auch Baden-Württemberg – machen weiter Druck und drängen auf eine rasche Novellierung. Der Entwurf sieht vor, dass die Grunderwerbssteuer auch dann zu erheben ist, wenn nicht ein Grundstück, sondern eine ein Grundstück haltende Gesellschaft übertragen wird. Derzeit wird die Steuer nur fällig, wenn innerhalb von fünf Jahren 95 Prozent der Anteile einer solchen Gesellschaft übertragen werden; künftig sollen 90 Prozent
internen Untersuchungen dazu beitragen, Straftaten aufzuklären. Die Bundesregierung hat den Entwurf am 21. Oktober 2020 in den Bundestag eingebracht und so die finale Phase des Gesetzgebungsverfahrens eingeleitet. Da das Gesetz erst zwei Jahre nach Verkündung in Kraft treten soll, haben Unternehmen ausreichend Zeit, die eigene Compliance-Organisation auf den Prüfstand zu stellen und erforderlichenfalls weitere Compliance-Maßnahmen zu treffen.
Umfassende Reform des Personengesellschaftsrechts
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat Ende November 2020 den Entwurf eines „Gesetzes für ein modernisiertes Personengesellschaftsrecht“ veröffentlicht. Damit wird die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Grundform aller rechtsfähigen Personengesellschaften ausgestaltet und das teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Personengesellschaftsrecht an die praktischen Bedürfnisse eines modernen Wirtschaftslebens angepasst. Bislang war die GbR im Bundesgesetzbuch grundsätzlich als eine nicht rechtsfähige, zur Durchführung einer begrenzten Anzahl von Einzelgeschäften gegründete Gemeinschaft angelegt. Der Bundesgerichtshof hatte der GbR indes bereits im Jahr 2001 Rechtsfähigkeit und im Jahr 2009 Grundbuchfähigkeit zuerkannt. Um dem Rechtsverkehr Gewissheit über Haftung und Vertretungsverhältnisse zu verschaffen, wird ein Gesellschaftsregister ähnlich dem Handelsregister eingeführt, in das GbR eingetragen werden können. Zudem soll für Personenhandelsgesellschaften ein modernes, im Grundsatz dem aktienrechtlichen Anfechtungsmodell folgendes Beschlussmängelrecht eingeführt werden. Personengesellschaften sollten das weitere Gesetzgebungsverfahren im Blick behalten, um sich frühzeitig auf die Neuregelungen einstellen zu können. Bemerkenswert ist schließlich, dass künftig auch die Rechtsformen der Personenhandelsgesellschaften, etwa die KG, zur gemeinsamen Ausübung freier Berufe durch die Gesellschafter gewählt werden können.
Digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
An die Stelle des „gelben Zettels“ tritt ab 2021 die digitale Krankschreibung. Die Bundesregierung verspricht sich hiervon erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Krankenkassen. Seit Januar hat der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner Arbeitnehmer dann elektronisch bei den Krankenversicherungen abzurufen. Das Verfahren ist verpflichtend. Einige Details müssen allerdings noch ausgearbeitet werden. So ist insbesondere der Aspekt der informationellen Selbstbestimmung der Arbeitnehmer noch nicht abschließend geregelt. Klar ist jedoch, dass Arbeitgeber auch künftig keine Einsicht in die Diagnosen erhalten werden.
Verlängerung der KfW-Schnellkredite
Die Bundesregierung beabsichtigt angesichts der weiterhin angespannten Wirtschaftslage aufgrund der Covid-19-Pandemie, das bestehende KfW-Sonderprogramm bis zum 30. Juni zu verlängern. Die Genehmigung der Europäischen Kommission steht hierzu noch aus. Dabei können Unternehmen über ihre Hausbanken KfW-Kredite mit einer Höhe von bis zu 300.000 Euro beantragen, abhängig von dem im Jahr 2019 erzielten Umsatz. Der Bund übernimmt das vollständige Ausfallrisiko und stellt die Hausbanken von der Haftung frei. Seit 9. November 2020 können auch Soloselbstständige und Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten die KfW-Schnellkredite beantragen.
Lieferkettengesetz
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat Mitte März 2020 den „Entwurf für Eckpunkte eines Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz)“ veröffentlicht. Das geplante Gesetz soll Unternehmen erfassen, die in Deutschland ansässig sind und mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten sollen nach internationalen Vorgaben einen Prozessstandard definieren, das heißt Unternehmen sollen Risiken für international anerkannte Menschenrechte ermitteln und analysieren, um darauf folgend geeignete Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Es gilt eine Bemühens- anstelle einer Erfolgspflicht. Das geforderte Risikomanagement soll im Hinblick auf Art und Umfang der Geschäftstätigkeit „angemessen“ ausgestaltet werden, das heißt „verhältnismäßig und zumutbar“. Die nähere Definition soll durch anerkannte Leitfäden, Rahmenwerke oder branchenspezifische Standards erfolgen. Auch eine zivilrechtliche Haftung wegen Verstoßes gegen diese Pflichten wäre dann möglich. Unternehmen, die einem staatlich anerkannten (Branchen-)Standard beitreten und diesen implementieren, können ihre zivilrechtliche Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken. Es ist derzeit nicht absehbar, wann und in welcher Form das Gesetz in Kraft treten soll, mit einem Entwurf ist frühestens 2021 zu rechnen. Bisher ist eine Übergangsfrist nach Inkrafttreten von drei Jahren vorgesehen.
Text: Barbara Mayer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner
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