Wirtschaft im Südwesten
9 | 2017
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erklärt Wittmer. Das BMS überwacht und regelt Spannung, Strom und
Temperatur des Akkus, es sorgt für das optimale Zusammenspiel der
Zellen und übernimmt die Kommunikation mit dem Nutzer. Ende der
Nullerjahre fuhr schätzungsweise in über der Hälfte der in Deutschland
verkauften elektrischen Räder diese Elektronik aus Kirchzarten mit. Der
E-Bike-Boom beflügelte die Entwicklung der FSM-Technologie
und des Unternehmens selbst. Die 1989 gegründete Firma
ist auf mittlerweile rund 130 Mitarbeiter angewachsen
und setzte 2016 über 20 Millionen Euro um. Ausge-
rechnet sein großer Erfolg hat das E-Bike für FSM
allerdings wieder uninteressanter gemacht. Statt
aufs Massengeschäft konzentrieren sich die Kirch-
zartener, die sich als Premiumhersteller definieren,
nun auf die vielen anderen Anwendungsgebiete vom
Akkubohrer bis zur Medizintechnik. „Die Technologie
an sich ist der Treiber“, betont Wittmer. „Wer will denn
heute noch ein Kabel haben?“ Doch auch wenn der große
Hype Vergangenheit zu sein scheint, spielen Fahrräder nach wie
vor eine wichtige Rolle bei FSM, was auch daran liegt, dass Hubert
Schlegel, einer der Gründer, begeisterter Fahrradfahrer ist. Deshalb
sponsert das Unternehmen beispielsweise den Black Forest Ultra
Bike Marathon und bietet seinen Mitarbeitern Diensträder sowie
eine luxuriöse Fahrradgarage. Vielleicht auch deshalb sind zwei Neu-
zugänge bei FSM die Profimountainbiker Markus Bauer und Moritz
Milatz, die mittlerweile schon Trainings und Touren für ihre Kollegen
angeboten haben.
D
ass Fahrradfreundlichkeit zum Standortfaktor werden kann,
lässt sich auf der L 175 zwischen Schramberg und St. Geor-
gen beobachten. Wer dort morgens zwischen 7 und 8 Uhr
unterwegs ist, begegnet ungewöhnlich vielen Fahrradfahrern. Die
meisten haben das gleiche Ziel: die Firma
Schneider Schreiberäte
,
die südöstlich des Schramberger Ortsteils Tennenbronn direkt an
der Landstraße liegt. Mehr als ein Viertel ihrer rund 400 Mitarbeiter
haben ein Dienstrad und nutzen es für ihren Weg zur Arbeit. „Seid
ihr die mit den Fahrrädern?“, bekommt Martina Schneider, Presse-
sprecherin und Enkelin des Firmengründers, deshalb oft zu hören.
„Nein, wir sind die mit den Stiften“, lautet ihre Antwort. Aber warum
stellt ein Kugelschreiberhersteller seinen Mitarbeitern Fahrräder?
Das hängt mit der Unternehmenskultur zusammen. Umwelt-
verträglichkeit und Nachhaltigkeit werden bei Schneider
großgeschrieben: Seit 1998 ist das Unternehmen mit
dem europäischen Ökosiegel Emas zertifiziert und
veröffentlicht alle drei Jahre eine Umwelterklärung.
Nach vielen Jahren ökologischer Optimierung wa-
ren die Verbesserungen in der Produktion allmäh-
lich ausgereizt, weshalb man sich einem neuen
Thema zuwandte: dem Arbeitsweg der Mitarbeiter.
Die große Mehrheit des Schneider-Personals wohnt
direkt in Tennenbronn, das Werk liegt etwa fünf Kilome-
ter außerhalb. Zwar gibt es einen Bus für die Belegschaft,
aber viele fuhren doch täglich Auto. Daran wollte die Geschäftsfüh-
rung etwas ändern, zumal das Unternehmen auf Wachstumskurs ist
und die Parkplätze in dem engen Schiltachtal knapp werden. Der
damalige Firmenchef Roland Schneider kaufte ein Dutzend E-Bikes
und bot sie seinen Angestellten unter der Voraussetzung an, dass
sie an mindestens 80 Tagen damit zur Arbeit fahren. Das Interesse
war so groß, dass er bald aufstocken musste. Zuletzt umfasste der
firmeneigene Fuhrpark rund 70 Räder. Vor zwei Jahren dann stellte
Schneider auf geleaste Jobräder um, und die Mitarbeiter folgten,
obwohl sie sich an den Kosten beteiligen mussten. Immer noch
kommt jede Woche ein neuer Antrag, berichtet Martina Schnei-
der. Für ihre Fahrradfreundlichkeit ist die Schneider Schreibgeräte
GmbH schon mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem vom
Land Baden-Württemberg. Doch selbst Verkehrsminister Winfried
Hermann konnte bislang nichts für ein großes Anliegen der radeln-
den Schneider-Mitarbeiter tun: dass die L 175 einen Fahrradweg
bekommt.
Kathrin Ermert
»Seid Ihr die mit
den Fahrrädern?«
»Nein, wir sind die
mit den Stiften«
Bild: Blurra - iStock
Martina Schneider,
Schneider Schreibgeräte