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Wirtschaft im Südwesten

9 | 2017

8

titel

DIE RADSTRATEGIE DES LANDES

Radverkehrsbeauftragte für den Regie-

rungsbezirk Freiburg – diesen tollen titel

trägt Christine Dufner seit 2013. Zwar hat-

te die Bauingenieurin auch davor schon in

der Abteilung Straßenwesen und Verkehr

mit Radwegen zu tun. Doch seit die grün-

geführte landesregierung das Verkehrsmi-

nisterium 2011 übernahm, hat das thema

deutlich an Fahrt gewonnen. Das land hat

sich eine Radstrategie verordnet, eine Art

to-do-liste für die vier Regierungspräsidi-

en. „Das thema ist sehr dynamisch“, sagt

Christine Dufner. Sie ist gleichzeitig auf vie-

len Feldern unterwegs, immer mit dem Ziel,

das land fahrradfreundlicher zu machen.

Da sind zum Beispiel die Radschnellver-

bindungen, die insbesondere auf radelnde

Pendler zielen. Bis 2015 will das land zehn

solche Verbindungen fertiggestellt haben.

im Regierungsbezirk Freiburg

stehen drei Millionen euro

für die Planung zur Ver-

fügung. Der Regional-

verband Südlicher

Oberrhein lässt ge-

rade vier Korridore

auf ihre Machbar-

keit hin prüfen – je zwei um Freiburg und

um Offenburg herum – und der landkreis

lörrach hat eine Studie für drei Routen im

Großen Wiesental, entlang des Hoch- und

des Oberrheins gestartet. Parallel dazu ana-

lysiert Stuttgart landesweit das Potenzial ei-

niger Korridore. Dabei geht es auch darum,

einen teil des im Bundesverkehrswegeplan

beinhalteten Geldes für Radschnellverbin-

dungen nach Baden-Württemberg zu holen.

ein anderer topf, aus dem Christine Duf-

ner Mittel verteilen kann, basiert auf dem

landesgemeindeverkehrsfinanzierungs-

gesetz (lGVFG). Bis zu 15 Millionen euro

im Jahr kann sie an Kommunen und Kreise

für Projekte wie neue Radwege, -brücken,

-stellplätze oder ähnliches vergeben und

damit die Hälfte der Kosten finanzieren.

Aktuell laufen über 60 Projekte im ganzen

Regierungsbezirk, beispielsweise der Bau

von Radvorrangrouten in Freiburg oder

von Radbrücken und -wegen für die

landesgartenschauen in lahr (2018)

und Neuenburg (2022). „ich musste

noch kein Projekt ablehnen“, sagt

Dufner. „im Gegenteil: ich werbe

sogar noch dafür.“ Anders sieht es

mitunter beim Bau von Radwegen entlang

der landesstraßen aus, wo die Mittel gerade

etwas knapp bemessen sind. „Da könnten

wir planerisch und baurechtlich mehr um-

setzen“, sagt Dufner. Denn auch ein landes-

weites Radnetz, das alle Mittel- und Ober-

zentren miteinander verbindet, ist teil der

Radstrategie. ebenso die Radkultur, die nicht

von den einzelnen Regierungspräsidien,

sondern zentral vom Verkehrsministerium

gesteuert wird und beispielsweise initiativen

wie die Auszeichnung „Fahrradfreundliche

Kommune“ unterstützt. es geht darum, das

thema Fahrrad in die Köpfe der Menschen

zu bringen. Punktuell, vor allem in den Städ-

ten, klappt das bereits sehr gut. insgesamt

ist aber noch mehr Umdenken nötig, um den

Radverkehrsanteil landesweit bis 2030 von

knapp acht auf zwanzig Prozent zu steigern.

„es braucht viele kleine tropfen, bis der ei-

mer voll ist“, sagt Christine Dufner, die den

Wandel hin zum Fahrrad mit der Schaffung

von Fußgängerzonen vor einigen Jahrzehn-

ten vergleicht: erst undenkbar und bald ganz

normal.

kat

www.fahrradland-bw.de

Unternehmen und Fahrradhändlern. in ganz Deutschland sind

mittlerweile über eine Million Arbeitnehmer dazu berechtigt,

ein Jobrad über ihren Arbeitgeber zu beziehen, und jede Woche

kommen bis zu 50 Arbeitgeber hinzu. Zudem haben die Freibur-

ger Konkurrenz von rund einem Dutzend Firmen bekommen, die

auch Fahrradleasing anbieten. Als Pionier sind sie aber Marktführer.

Aktuell zählt leaserad 4.800 Arbeitgeber und über 4.000 Händler.

E

iner dieser Händler ist Andreas Joos. Der 50-Jährige ist quasi auf

zwei Rädern aufgewachsen. Seine eltern Adolf und Hannalore

Joos betrieben ab 1963 das gleichnamige Fahrradgeschäft in

Radolfzell. 1990 stieg der Junior in den Betrieb ein, 1997 übernahm er

ihn mit einem halben Dutzend Mitarbeitern. Heute zählt

Zweirad Joos

rund 120 Mitarbeiter in Radolfzell sowie an den Standorten in Konstanz,

Gottmadingen und immenstaad. Die Geschäftsfläche ist auf insgesamt

9.500 Quadratmeter angewachsen. Neben dem Fachhandel betreibt

Zweirad Joos einen Verleih, Werkstätten, einen eigenen Onlineshop

und neuerdings auch eine eventagentur. Fast 10.000 Fahrräder und

e-Bikes hat das Unternehmen vergangenes Jahr verkauft und rund 14

Millionen euro umgesetzt. Der Umsatz hat sich damit seit 2002 mehr

als verzehnfacht und steigt weiter im zweistelligen Bereich. Andreas

Joos hat ein gutes Gespür für trends und versucht sie schnell um-

zusetzen. So hat er schon 2007 seinen internetshop gestartet und

war 2010 einer der ersten in Deutschland, die ein reines e-Bike-

Geschäft eröffneten. Der Onlinehandel trägt etwa 15 Prozent zum

Umsatz bei, und wichtiger noch: er hat das einzugsgebiet von Zweirad

Joos deutlich vergrößert. „Wir wollten, dass die Kunden aus einem

größeren Umkreis auf uns aufmerksam

werden“, sagt Joos. Das ist geglückt –

aufgrund der guten internetpräsenz ist

die Kundenfrequenz im laden nie zurück-

gegangen. Online und Offline verschmelzen

bei Zweirad Joos zunehmend. „Je teurer etwas

ist, desto mehr recherchiert der Kunde im internet“,

sagt Joos. Besondere Filterfunktionen lassen das Wunschrad etwa

nach Farbe, Rahmenform und Preis konfigurieren. Die online bestell-

ten Räder können im laden abgeholt werden („Click and Collect“).

Umgekehrt stehen in den Filialen große Onlineterminals, und der

Kunde kann seine im laden konfigurierte Vorauswahl in Ruhe daheim

nochmal anschauen. Weil er über beide Kanäle vertreibt, kann Joos

ganz anders einkaufen, denn ungewöhnliche Marken oder Größen,

die zu ladenhütern werden könnten, bescheren ihm Kunden weit über

die Region hinaus – häufig als Jobräder. etwa ein Drittel der Räder,

die Zweirad Joos verkauft, sind mittlerweile e-Bikes, der Umsatzanteil

liegt bei über 50 Prozent. Dem anfänglichen image („das ist nur für

Ältere, Schwächere“) hat Andreas Joos gezielt entgegengesteuert.

Die Segway-touren beispielsweisen, die er seit der eröffnung seines

e-Bike-Centers anbietet, wurden so erfolgreich, dass daraus die Joos-

eventagentur entstanden ist, die sich auf nachhaltigen tourismus am

Bodensee spezialisiert hat. „Die leute wollen sich umweltbewusst

und nachhaltig verhalten“, sagt Joos. Auch in seiner eher ländlichen

Gegend legten mehr Menschen mehr Wege mit dem Fahrrad zurück.

ein Autohändler habe ihm jüngst erzählt, dass er seit dem e-Bike-

Boom spürbar weniger Zweitwagen verkaufe.

»Seit dem

E-Bike-Boom

werden weniger

Zweitwagen

verkauft«

Andreas Joos

Zweirad Joos