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Wirtschaft im Südwesten

7+8 | 2017

52

PraxiSWiSSen

reCHT

Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat

Arbeitgeber muss Mitarbeiter schützen

W

enn ein arbeitgeber einen Beschäftigten auf

Verlangen anderer Beschäftigter entlässt, ist

dies eine echte Druckkündigung. Das ist dann der Fall,

wenn ein Teil der Belegschaft seine arbeit niederlegt,

um ihren Chef zum Kündigen zu zwingen, obwohl er

dies ursprünglich gar nicht wollte. eine solche Druck-

kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn

der arbeitgeber die wirtschaftlichen nachteile, die

dem entlassenen drohen, durch mildere Maßnahmen

abzuwehren versucht. Das geht aus einem Urteil des

Bundesarbeitsgerichts hervor (BaG-Urteil v. 15. De-

zember 2016, 2 aZr 431/15).

Der Fall: einem Hafenarbeiter, der bei einem Con-

tainerterminalbetreiber gearbeitet hatte, wurde im

September 2011 wegen des Verdachts und einer spä-

teren Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs gekün-

digt. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage

hatte erfolg. als der Mann 2013 wieder zur arbeit

erschien, weigerten sich Mitarbeiter und arbeitneh-

mer von Drittfirmen ihre Tätigkeit aufzunehmen, bis

sich der Hafenarbeiter vom Betriebsgelände entfernt

habe. Daraufhin sprach der arbeitgeber eine weitere

Kündigung gegenüber diesem Mitarbeiter aus, die vor

dem Bundesarbeitsgericht (BaG) abermals keinen

Bestand hatte.

Das Verlangen Dritter, so das BaG, könne zwar grund-

sätzlich einen Kündigungsgrund darstellen, auch

dann, wenn die Drohung objektiv ungerechtfertigt sei.

eine solche Kündigung unterliege jedoch sehr stren-

gen Voraussetzungen. ein arbeitgeber habe sich in

derartigen Fällen zunächst „schützend vor den Betrof-

fenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen,

um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen“.

nur wenn sich dieses Bemühen als fruchtlos erweise

und dem arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftli-

che nachteile drohten, kann eine Kündigung gerecht-

fertigt sein. eine solche Kündigung müsse sich dann

aber als das „praktisch einzige Mittel“ zur abwendung

von Schäden darstellen.

Das BaG stellte fest, dass der arbeitgeber zunächst

auf die arbeitnehmer, die die Kündigung verlangt hat-

ten, hätte zugehen und ihnen mitteilen müssen, dass

es für die Kündigung des betroffenen arbeitnehmers

keine Gründe gab. auch hätte den entsprechenden

arbeitnehmern mitgeteilt werden müssen, dass auf-

grund ihres unentschuldigten Fernbleibens ein Vor-

enthalten von arbeitsentgelt in Betracht gekommen

wäre.

in dem entsprechenden Fall handelte es sich um ein

strafbares Verhalten außerhalb des arbeitsverhältnis-

ses. Bei einem strafbaren Verhalten mit konkretem

Bezug zum arbeitsverhältnis wäre die Kündigung si-

cherlich als wirksam erachtet worden.

Olaf Müller

Rechtsanwälte Endriß und Kollegen

Transparenz bei Gehältern

Arbeitnehmer hat Anspruch auf Auskunft

Z

um 1. Juli ist das Gesetz zur Förderung der Trans-

parenz von entgeltstrukturen (entgelttransparenz-

gesetz) in Kraft getreten. Damit will der Gesetzgeber

insbesondere den arbeitnehmerinnen, aber auch den

arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbei-

tern einen auskunftsanspruch an die Hand geben. er

soll es ihnen erleichtern, das Gebot gleichen entgelts

für Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige

arbeit durchzusetzen. nach der Gesetzesbegründung

soll der auskunftsanspruch die arbeitnehmerinnen,

aber auch die arbeitnehmer unter anderem darin unter-

stützen, ihr informationsdefizit in Bezug auf das entgelt

abzubauen.

Der auskunftsanspruch nach dem neuen Gesetz be-

inhaltet die angabe der Kriterien und Verfahren der

entgeltfindung bezogen auf das eigene entgelt und auf

das entgelt für die Vergleichstätigkeit. Je nachdem, ob

in den Unternehmen ein Betriebsrat besteht und ein

Tarifvertrag gilt, sollen die Beschäftigten den auskunfts-

anspruch über die Betriebsräte wahrnehmen können.

inhaltlich geht es darum, die Kriterien und Verfahren der

entgeltfindung bezogen auf das eigene entgelt und auf

das sogenannte Vergleichsentgelt von anderen verlan-

gen zu können. Das Vergleichsentgelt müsse nach dem

Gesetz allerdings nur dann angegeben werden, wenn

die Vergleichstätigkeit von mindestens sechs Beschäf-

tigten ausgeübt wird. Tarifgebundene oder tarifanwen-

dende arbeitgeber können das Vergleichsentgelt der

Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ange-

ben. Dagegen müssen alle übrigen arbeitgeber das

durchschnittliche Bruttoentgelt aller Beschäftigten

des jeweils anderen Geschlechts angeben.

Das erfüllen des auskunftsanspruches dürfte für

arbeitgeber eine komplizierte, aufwendige und

zugleich bürokratische angelegenheit werden.

in Betrieben, die mehr als 500 Beschäftigte auf-

weisen, treten zusätzliche Pflichten hinzu. Solche

Betriebe werden dazu aufgefordert, regelmäßig

betriebliche Prüfverfahren abzuhalten. Der aus-

gangspunkt des Gesetzes ist das Schließen einer sta-

tistisch bislang unbereinigten entgeltlücke zwischen

den Geschlechtern von sieben Prozent. auch wenn

dies anerkennenswert erscheint, bleibt es zweifel-

haft, ob der gesetzgeberische Zweck erfüllt wird.

Olaf Müller,

Rechtsanwälte Endriß und Kollegen

Der Firmenchef

muss versuchen,

die Belegschaft

umzustimmen

Bild: K.-U. Häßler - Fotolia.com