Wirtschaft im Südwesten
7+8 | 2017
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PraxiSWiSSen
reCHT
Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat
Arbeitgeber muss Mitarbeiter schützen
W
enn ein arbeitgeber einen Beschäftigten auf
Verlangen anderer Beschäftigter entlässt, ist
dies eine echte Druckkündigung. Das ist dann der Fall,
wenn ein Teil der Belegschaft seine arbeit niederlegt,
um ihren Chef zum Kündigen zu zwingen, obwohl er
dies ursprünglich gar nicht wollte. eine solche Druck-
kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn
der arbeitgeber die wirtschaftlichen nachteile, die
dem entlassenen drohen, durch mildere Maßnahmen
abzuwehren versucht. Das geht aus einem Urteil des
Bundesarbeitsgerichts hervor (BaG-Urteil v. 15. De-
zember 2016, 2 aZr 431/15).
Der Fall: einem Hafenarbeiter, der bei einem Con-
tainerterminalbetreiber gearbeitet hatte, wurde im
September 2011 wegen des Verdachts und einer spä-
teren Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs gekün-
digt. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage
hatte erfolg. als der Mann 2013 wieder zur arbeit
erschien, weigerten sich Mitarbeiter und arbeitneh-
mer von Drittfirmen ihre Tätigkeit aufzunehmen, bis
sich der Hafenarbeiter vom Betriebsgelände entfernt
habe. Daraufhin sprach der arbeitgeber eine weitere
Kündigung gegenüber diesem Mitarbeiter aus, die vor
dem Bundesarbeitsgericht (BaG) abermals keinen
Bestand hatte.
Das Verlangen Dritter, so das BaG, könne zwar grund-
sätzlich einen Kündigungsgrund darstellen, auch
dann, wenn die Drohung objektiv ungerechtfertigt sei.
eine solche Kündigung unterliege jedoch sehr stren-
gen Voraussetzungen. ein arbeitgeber habe sich in
derartigen Fällen zunächst „schützend vor den Betrof-
fenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen,
um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen“.
nur wenn sich dieses Bemühen als fruchtlos erweise
und dem arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftli-
che nachteile drohten, kann eine Kündigung gerecht-
fertigt sein. eine solche Kündigung müsse sich dann
aber als das „praktisch einzige Mittel“ zur abwendung
von Schäden darstellen.
Das BaG stellte fest, dass der arbeitgeber zunächst
auf die arbeitnehmer, die die Kündigung verlangt hat-
ten, hätte zugehen und ihnen mitteilen müssen, dass
es für die Kündigung des betroffenen arbeitnehmers
keine Gründe gab. auch hätte den entsprechenden
arbeitnehmern mitgeteilt werden müssen, dass auf-
grund ihres unentschuldigten Fernbleibens ein Vor-
enthalten von arbeitsentgelt in Betracht gekommen
wäre.
in dem entsprechenden Fall handelte es sich um ein
strafbares Verhalten außerhalb des arbeitsverhältnis-
ses. Bei einem strafbaren Verhalten mit konkretem
Bezug zum arbeitsverhältnis wäre die Kündigung si-
cherlich als wirksam erachtet worden.
Olaf Müller
Rechtsanwälte Endriß und Kollegen
Transparenz bei Gehältern
Arbeitnehmer hat Anspruch auf Auskunft
Z
um 1. Juli ist das Gesetz zur Förderung der Trans-
parenz von entgeltstrukturen (entgelttransparenz-
gesetz) in Kraft getreten. Damit will der Gesetzgeber
insbesondere den arbeitnehmerinnen, aber auch den
arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbei-
tern einen auskunftsanspruch an die Hand geben. er
soll es ihnen erleichtern, das Gebot gleichen entgelts
für Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige
arbeit durchzusetzen. nach der Gesetzesbegründung
soll der auskunftsanspruch die arbeitnehmerinnen,
aber auch die arbeitnehmer unter anderem darin unter-
stützen, ihr informationsdefizit in Bezug auf das entgelt
abzubauen.
Der auskunftsanspruch nach dem neuen Gesetz be-
inhaltet die angabe der Kriterien und Verfahren der
entgeltfindung bezogen auf das eigene entgelt und auf
das entgelt für die Vergleichstätigkeit. Je nachdem, ob
in den Unternehmen ein Betriebsrat besteht und ein
Tarifvertrag gilt, sollen die Beschäftigten den auskunfts-
anspruch über die Betriebsräte wahrnehmen können.
inhaltlich geht es darum, die Kriterien und Verfahren der
entgeltfindung bezogen auf das eigene entgelt und auf
das sogenannte Vergleichsentgelt von anderen verlan-
gen zu können. Das Vergleichsentgelt müsse nach dem
Gesetz allerdings nur dann angegeben werden, wenn
die Vergleichstätigkeit von mindestens sechs Beschäf-
tigten ausgeübt wird. Tarifgebundene oder tarifanwen-
dende arbeitgeber können das Vergleichsentgelt der
Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ange-
ben. Dagegen müssen alle übrigen arbeitgeber das
durchschnittliche Bruttoentgelt aller Beschäftigten
des jeweils anderen Geschlechts angeben.
Das erfüllen des auskunftsanspruches dürfte für
arbeitgeber eine komplizierte, aufwendige und
zugleich bürokratische angelegenheit werden.
in Betrieben, die mehr als 500 Beschäftigte auf-
weisen, treten zusätzliche Pflichten hinzu. Solche
Betriebe werden dazu aufgefordert, regelmäßig
betriebliche Prüfverfahren abzuhalten. Der aus-
gangspunkt des Gesetzes ist das Schließen einer sta-
tistisch bislang unbereinigten entgeltlücke zwischen
den Geschlechtern von sieben Prozent. auch wenn
dies anerkennenswert erscheint, bleibt es zweifel-
haft, ob der gesetzgeberische Zweck erfüllt wird.
Olaf Müller,
Rechtsanwälte Endriß und Kollegen
Der Firmenchef
muss versuchen,
die Belegschaft
umzustimmen
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