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Wirtschaft im Südwesten

7+8 | 2017

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PraxiSWiSSen

inTernaTiOnaL

Situation für Unternehmen

Iran nach der Wahl

V

iele deutsche Unternehmen richten ihren Blick

auf den iran, und die Deutsch-iranische industrie-

und Handelskammer bemerkt das steigende interesse.

„Mehr als 40 deutsche Delegationen haben uns seit

dem implementation Day besucht“, berichtet Deputy

Managing Director amir alizadeh. „an der rail expo

ende Mai haben mehr als 50 deutsche aussteller teil-

genommen – ein rekord laut dem Verband der Bahn-

industrie in Deutschland. Und bei der iran Oil anfang

Mai hatten deutsche Unternehmen mit 113 ausstellern

den zweitgrößten Stand nach den Chinesen.“ Die art

der Delegationen hat sich verändert. Die euphorie von

anfang 2016 sei nicht mehr ganz so groß. Jetzt kämen

kleinere, aber spezifischere Delegationen.

rund 100 deutsche Firmen produzieren bereits im iran

oder betreiben eine niederlassung. 29 baden-württem-

bergische Unternehmen sind mit einer Produktions-

stätte vor Ort, 553 Firmen aus dem Land arbeiten mit

dem iran. Gegen einen baldigen anstieg dieser Zahlen

spricht eine große Verunsicherung. Denn durch den im-

plementation Day ist die importabwicklung zwar etwas

einfacher geworden, aber weiterhin mit Kosten verbun-

den, vor allem was die Zahlungsabwicklung betrifft. ein

Grund dafür ist, dass das iranische Bankensystem noch

nicht dem internationalen Standard entspricht. Zudem

haben viele europäische Banken angst vor amerikani-

schen Sanktionen, wenn sie Transaktionen mit dem

iran abwickeln. Dies ist auch bei deutschen Firmen zu

spüren. „aus angst, gegen das außenwirtschaftsrecht

zu verstoßen, lehnen Unternehmer aufträge aus dem

iran lieber ab“, sagt Frédéric Carrière, referent aus-

landsmärkte und Zoll bei der iHK Südlicher Oberrhein.

er hält es jedoch für töricht, das Potenzial des jungen

Landes – 40 Prozent der rund 80 Millionen iraner sind

unter 25 Jahre und lediglich fünf Prozent älter als 65

Jahre – nicht zu nutzen.

Von der Wiederwahl rohanis erhofft sich die Deutsch-

iranische iHK, dass die positive entwicklung der ver-

gangenen zwei Jahre weitergeht, dass die reform

fortgesetzt, die Korruption bekämpft und die Wettbe-

werbsfreiheit vorangetrieben wird, um investoren anzu-

locken. „Bis dies Früchte trägt,

dauert es aber noch“, meint

amir alizadeh. einen riesenerfolg

von rohani sieht er im rückgang der

inflation. Zwischen 2013 und 2016 ist

sie von 40 auf 8 Prozent gesunken. Den-

noch brauche es ein bis zwei Jahre, bis die

Kaufkraft wieder das niveau von 2008 erreicht.

„Die Wirtschaftskrise von 2012/13 war extrem“,

sagt alizadeh. „Zuerst fand eine rezession statt. Hinzu

kam die Ölkrise mit dem Verfall des Ölpreises im Jahre

2015. erst 2016 gab es wieder ein Wachstum von 7

Prozent.“

Bereits 2016 sah man eine positive entwicklung des au-

ßenhandels mit europa. Der außenhandel mit Deutsch-

land ist um 30 Prozent gestiegen, während im selben

Zeitraum der außenhandel mit China um acht Prozent

zurückging. „Die iraner arbeiten lieber mit deutschen

Firmen und sind bereit, mehr Geld für Produkte von

besserer Qualität aus Deutschland zu zahlen“, sagt aliz-

adeh. Davon spürt die rMa Kehl GmbH & Co. KG bislang

nichts. Der Pipline-Spezialist hat früher im Bereich Öl

und Gas 20 bis 30 Prozent des Umsatzes mit dem iran

erwirtschaftet. „Durch die Sanktionen ist es komplett

auf null runtergefahren“, erzählt Geschäftsführer and-

reas Truttenbach. Seit Januar 2016 ist er mehrfach in

den iran gereist, um ehemalige Kunden wiederzutref-

fen. „es läuft schleppend“, lautet sein Fazit. aufgrund

innenpolitischer Vorgaben, etwa der Lokalisierung der

Fertigung, glaubt Truttenbach, dass es für die deutsche

Wirtschaft schwer werden wird, die Zahlen aus der Zeit

vor den Sanktionen zu erreichen. aufgeben möchte er

deswegen dennoch nicht. „Wir denken über die Mög-

lichkeiten eines Standorts im iran nach.“

ine

Die Iraner haben im Mai Staatspräsident

Hassan Rohani wiedergewählt und sich

so für eine Fortführung der Reformen

entschieden. Damit kann die Entwick-

lung, die mit dem sogenannten Imple-

mentation Day am 16. Januar 2016,

also der teilweisen Aufhebung der EU-

Sanktionen gegen den Iran, begonnen

hat, fortgesetzt werden.

UNTERNEHMERREISE IRAN

Die baden-württembergischen IHKs laden zusammen mit dem Wirtschaftsmi-

nisterium und der Exportakademie zu einer Unternehmerreise in den Iran mit

dem Schwerpunkt Maschinenbau und Automobil ein. Sie findet vom

6. bis

11. Oktober

statt und führt in die Hauptstadt Teheran sowie nach Tabriz. Die

Hauptstadt der iranischen Provinz Ost-Aserbeidschan ist eine der wichtigsten

Wirtschaftsmetropolen im Iran. An beiden Standorten können sich die Teil-

nehmer über Marktchancen informieren und relevante Kontakte knüpfen, um

ihre Geschäftschancen einzuschätzen. Neben Gesprächen mit Vertretern von

Wirtschaftsorganisationen stehen vor allem Firmenbesuche und der direkte

Austausch mit iranischen Unternehmern im Mittelpunkt. In Teheran steht zu-

dem der Besuch der „TIIE – Tehran International Industry Exhibition“, einer der

größten Investitionsgütermessen des Iran, auf dem Programm.

Details und Anmeldung unter

www.ihk-exportakademie.de/ uploaded/Unternehmerreise_Iran_2017.pdf

»Die Iraner sind

bereit, mehr Geld

für deutsche

Qualität zu zahlen«