IHK-Präsident Thomas Conrady über das Jahr 2020, die Coronapandemie und die Tatkraft der Unternehmen.

Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu und ja, dieses Jahr war anders als jedes zuvor. Ein winziges Virus hat die ganze Welt in eine Krise gestürzt und wir alle wissen: Es ist noch nicht vorbei. Anlässlich des Neujahrsempfangs unserer IHK im Januar dieses Jahres hatte ich formuliert: „Ich freue mich über die Gelegenheit, uns gegenseitig in dem Willen zu bestärken, dieses neue Jahr, diese offene Zukunft anzupacken, zu gestalten und gemeinsam zu einem guten Jahr werden zu lassen. Zu einem Jahr, über das wir dann am nächsten Neujahrsempfang 2021 hoffentlich werden sagen können: Wir haben es gut gemacht. Wir haben uns erfolgreich geschlagen in einer komplexen Welt.“ Niemand konnte damals ahnen, was auf uns zukommen würde. Das Virus begann in China seine Reise um die Welt, breitete sich im Frühjahr über ganz Europa aus. Ende März zog die Bundesregierung die Notbremse und beschloss den ersten Lockdown. Es folgten Grenzschließungen, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht kannten. Das soziale Leben stand still. Die Wirtschaft strauchelte. Die Krankenhäuser räumten vorsorglich ganze Abteilungen leer. Bei allem Unglück wurde aber auch eines deutlich: Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.
Die Politik, der Gesetzgeber, die Institutionen: vom Deutschen Bundestag bis zum örtlichen Landratsamt, Kammern und Verbände, Unternehmen und nicht zuletzt jeder einzelne Haushalt – alle haben gezeigt, dass wir den Dingen nicht hilflos ausgeliefert sind, dass wir mit wissenschaftlicher Erkenntnis, mit adäquater und vor allem agiler Gesetzgebung, mit konstruktiver Interessenvertretung, mit kluger Verwaltung und mit der Kooperation aller Menschen in der Lage sind, das Infektionsgeschehen zu beherrschen. Hilfsprogramme, Stundungen, Schnellkredite, Kurzarbeit – mit einem breiten Arsenal von Maßnahmen konnten Liquiditätsengpässe überwunden und Entlassungen und Insolvenzen verhindert werden. Der Sommer stimmte uns denn auch optimistisch. Das Virus schien gebannt, das normale Leben nahm wieder Fahrt auf, die vom Lockdown gebeutelten Unternehmen begannen, sich zu erholen. Bei aller berechtigten Kritik konnten wir sagen: „Wir haben es alle gemeinsam ziemlich gut gemacht“. Heute wissen wir: Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Wir durchleben die zweite Corona-Welle, wieder sind harte Maßnahmen angesagt und wieder bedrohen die notwendigen Beschränkungen das wirtschaftliche und soziale Leben. Wir halten Abstand und wir bleiben zu Hause, wir verzichten auf Mobilität und sozialen Kontakt. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Psyche. Tiefe Spuren hat die Krise auch bei unseren Mitgliedern hinterlassen. Die Händler, die Hoteliers und Gastronomen verzeichneten 2020 nie gekannte Umsatzeinbrüche, viele Dienstleister verloren bis zu 100 Prozent ihrer Aufträge und den international tätigen Unternehmen brachen die Aufträge weg und die Lieferketten zusammen.
Wahr ist aber auch: Viele Unternehmen haben schnell reagiert. Digitalisierungsstrategien wurden fast über Nacht umgesetzt, Prozesse überarbeitet und Arbeitsstrukturen angepasst, neue Tätigkeitsfelder erschlossen. Und wir haben in und aus der Krise gelernt. Dass Grenzen nicht gänzlich geschlossen werden dürfen, zum Beispiel. Und dass die Kooperation der Bevölkerung der Schlüssel zum Erfolg ist. Diese Lernbereitschaft und diese Lernfähigkeit auf Seiten des Staates, der Wille und die Tatkraft auf der Seite unserer Mitglieder haben mich beeindruckt und auch ein wenig stolz gemacht. Und auch wenn ich weiß, dass es Unternehmen gibt, die dieser Ausnahmesituation nicht standhalten, was mich sehr schmerzt, wage ich doch zu behaupten, dass wir bei allen Herausforderungen, Rückschlägen und Ungewissheiten auch nach dieser zweiten Welle werden sagen können: „Wir haben es – ziemlich – gut gemacht. Alle gemeinsam. Wir haben uns erfolgreich geschlagen in einer komplexen Welt.“
Text: Thomas Conrady, Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee
Bilder: Achim Mende/freepic@flaticon.com, Montage: doe