Donaueschingen/Schwenningen. Ein neues Modegeschäft in der Pandemie: Der Laden am Rand der Donaueschinger Innenstadt ist Karl-Heinz Müllers Versuch, seine Auszubildenden zu beschäftigen. Der 58-Jährige führt als einer von fünf Geschäftsführern der Karl Müller GmbH & Co. KG den Schwenninger Standort des Familienunternehmens, den es seit 1968 gibt. 30 Beschäftige arbeiten dort normalerweise, darunter 6 Auszubildende. Seit Beginn des zweiten Lockdowns im Dezember hatten die wenig zu tun, konnten aber nicht einfach in Kurzarbeit geschickt werden. Deshalb kam Müller das Angebot des Gebäudeeigentümers, der Stiftung St. Martin, die leer stehenden Geschäftsräume in der Donaueschinger Josefstraße zu übernehmen, gerade recht. Zumal man sich auf eine umsatzbezogene Miete einigte. „Sie hatten ja nichts zu tun“, sagt Müller. „Die Prüfungsaufgaben, mit denen wir uns beschäftigten, hatten alle satt.“ Seit Anfang des Jahres konnten die fünf jungen Damen und der eine junge Herr stattdessen den neuen Laden einrichten und gestalten. Dafür nutzten sie das Equipment vom Messestand – das wird gerade ohnehin nicht gebraucht. Am 8. März, als der Einzelhandel wieder öffnen durfte, ging ihr Geschäft an den Start. Die ersten Wochen liefen gut, auch mit Terminshopping. Doch seit Ostern ist wenig los.
Kleider Müller ist auf festliche Mode spezialisiert, für Hochzeit, Kommunion und Konfirmation, Abi- und Abschlussball. Das Besondere: Das Angebot deckt die ganze Familie ab. „Von der Braut bis zum Blumenkind“, verdeutlicht Karl-Heinz Müller. Doch aufgrund dieser Ausrichtung spürt der nach eigenen Angaben größte Hochzeitsausstatter Baden-Württembergs die Pandemie ganz besonders. Denn seit mehr als einem Jahr finden Feiern nicht oder nur in kleinem Rahmen statt. Um 50 Prozent ist der Umsatz vergangenes Jahr eingebrochen, berichtet Müller. Und 2021 laufe bislang auch fatal. Das 1927 von seinem Großvater gegründete Unternehmen hat seinen Hauptsitz in dem kleinen Städtle Geislingen bei Balingen im Zollernalbkreis, seinerzeit eine Hochburg der Textilindustrie. Es war ursprünglich eine Kleiderfabrik, die Herrenhosen, Hosenträger und Ledergürtel produzierte. Seit Mitte der 1950er-Jahre ist Kleider Müller ein reiner Handelsbetrieb. Das Unternehmen, das Karl-Heinz Müller zusammen mit zwei Brüdern und zwei Cousins in dritter Generation führt, betreibt außer Geislingen und Schwenningen einen dritten Standort in Gundelsheim (Landkreis Heilbronn). Insgesamt beschäftigt der Modehändler 180 Mitarbeiter.
Die zehn Jahre vor der Pandemie liefen gut, berichtet Karl-Heinz Müller. Der Umsatz stagnierte – im stationären Modeeinzelhandel ist das durchaus ein Erfolg. 2020 und 2021 verdienten sie kein Geld, sagt Müller, ist sich aber sicher: „Wir werden die Krise aussitzen, wir kommen da durch.“ Das Unternehmen habe Rücklagen – auch, weil ein am Hauptsitz geplantes Neubauprojekt an der Genehmigung scheiterte. Größere Sorgen bereitet ihm die Frage, wie sie der Konkurrenz der Internethändler standhalten. „Ertraglose Jahre können wir überstehen, aber was kommt danach?“ Auszubildende zu finden, werde auch immer schwieriger. Immerhin: Die sechs derzeitigen Azubis geben sich sehr zuversichtlich. Sie haben den Beruf als Einzelhandelskaufleute gewählt, weil sie den Umgang mit Menschen und die Abwechslung schätzen, die er bietet.
kat