Sie starteten klassisch in der Garage:
1985 haben die Studenten Frieder Hansen und Niko Hensler die Freiburger Computerschmiede Pyramid gegründet. Das Produktspektrum hat sich in den knapp dreieinhalb Jahrzehnten immer wieder erweitert und verändert. Mittlerweile tragen Selbstbedienungsterminals wie die abgebildeten den größten Teil zum Umsatz bei.
Freiburg. Unterwegs zu sein, ist für Frieder Hansen ein bisschen wie eine Zeitreise durch seine Firmengeschichte. In einigen Fotogeschäften, etwa dem Klick Fotoland in der Freiburger Innenstadt, findet der 58-Jährige noch alte Agfa-Automaten mit Pyramid-Technik, in Parkhäusern begegnet ihm beim Zahlen am Parkscheinautomaten die eigene Technik, und in vielen Restaurantketten bestellt er an Terminals aus seinem Haus. Die unterschiedlichen Produkte und Kunden zeigen auch die Höhen und Tiefen, die Pyramid seit 1985 erlebt hat. Anfangs waren Hansen und Hensler auf Rechner für den Heimbedarf spezialisiert. Die Computer verkaufte Pyramid viele Jahre auch direkt. Von 1989 bis 2000 gab es einen Abholmarkt im Firmengebäude auf der Haid. Mit der wachsenden Zahl von SB-Computermärkten verschlechterte sich aber dieses Geschäft. „Und als Aldi anfing, Computer zu verkaufen, war Schluss“, berichtet Hansen. „Wir hätten jammern können oder in andere Märkte gehen.“
Man entschied sich für Letzteres und verlegte den Schwerpunkt auf die Industrie. Pyramid produziert bis heute Steuerungseinheiten für viele unterschiedliche Anwendungen und Kunden – beispielsweise die Computer für Postsortieranlagen von Siemens oder für Elektronenmikroskope von Zeiss. Im Jahr 2005 erlitt allerdings die Industriesparte einen herben Dämpfer aufgrund der Insolvenz des Filmherstellers Agfa, für den Pyramid wie erwähnt sogenannte Minilabs ausstattete. „Das war ein Rieseneinschnitt“, erinnert sich Hansen. Wieder musste sich das Unternehmen neu erfinden, brauchte es ein neues Konzept. Denn andere Industriekunden ließen sich damals für einen deutschen Hersteller immer schwieriger gewinnen. Große Teile des Geschäfts waren nach Fernost abgewandert, was auch für sinkende Preise sorgte – bei steigender Leistung. Das war allerdings nicht der Grund, warum Pyramid 2007 seine Produktion von Freiburg ins thüringische Amt Wachsenburg verlegte. Man zog vielmehr dahin, wo ausreichend Mitarbeiter zu finden waren.
Was war die Alternative zu Privat- und Industrie-PCs? Während Hansen und Hensler darüber grübelten, kam 2007 das erste „iPhone“ auf den Markt, revolutionierte mit seinem Touchscreen die Anwendergewohnheiten und brachte die Pyramid-Chefs auf eine Idee: eine Art großes Smartphone, das per Finger bedient wird, beispielsweise von Kunden in Einzelhandel oder Gastronomie. Dafür mussten sie allerdings erst eine eigene Technologie entwickeln, denn so große Touchbildschirme gab es Ende der Nullerjahre nicht. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart tüftelten ihre Entwickler daran. 2012 präsentierte Pyramid dann das nach eigener Darstellung weltweit erste großformatige „Multi-Touch-System“. Der „polytouch“ bescherte den Freiburgern große Bekanntheit in der Branche, zunächst allerdings wenige neue Kunden, weil die ersten Geräte noch teuer waren.
Während die deutschen Einzelhändler zögerten, waren die britischen, die On- und Offlineverkauf schon länger verbanden, begeistert. So sorgte denn auch ein Großauftrag der Kaufhauskette Marks & Spencer für einen ersten Durchbruch. Zudem stand schon früh AMC, eine der größten US-amerikanischen Kinoketten, auf der Referenzliste. Hierzulande zeigte zunächst die Gastronomie Interesse, der Selbstbedienungs-Italiener Vapiano beispielsweise. Auch bei McDonald´s ist die Wahrscheinlichkeit groß, an einem „polytouch“ zu bestellen. Etwa 70 Prozent der Terminals in deutschen Filialen der Fastfoodkette stammen von Pyramid. Nun zieht der Einzelhandel nach. Edeka setzt die Terminals ein, um Kunden über Inhaltsstoffe zu informieren. Zu Breuninger, Deichmann, Tchibo, XXXLutz und anderen gibt es Kontakte. „Wir sind in dem Markt der Kioske unter den Führenden“, sagt Hansen. Rund 5.000 Terminals verkauft Pyramid pro Jahr, damit trägt die Sparte etwa 60 Prozent zum Umsatz bei, der 2018 insgesamt bei 65 Millionen Euro lag. Das Unternehmen beschäftigt aktuell 125 Mitarbeiter, davon etwa 50 in Thüringen, die anderen am Hauptsitz in Freiburg. Viele Arbeiten sind an regionale Partner vergeben. Der Freiburger Metallspezialist Zentner fertigt beispielsweise fast alle Terminalgehäuse.
„Wir stehen noch ganz am Anfang“, meint Hansen. Die Zahlen könnten deutlich steigen, denn es gebe viele weitere Anwendungsmöglichkeit für den Vielkönner „polytouch“. Überall, wo etwas gedruckt oder gescannt werden muss, sticht das Terminal das Smartphone – beispielsweise bei der Digitalisierung von Bankdienstleistungen, beim Ticketverkauf von ÖPNV und Freizeiteinrichtungen oder bei Reservierungen in Hotels. Parallel widmet sich Pyramid der sogenannten Indoor-Lokalisierung. So kann zum Beispiel ein Gast, der in einem Restaurant am Terminal bestellt hat, einen Puck bekommen, mit dem die Bedienung ihn lokalisiert. Von dieser Technologie, die im Paket mit Terminals angeboten wird, verspricht sich Hansen Zugang zu neuen Branchen. Behörden oder Krankenhäuser könnten sie als „Wartemanagementlösung“ verwenden. Jedenfalls bereitet sich Pyramid auf Kapazitätssteigerungen vor. Es ist beispielsweise eine Fertigung in den USA im Gespräch.
„Wir sind jetzt besser aufgestellt als je zuvor“, sagt Hansen. In dieser „tollen wirtschaftlichen Situation“ verlässt der Gründer sein Baby, weil er gemeinsam mit seinem Sohn neue Projekte starten will. Hansen bleibt zwar Gesellschafter und Berater von Pyramid, übergibt die operative Geschäftsführung aber an den 42-jährigen Josef Schneider, der zuletzt für ein Schweizer Unternehmen gearbeitet hat. Niko Hensler ist weiterhin geschäftsführender Gesellschafter.
kat