1833 ist das Geburtsjahr der Privatbrauerei Waldhaus. Was als Gasthaus mit eigener Brauerei begann, ist heute ein Unternehmen, das rund 60 Menschen beschäftigt und Biergenuss in 18 Sorten anbietet. Den Grundstein für die Bierbrauertradition legte Johann Schmid, der den Betrieb 1894 übernahm. Heute leitet Urenkel Dieter Schmid die Geschicke der Firma.
Waldhaus. Über den Ort, an dem alles begann, sind längst Bäume gewachsen. Vom einstigen Forsthaus im Wald, in dem 1833 ein Gasthaus mit angeschlossener Brauerei gegründet wurde, ist nichts mehr zu sehen. 1846 wurde der Betrieb durch einen Blitzeinschlag und einem daraus resultierenden Brand zerstört. Ein Wiederaufbau an der gleichen Stelle kam allerdings nicht in Frage, weiß Dieter Schmid aus Erzählungen: „Man ist den Platz damals mit Wünschelruten abgelaufen und hat festgestellt, dass sich dort zwei Wasseradern kreuzen.“ Etwa 200 Meter südlich des einstigen Standorts wurde man fündig, gelegen an der heutigen B 500, etwa auf halber Strecke zwischen Häusern und Waldshut. Das Wünschelrutengehen habe sich ausgezahlt, sagt Schmid mit einem Lächeln: „Bei uns hat der Blitz nicht wieder eingeschlagen.“
Werbung für die nächste generation
Waldhaus experimentiert gerne mit neuen Marketing- und Kommunikationsformen. Von frechen Werbekampagnen über den eigenen Waldhaussong bis zum Pod-cast, für den der Chef in loser Folge befreundete Gastronomen trifft. Zum 190. Geburtstag legte man erstmals mit „Waldhaus one“ eine Kollektion von Waldhaus-NFTs auf. NFT steht für „Non-Fungible Token“ und meint in diesem Fall 190 digitale Sammlerstücke. Limitiert und fälschungssicher. Fans können fünf verschiedene 3D-Animationen rund um eine Bierflasche erwerben – mal sprießen Gras oder Zweige aus der Flasche, mal hüpft sie vor Glück. Je nach Seltenheitswert sind weitere Vorteile wie verschieden große Bierpakete oder Brauereiführungen verknüpft.
Herr Schmid: Zum Jubiläum hat Waldhaus NFTs herausgebracht. Wozu?
Dieter Schmid: Wir schauen immer nach neuen Möglichkeiten, um uns von anderen Brauereien abzuheben. Wir sind ein kleines Unternehmen und können nicht einfach bundesweit plakatieren oder TV-Werbung schalten. Als das Thema NFT erstmals aufkam, hatte ich keine Ahnung davon, fand es aber spannend. Letztendlich spielen wir da mit unserer Marke in einem bisher unbekannten Markt. Aber die Verkäufe zeigen, dass es eine gute Idee war, Animationen rund um unsere Produkte als NFT anzubieten.
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Wachstum über vier Generationen
Die Gaststätte Waldhaus war eine von vielen, und in den meisten wurde Bier gebraut. Das änderte sich auch 1894 nicht, als Johann Schmid den Betrieb übernahm. Gasthaus und Brauerei bildeten weiterhin eine Einheit. Allerdings begründete er keine Generation von Gastwirten, sondern eine von Brauern. „Er gab unserem Haus den ersten und wichtigsten Grundsatz: ‚Lieber kleiner, aber feiner.‘ Über vier Generationen hinweg gilt dieser Leitsatz und bildet einen wesentlichen Baustein unseres Handelns“, sagt Dieter Schmid. Sein Großvater Friedrich Schmid übernahm das Gasthaus mit Brauerei 1939. Zu diesem Zeitpunkt wurden jährlich rund 350.000 Liter Bier gebraut.
30 Jahre später hatte sich der Ausstoß fast verdreifacht: 10.000 Hektoliter, umgerechnet eine Million Liter, verteilen sich auf die drei Biersorten Hell, Dunkel und Doppelbock. Im gleichen Jahr ging die Leitung der Privatbrauerei an Helmar Schmid über. Er legte den Grundstein für das Wachstum. „Man hat kein Ferienhaus auf Teneriffa gekauft, sondern hat jede Mark, die erwirtschaftet wurde, ins Unternehmen investiert. Nur so war es möglich, diese kleine Brauerei nach vorne – und vor allem technisch auf den allerneusten Stand zu bringen“, erinnerte er sich 2009 in einem Unternehmensporträt von TV Südbaden. Zu diesem Zeitpunkt leitete Sohn Dieter bereits seit zwölf Jahren die Geschicke der „kleinen Brauerei“ .
Der Diplom-Betriebswirt und -Braumeister vereint kaufmännisches Denken und die Leidenschaft für gutes Bier. Unter seiner Führung entwickelte sich Waldhaus zu einer echten Markenfamilie. Statt drei Sorten gibt es inklusive saisonaler Biere mittlerweile 18 verschiedene Abfüllungen, und der Ausstoß wuchs zwischen 1997 bis heute von 28.000 auf mehr als 100.000 Hektoliter. Ermöglicht wurde das durch Investitionen in die Technik und in größere Lager. „Unsere Geschichte prägt unser Denken, unser Wirken“, erklärt Schmid. „Aber wir – und damit schließe ich meinen Vater und meinen Opa mit ein – blicken weniger zurück, unser Blick ist nach vorn gerichtet. Unser Handwerk ist traditionell, wir halten uns an das Reinheitsgebot von 1516, aber das heißt nicht, dass wir noch Werkzeuge von 1894 einsetzen.“
Das Braujahr 2022 schloss Waldhaus trotz „der Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine“ mit einem positiven Betriebsergebnis und einem erneuten Ausstoßzuwachs um 3,6 Prozent auf 105.000 Hektoliter ab, erklärte Dieter Schmid bei der Präsentation des Jahresabschlusses Ende Mai.
Hopfen ist nicht gleich Hopfen
Steffen Müller, einer der Baumeister, öffnet beim Rundgang durch das Haus eine Schranktür, stellt drei Gefäße auf eine Ablage und schraubt die Deckel ab. In allen dreien steckt eine zentrale Zutat für jedes nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraute Bier: Hopfen. Einmal als Dolden in getrockneter Form, einmal zu Pellets verarbeitet, und im letzten Glas als zähflüssiges Extrakt. „In der Industrie kommen überwiegend Pellets und Extrakt zum Einsatz“, berichtet der Braumeister, der seit seiner Ausbildung bei Waldhaus arbeitet. „Wir setzen auf das Naturprodukt.“ Um für die Biersorten das richtige Aroma zu erreichen, nehmen sich die Braumeister bei der Auswahl der Hopfendolden viel Zeit: „Dafür erhalten wir Proben von unseren Lieferanten, testen diese ausgiebig – auch labortechnisch – und entscheiden dann, ob und welche Mengen wir ordern.“ Wenn die Qualität stimmt, wird mehr bestellt, um bei schlechteren Ernten weiterhin produzieren zu können.
„Wir könnten an dieser und an anderer Stelle sicher kostengünstiger arbeiten, ohne dass ein deutlicher Geschmacksverlust sichtbar würde. Aber das machen wir nicht. Das ist unser Qualitätsversprechen“, sagt Müller. Ein Umstieg auf Pellets oder gar Extrakt? Das kommt für Firmenchef Dieter Schmid nicht in Frage. „Dieses Detail macht uns aus, dieser Anspruch, ein besonderes Bier zu brauen.“ Ob man den Unterschied überhaupt erkennen kann, wird Braumeister Steffen Müller bei Führungen gefragt. „Ja“, sagt er und erläutert: Nach dem Öffnen der Bierflasche zeige sich bei Waldhaus-Bieren eine eigene Hopfennote. Biere, die mit Pellets oder Extrakt gebraut würden, „haben das in der Regel nicht“.
Fokus auf Endverbraucher
Der Großteil der Produktion wird in Flaschen gefüllt und an Privathaushalte verkauft. „Die Gastronomie macht bei uns gerade einmal 20 Prozent aus“, berichtet Steffen Müller. Waldhaus-Biere werden allerdings nicht allein in Südbaden ausgeschenkt, sondern auch in Karlsruhe, Stuttgart, am Bodensee und „sogar in Berlin“. Dennoch „verstehen wir uns als regionales Bier, als regionale Marke“, so der Braumeister. Für ihn und seine Kollegen geht es darum, die Qualität zu halten, und „aus den wenigen erlaubten Zutaten ein besonders genussvolles Getränk zu kreieren“. Oder, wie es im Manifest der Brauerei verankert ist: „Das Streben nach dem perfekten Bier.“
Patrick Merck
Bild: Waldhaus-Chef Dieter Schmid mit Mitarbeitern beim Anstoßen m Schalander, dem Pausenraum einer Brauerei (oben).