Was mit einer kleinen Steindruckerei in Waldkirch begann, ist heute – 140 Jahre nach der Gründung – ein europaweiter Marktführer für Sekundärpackmittel der Pharmabranche. Auch wenn Energiekrise und Personalmangel die Stimmung ein wenig trüben, blickt die Geschäftsführung von Faller Packaging im Jubiläumsjahr optimistisch in die Zukunft.
Waldkirch. Im Besprechungszimmer in der Freiburger Straße 25 in Waldkirch hängt ein großes schwarz-weiß Bild. Es zeigt Ernst Faller umringt von Mitarbeitern vor einer Druckerpresse. Im Jahr 1882 gründete sein Vater August die „Graphische Kunstanstalt“, die Papieretiketten, Briefbögen, Postkarten und Geschäftsdrucksachen produzierte. 140 Jahre später leitet sein Urenkel Michael Faller (62) als Geschäftsführender Gesellschafter gemeinsam mit CEO Daniel Keesman (60) die Geschäfte der August Faller GmbH & Co. KG, oder kurz Faller Packaging.
Der vielleicht bedeutendste Schritt für das heutige Unternehmen war die Entscheidung, sich vor gut 30 Jahren „von unserem ‚Bauchladen‘ zu trennen und uns voll auf den Pharma-Packmittelmarkt zu konzentrieren“, wie Faller formuliert. Eine Risikobewertung hatte damals ergeben, dass dies ein wachsender und gleichzeitig relativ krisenfester Markt sein würde. Der Fokus liegt seither auf Faltschachteln, Haftetiketten und Packungsbeilagen. „Wir sind diesen Weg sehr konsequent und beharrlich gegangen“, sagt der 62-Jährige. Gemeint sind entsprechende Übernahmen von Mitbewerbern und die Internationalisierung des Unternehmens. Faller hat heute neben Waldkirch deutsche Standorte in Binzen, Schopfheim und Worms sowie drei internationale in Dänemark, Polen und Ungarn und beschäftigt über 1.300 Mitarbeiter. „Unsere Strategie hat sich ausgezahlt: Von einem ‚gewöhnlichen‘ Verpackungshersteller haben wir uns zu einem der europäischen Marktführer in der Pharmazulieferung entwickelt“, meint Keesman ergänzend. „Im Grunde ging es immer aufwärts.“
Viele Unwägbarkeiten
Dennoch gibt es in einer langen Unternehmensgeschichte auch Auf und Abs. 1959 zum Beispiel beschädigte ein Großbrand die Produktionsgebäude in Waldkirch schwer. Auf die Frage nach der aktuellen Lage zwischen Pandemie, exorbitanten Energiepreissteigerungen und Papier- und Kartonknappheit, jongliert Keesman zur Antwort unsichtbare Bälle durch die Luft. Das Unternehmen sei finanziell gut aufgestellt, die Versorgungskette unter Kontrolle und die Sicherheitsbestände aufgestockt. Dennoch bereiten die multiplen Herausforderungen so manches Kopfzerbrechen. Anfang des Jahres hat das Unternehmen ein Umsatzziel von mehr als 160 Millionen Euro angepeilt, inzwischen liegen die Prognosen deutlich höher, da der Vertrieb von Faller Packaging aufgrund der volatilen Preise fast monatlich mit seinen Kunden die Konditionen neu verhandelt. Hinzu kommen neue regulatorische Ansprüche durch die EU-Taxonomie und neue Prüfungs- und Berichtspflichten durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) (siehe WiS 4/2022). „In der Summe sind es die vielen Unwägbarkeiten“, fasst Keesman zusammen, die ihn durchaus manchmal unruhig schlafen lassen. Es sei aktuell „äußerst anspruchsvoll“ langfristig zu planen.
Die beiden Geschäftsführer blicken dennoch optimistisch in die Zukunft: Die weiteren Wachstumsmöglichkeiten bewerten sie positiv, in Ungarn und Polen sollen die Produktionskapazitäten ausgebaut werden, in Waldkirch ist ein Neubau geplant, auch eine Akquisition in einem nicht näher spezifizierten europäischen Land könnte dazukommen. Sie sind dennoch guter Dinge: „Wir haben Gesellschafter, die seit Jahren treu zum Unternehmen stehen, ihre Gewinne in den Betrieb investieren und Kauf- und Übernahmeanfragen abwehren“. Zudem sei der Markt stabil und das Unternehmen verfüge über treue Kunden, die „viele neue Produkte in der Pipeline“ haben. „Das klingt jetzt fast nach dem berühmten ‚Wir schaffen das‘ von Frau Merkel, schmunzelt Keesman. Tatsächlich hat er gute Gründe zu glauben, das Unternehmen sei resilient aufgestellt. Im Jahr 2019 – als noch keiner ahnen konnte, dass bald ein neues Virus die Welt auf den Kopf stellen würde – habe man mit einem entsprechenden Lernmodell alle Führungskräfte trainiert, wie sich zielführend mit komplexen, unübersichtlichen Situationen umgehen lässt. „Wir haben sehr viel in Führungskultur und -werte investiert. Das sind Investitionen, die nicht unmittelbar tragen, aber gerade in der Coronakrise hat man sofort gesehen, wie sehr sich das auszahlt.“
Den Nachwuchs im Blick
Wie viele andere Unternehmen in der Region treibt Faller Packaging das Thema Personalmangel um. Auch diesem Thema hat man sich strategisch genähert, seit 2019 arbeitet die Marketingabteilung mit der Personalabteilung zusammen und hat ein modernes Employer Branding entwickelt. Von Social Media bis hin zur Plakatierung der lokalen Bushaltestelle werden verschiedene Kanäle bespielt. Sichtbar stolz sind die beiden Geschäftsführer auf den Entwicklungsweg von zwei jungen Führungskräften: Beide haben als Azubis eine handwerkliche Ausbildung bei Faller absolviert, und sind heute – mit Mitte 20 – Abteilungsleiter. „Dass man nur mit Studium Karriere machen kann, stimmt einfach nicht. Dafür muss man ein Bewusstsein schaffen“, sagt Faller. „Das ist Körnerarbeit, gehört aber zum nachhaltigen Geschäftsbetrieb“, sagt er.
Das gleiche gilt auch für das Engagement im Bündnis „Zielgerade 2030“, das die IHK Südlicher Oberrhein und die Energieagentur Regio Freiburg ins Leben gerufen haben. Das gemeinsame Ziel: Klimaneutralität. Den ersten Nachhaltigkeitsbericht hat das Unternehmen bereits vor 20 Jahren veröffentlicht, der Strom stammt längst aus erneuerbaren Energien, aber den CO2-Ausstoß an allen Standorten auf Null zu bringen „wird schon eine schwierige Angelegenheit“, sagt Faller. Eine weitere Herausforderung, die nun strategisch angegangen wird.
Zur nachhaltigen Unternehmenskultur gehört auch, dass die beiden Unternehmenslenker bereits über die eigene Personalnachfolge nachdenken. Eine Entscheidung, die zwar noch nicht für heute oder morgen ansteht, aber: „Wir denken in Dekaden.“ Den Großvater, der seinem Enkel im Meetingraum symbolisch über die Schulter blickt, wird es freuen.
db
Bild Mitte (s/w): Ernst Faller (reichts im Vordergrund). Sein Vater gründete die Graphische Kunstanstalt 1882 in Waldkirch.
Bild unten: Michael Faller, Geschäftsführender Gesellschafter und CEO Daniel Keesman (rechts).
Ausgewählte Meilensteine
- 1882 Gründung der Firma als Steindruckerei durch August Faller in der Lange Straße in Waldkirch.
- 1953 Beginn der Herstellung von Faltschachteln neben Papier-Etiketten und Schokoladeneinschlägen am Standort Waldkirch.
- 1990 Seit Anfang der neunziger Jahre Konzentration auf den Pharma-Packmittelmarkt.
- 2003 Eröffnung des Standorts Binzen. Die Produktion aus den anderen Werken wurde teilweise nach Binzen verlagert. Seit 2009 produziert Faller am Standort Binzen ausschließlich Packungsbeilagen.
- 2006 Einstieg in den Digitaldruck für Haftetiketten am Standort Schopfheim.
- 2008 Eröffnung des PharmaServiceCenter Verpackungsdienstleistungen in Großbeeren bei Berlin.
- 2012 Übernahme des dänischen Faltschachtelherstellers „A.C. Schmidt“ in Hvidovre, als Erweiterung der Faltschachtelproduktion und spezielle Fertigung von Faltschachtel-Veredelungen.
- 2013 Eröffnung der Produktionsstätte in Łódź, Polen, welche ebenfalls als erweitere Faltschachtelproduktion dient.
- 2019 Eröffnung der Tochterfirma PackEx mit Sitz in Worms. PackEx ist auf die Expressfertigung von Faltschachteln in Klein- und Kleinstmengen spezialisiert.
- Übernahme des ungarischen Packungsbeilagenherstellers „Pharma Print Kft.“
- 2022 Faller Packaging begeht am 1. Mai 2022 sein 140. Firmenjubiläum.