In dem privat betriebenen Dampflockmuseum in Tuttlingen lässt sich an Sonn- und Feiertagen eine längst vergangene Eisenbahnepoche erleben.
Tuttlingen. Zwei Kilometer westlich des Tuttlinger Hauptbahnhofs, an der Bahnstrecke nach Immendingen gelegen und von der B 311 aus gut zu sehen, liegt auf einem vier Hektar großen Gelände das ehemalige Bahnbetriebswerk der Bundesbahn. Im Wesentlichen besteht es aus einem 1933 erbauten, heute unter Denkmalschutz stehenden Lokschuppen für sieben Lokomotiven, davor der größten heute noch in Süddeutschland bestehenden und funktionsfähigen Drehscheibe, weiteren Einrichtungen wie Bekohlungsanlage und Wasserkran sowie einigen Kilometern Gleisen. In der Halle und daneben stehen einige alte Dieselloks und spezielle Waggons, vor allem aber 26 Dampflokomotiven. Keine fährt mehr aus eigener Kraft unter Dampf, aber alle sind rollfähig und können besichtigt werden. Die Ausmaße dieser Vertreter einer vergangenen Eisenbahnepoche sind beeindruckend: 4,50 Meter hoch, 3,60 breit, bis zu 25 Meter lang (inklusive Tender) und weit über 100 Tonnen schwer.
Aber woher stammen sie, und wie sind sie hierher gekommen? Erworben und gesammelt wurden sie von der Pforzheimer Unternehmerfamilie Girrbach, vor allem vom 1996 verstorbenen Senior Werner Girrbach und seiner Frau Ingrid. Er erwarb 1980 die erste Lok, damals noch von der westdeutschen Bundesbahn, die weitaus meisten jedoch stammen aus ehemaligen Beständen der d´Deutschen Reichsbahn der DDR. Sie waren dort bis zur Wiedervereinigung noch auf Nebenstrecken unterwegs – nach der Wiedervereinigung fand sich für sie keine sinnvolle Verwendung mehr. Gebaut wurden die meisten der Loks kurz vor beziehungsweise im Zweiten Weltkrieg. Doch wo sollte Girrbach die Lokomotiven unterbringen? Da ergab sich 1991 die Gelegenheit, von der Deutschen Bundesbahn deren stillgelegtes Bahnbetriebswerk in Tuttlingen zu kaufen. Girrbach griff zu und ließ die Lokomotiven aus der ehemaligen DDR nach Tuttlingen überführen. Selbst unter Dampf fahren durfte keine mehr, sie wurden von modernen Lokomotiven gezogen, nachdem teilweise ihre Kuppelgestänge abgebaut worden waren, da man befürchtete, diese könnten unterwegs heißlaufen, verklemmen, damit zu Unfällen führen und womöglich Strecken tagelang blockieren.
Seit rund 20 Jahren führen nun Ingrid Girrbach sowie ihre Kinder Patricia und Werner-Patrick Girrbach das private Museum – im Nebenberuf und als Hobby, hauptberuflich leiten sie den familieneigenen metallverarbeitenden Betrieb in der Nähe von Pforzheim. Die Familie hat zusammen mit einer Handvoll ehrenamtlicher Helfer viel zu tun im Museum. Die 1.500 Quadratmeter große circa 15 Meter hohe Halle (die sieben Tore für die Lokomotiven sind circa sechs Meter hoch) erfordert ständige Pflege, ebenso wie die technischen Einrichtungen. Das ist zeitintensiv und teuer. Zwar hilft immer wieder der Denkmalschutz, die wesentlichen Ausgaben bestreitet die Familie jedoch aus eigenem Vermögen beziehungsweise der Organisation von Events wie Hochzeiten, Firmenfestivitäten und kleineren Tagungen. Dann werden ein oder zwei Lokomotiven aus der Halle gefahren, Tische und Stühle aufgestellt, ein Podium eingerichtet, Voraussetzungen für Cateringservices geschaffen. 3.000 bis 4.000 Teilnehmer pro Jahr empfängt Girrbach zu solchen Gelegenheiten. Die Atmosphäre in der Halle, umgeben von den stählernen Giganten, ist eindrücklich. Für normale Besucher ist das Museum jeden Sonn- und Feiertag im Sommer geöffnet – zu sehr moderaten Eintrittspreisen. Eine Zukunftsfantasie von Werner-Patrick Girrbach ist es, die Teilnehmer von dampfbetriebenen Sonderzügen, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, zu empfangen. Dafür müsste allerdings wieder eine Weiche in die Bahnstrecke Tuttlingen – Immendingen eingesetzt werden, die dann eine – ehemals bestehende – Verbindung wiederherstellt. Finanziell in sehr weiter Entfernung liegt ein anderer Traum: Eine der Lokomotiven wieder in den dampfbetriebenen Fahrzustand zu versetzen. Das würde eine halbe bis eine Million Euro verschlingen, so schätzt Girrbach. Westeuropas größter Spezialist dafür ist die Dampflokfabrik in Meiningen, in der wahrscheinlich schon die eine oder andere der Lokomotiven, die jetzt in Tuttlingen stehen, gewartet oder umgebaut wurde.
Text: upl
Bilder: Erich Meyer, Werner-Patrick Girrbach