Die Winzer haben im zurückliegenden Herbst eine der besten Weinernten der vergangenen Jahrzehnte eingefahren – und zwar sowohl hinsichtlich der Menge, als auch der Qualität. Den Jahrgang der Superlative nehmen wir zum Anlass, um auf die Entwicklung der badischen Weinwirtschaft zu blicken.
Es hat einfach alles gepasst 2018: Auf einen nassen Winter und ein feuchtes Frühjahr folgte ein warmer, langer und sehr trockener Sommer. Anders als 2017 störte kein später Frost die Blüte, und es gab so gut wie keine Hagelschäden. Mit der Trockenheit kamen die Reben im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzen sehr gut zurecht. Selbst zur Lesezeit, die mehrere Wochen früher als üblich begann, hielt das warme trockene Wetter an, und die Trauben konnten stressfrei geerntet werden. Ein Vorteil: Die Keller waren nach dem mickrigen Jahrgang 2017 leer. Die gute Ernte füllte die Lücken des Vorjahres – auch weil das Land das Mengenlimit pro Hektar von 90 auf 100 Hektoliter angehoben hatte. Der Ertrag der badischen Winzer lag 2018 etwa 25 Prozent über dem langjährigen Mittel. Verglichen mit dem Vorjahr stieg die Erntemenge sogar um 35 Prozent. Und die Güte des Weins, der jetzt in den Fässern liegt, bringt manch einen erfahrenen Winzer ins Schwärmen. „Diese Konstellation steht so in keinem Lehrbuch“, sagt Peter Wohlfahrt beim Gespräch in seinem holzvertäfelten Büro im Verbandsgebäude am Fuße des Schlierbergs in Freiburg. Der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands ist kein Mensch der lauten Worte. Er drückt seine Begeisterung ruhig aus. „So einen Jahrgang gibt es eigentlich nicht“, sagt der großgewachsene Mann. Wohlfahrt weiß, wovon er spricht. Er hat selbst Winzer gelernt, Weinbau studiert und viele Jahre das Staatsweingut Blankenhornsberg geleitet. Auch im Jahrhundertsommer 2003, an den jetzt viele wieder gedacht haben. Der Jahrgang damals war viel kleiner, die Qualität der Trauben aber vergleichbar. Man habe seinerzeit erst gelernt, wie mit solchen Mosten – geringe Säure, hoher Zucker – umzugehen ist und dieses Wissen jetzt in den 2018er einfließen lassen können. Dessen tatsächliche Qualität wird sich erst zeigen. Aber die Voraussetzungen für einen „großen bis sehr großen Jahrgang“ sieht Wohlfahrt gegeben.
Zitate
»Im engeren Zusammenspiel geht es besser«
Peter Wohlfahrt Geschäftsführer Badischer Weinbauverband
»Wir brauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen«
Joachim Heger Präsident des Verbands der Prädikatsweingüter Baden
»Wir waren von der Fülle des Jahrgangs nicht überfordert«
Peter Schuster Vorstandsvorsitzender Badischer Winzerkeller
Mehr Solidarität
Dass seine Euphorie sich gleichwohl in Grenzen hält, liegt nicht nur an Wohlfahrts ruhiger Natur, sondern auch an den Themen, mit denen der Verband gerade zu tun hat. „Eigenwilligkeiten nehmen überall zu, auch in der Weinwirtschaft“, sagt der Verbandschef. Er bedauert das sehr, zumal der badische Weinbau gerade von gemeinschaftlichen Strukturen geprägt sei. Zwar sinkt die Zahl der Erzeuger bei gleichbleibender Fläche, das heißt die Betriebe werden größer. Doch nach wie vor gibt es viele kleine und sehr kleine Winzer, die den Weinbau oft nur im Nebenerwerb betreiben. Über 70 Prozent des badischen Weins produzieren Winzergenossenschaften. Der Gedanke der Solidarität sollte da eigentlich vorherrschen, doch genau den vermisst Wohlfahrt in jüngster Zeit zunehmend. Das zeigt sich zum Beispiel an den Qualitätsprüfungen und Prämierungen. Der Badische Weinbauverband verleiht Gütezeichen und klassifiziert gegen Gebühr die Spitzenprodukte der Region. Doch das Interesse habe zuletzt stark nachgelassen, berichtet Wohlfahrt. Dieses Jahr nahmen 102 Betriebe an der Gebietsweinprämierung teil, ein Jahr zuvor waren es noch 129. Das lag nur teilweise an der schlechten Ernte 2017. „Von der Verbandsarbeit profitieren alle, es finanzieren sie aber vor allem diejenigen, die an den Prämierungen teilnehmen“, monierte Verbandspräsident Kilian Schneider jüngst bei einer Pressekonferenz. Der Verband habe zwar noch keine Probleme mit der Finanzierung, werde aber nicht bei der jetzigen bleiben könne. Es laufe auf eine Beitragserhöhung hinaus. Ein anderes Beispiel schwindender Solidarität sieht Geschäftsführer Wohlfahrt in der Weinwerbung. Die Badischer Wein GmbH soll vor allem außerhalb Badens für badischen Wein werben. Sie organisiert beispielsweise Weinmessen und -reisen sowie Radio- und Printwerbung. Gesellschafter sind Genossenschaften, Weingüter und -kellereien. Weil viele unzufrieden mit ihrer Arbeit sind, wollen sie die Werbegemeinschaft verlassen, deren Existenz damit auf dem Spiel steht. „Baden ohne Weinwerbung kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Peter Wohlfahrt. Im Dezember sollte über die Zukunft entschieden werden, das Ergebnis stand zu Redaktionsschluss aber noch nicht fest. Um die Zukunft der Weinbezeichnung geht es gerade auf politischer Ebene. Die Regierungsparteien wollen in dieser Legislaturperiode das Weingesetz den europäischen Vorgaben anpassen und damit den Weg zu neuen Bezeichnungen freigeben. Darin sieht Peter Wohlfahrt gute Chancen für den badischen Wein. „Ich glaube, dass wir in Baden uns im Wettbewerb der Regionen profilieren können.“ Auch hier braucht es seiner Meinung nach Solidarität: „Im engeren Zusammenspiel geht es besser.“
Mehr Selbstbewusstsein
Die Hausaufgaben, vor denen der Weinbauverband steht, hat der VdP schon erledigt. Der Verband der Prädikatsweingüter klassifiziert die Weine seiner Mitglieder seit 2012 nach einer vierstufigen Herkunftspyramide – absteigend von der Großen Lage und der Ersten Lage über den Ortswein zum Gutswein. „Das entspricht in etwa der burgundischen Klassifizierung“, sagt Joachim Heger. Der temperamentvolle 60-Jährige ist Präsident des VdP Baden und Inhaber des Ihringer Weinguts Dr. Heger, eines der 20 badischen VdP-Weingüter. Zum Gespräch hat er in seine schicke Probierstube mit Blick auf den Innenhof gebeten. Der Verband der Prädikatsweingüter vereint, wie der Name schon sagt, Weingüter, die Prädikatsweine erzeugen. Er ist also quasi die erste Liga der Winzer, mit dem Unterschied, dass man nicht auf- oder absteigt, sondern berufen wird und es passen muss. Dass just die Prädikatswinzer ihre Weine lieber als „Großes Gewächs“ (aus der Großen Lage) denn als Prädikatswein verkaufen, zeigt, dass die Klassifizierung einen Relaunch nötig hat. „Die Generation der Besucher von Volkshochschulweinkursen wird älter und kleiner“, sagt Heger. Zwar liegt Wein auch bei jüngeren Konsumenten wieder mehr im Trend, doch deren Kaufverhalten ist anders. „Die Treue eines Konsumenten zum Betrieb ist nicht mehr so ausgeprägt“, beobachtet auch Verbandschef Wohlfahrt. „Junge Kunden sind viel flexibler.“ Das heißt: Sie greifen heute zu regionalem, morgen aber vielleicht zu spanischem oder kalifornischem Wein. Wie können sich badische Winzer profilieren? Sie müssen am Image arbeiten, findet Joachim Heger. Wein müsse auch ein bisschen sexy sein. Wie viele andere erfolgreiche Winzer ist Heger häufig unterwegs, um für seinen Wein zu werben, bundesweit sowie international, und kennt deshalb den Markt gut. „Wir Deutschen sind viel zu wenig selbstbewusst“, sagt er. „Ich habe das Selbstbewusstsein mittlerweile gelernt.“ Der Ihringer ist in nahezu alle Weinländer der Welt gereist und hat gesehen, dass der Wein nirgends so billig verkauft wird wie hierzulande. „Und die anderen sind nicht besser. Wir brauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen – das haben Blindpdroben immer wieder belegt.“ Das Weingut Dr. Heger vertreibt seine Weine hauptsächlich direkt und zum überwiegenden Teil an die Gastronomie. Annähernd zehn Prozent gehen mittlerweile ins Ausland. Den Qualitätsanspruch unterstreicht der Jahrgang 2018. „Viele haben gesagt, so was hätten sie noch nicht erlebt“, berichtet Heger. Die Weine seien sehr sortentypisch. Der Riesling rieche nach Riesling, die Roten hätten eine dichte, kräftige Farbe, selbst der Grauburgunder sei dunkel. „Ich könnte mir vorstellen, dass das ein ganz großer Jahrgang wird“, sagt Heger. „Vielleicht sogar einer zum Weglegen.“ Und auch da gilt: Mit ein bisschen mehr Selbstbewusstsein der Winzer ließe sich diese Qualität besser verkaufen.
Weingesetz
Das deutsche Weingesetz aus dem Jahr 1994 teilt Weine ausschließlich nach dem Zucker- beziehungsweise Alkoholgehalt des Mostes (Oechsle) – verbunden mit einer Regionalbezeichnung, aber ohne Ursprungs- oder Lagenklassifizierung – in vier Güteklassen ein: Prädikatswein, Qualitätswein, Landwein und Wein. Die EU-Weinmarktordnung von 2009 schreibt eine Änderung der Bezeichnungen vor, weg von den alkoholbezogenen hin zu geografischen Kategorien, wie es sie beispielsweise in Italien und Frankreich gibt. Dem muss Deutschland folgen. Die Regierungsparteien haben sich ein neues Weingesetz für diese Legislaturperiode in den Koalitionsvertrag geschrieben. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner legt dem Bundestag voraussichtlich im Februar einen Entwurf vor. Wenn das Bundesgesetz verabschiedet ist, muss Baden-Württemberg seine Landesweinordnung daran anpassen, und auf dieser Grundlage können die Anbaugebiete ihre Lagen definieren. Ziel ist es, dass die neuen Bezeichnungen für den Konsumenten verständlicher sind als die bisherigen.
Mehr Regalmeter
Anders als das Prädikatsweingut kann sich der Badische Winzerkeller dem Preisdruck nicht entziehen. Denn er verkauft 80 Prozent seiner Produkte im Lebensmitteleinzelhandel und bei Discountern, wo badischer Wein mit anderen deutschen und internationalen Tropfen um den Platz im Regal kämpft. Die Aufgabe des 1952 gegründeten Verbundes ist es gerade, Volumina zu vermarkten. Die riesige Anlage am Ortsrand von Breisach wurde für große Mengen gebaut. Das Gros der Arbeit findet deshalb im Qualitätsweinbereich statt. Allerdings entwickelt sich auch die etwas teurere Burgunderserie Martin Schongauer des Winzerkellers gut. Der Vorstandsvorsitzende Peter Schuster berichtet beim Gespräch im Erdgeschoss des fünfeckigen Verwaltungsgebäudes stolz vom zweiten Platz beim jüngsten Grauburgundersymposium. Der Winzerkeller ist der Zusammenschluss von 51 Winzergenossenschaften und firmiert selbst als Genossenschaft. Sein Einzugsgebiet reicht – wie beim Badischen Weinbauverband – vom Bodensee bis Tauberfranken. 29 Mitglieder sind sogenannte Vollanlieferer, bringen also sämtliche Trauben nach Breisach, 22 WGs nur einen Teil. Zwei Prozent ihrer Ernte müssen, zehn Prozent dürfen sie anliefern. So ergeben sich große Schwankungen. 2017 war die Eingangsmenge aufgrund der Frühjahrsfröste um fast ein Drittel auf gut zwölf Millionen Liter gesunken. Um seine Lieferverträge mit dem Handel nicht zu gefährden und die Regalmeter zu halten, musste der Winzerkeller deshalb über eine Million Liter Most zukaufen. Dennoch waren die Keller jetzt wieder leer, und die große gute Ernte 2018 kam gerade recht. Fast 25 Millionen Kilogramm Trauben oder knapp 19 Millionen Liter Most nahm der Winzerkeller im Herbst an – fast 70 Prozent mehr als 2017, und etwa ein Drittel mehr als durchschnittlich. Die Investitionen der vergangenen Jahre, vor allem in Annahmestellen für Vollernter, halfen, die großen Mengen in kurzer Zeit zu bewältigen. „Wir waren von der Fülle des Jahrgangs nicht überfordert“, betont Peter Schuster. Im Gegenteil: Der Winzerkeller konnte sogar aushelfen. „Wir haben hohe Verarbeitungsmengen und können das schnell durchziehen, ehe die Trauben faulen“, erklärt Schuster. Eine Million Liter Most haben die Breisacher für andere eingelagert, das entspricht etwa 40 Tankzügen. Nun ist der Jahrgang in den Fässern, dort wird er aber nicht lange bleiben. Liegen lassen ist für den Badischen Winzerkeller kein Thema. Im Gegenteil: Der 2018er aus Breisach kommt schon ab Februar in den Handel. Drei Monate früher als üblich.
Weinland Baden
Mit gut 15.000 Hektar Rebfläche und rund 110 Millionen Liter jährlicher Produktionsmenge ist Baden das drittgrößte deutsche Weinbaugebiet – nach Rheinhessen und der Pfalz. Es erstreckt sich in einem Bogen über etwa 400 Kilometer vom Bodensee im Süden bis ins Fränkische im Norden. Neun Bereiche zählen zum Weinland Baden, der Größe nach geordnet sind das: Kaiserstuhl, Markgräflerland, Ortenau, Breisgau, Kraichgau, Tuniberg, Tauberfranken, Bodensee und Badische Bergstraße. Baden ist das am weitesten nach Süden reichende deutsche Anbaugebiet und zählt als einziges in Deutschland zur Weinbauzone B der EU, zu der beispielsweise auch das Elsass, die Champagne oder das Loiretal gehören. Es gelten daher höhere Anforderungen für Qualitäts- und Prädikatsweine. Baden ist Burgunderland: Weißburgunder, Grauburgunder beziehungsweise Ruländer und Blauer Spätburgunder nehmen über 40 Prozent der Rebfläche ein. Auch Müller-Thurgau (insbesondere im Breisgau, am Tuniberg und Bodensee), Gutedel (vor allem im Markgräflerland) und Rieslang (speziell in der Ortenau) sind typische badische Sorten. Das Verhältnis zwischen Rot- und Weißwein liegt bei 41 zu 59 Prozent.
Weinbau wird in Baden häufig im Nebenerwerb betrieben. Dem Badischen Weinbauverband gehören knapp 18.000 Mitglieder an, viele sehr kleine. Auch deshalb erzeugen und vermarkten Winzergenossenschaften über 70 Prozent des Weins, rund 12 Prozent entfallen auf eigenständige Weingüter, der Rest auf andere Erzeugergemeinschaften und Rechtsformen. Allerdings geht der Trend zu größeren Betrieben. Der Weinbauverband hat in den vergangenen 15 Jahren 12.000 Mitglieder verloren – bei gleichbleibender Fläche. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, denn nur bei einem Drittel der Betriebe ist die Nachfolge geklärt. Die 74 badischen Winzergenossenschaften haben 2017 annähernd 270 Millionen Euro umgesetzt. Fast 45 Millionen Euro entfielen allein auf den Badischen Winzerkeller in Breisach. Der Verbundbetrieb von 51 badischen Winzergenossenschaften ist mit 1.700 Hektar Rebfläche und über 12 Millionen Liter jährlicher Produktionsmenge der größte Erzeugerbetrieb Badens.
Buchtipp: Die besten Unentdeckten
Ist das Glas halb voll oder halb leer? Gibt es in der badischen Weinwirtschaft viele Baustellen oder sind die Winzer auf einem guten Weg? Christian Hodeige, Verleger und Genießer, hat sich ganz klar für die optimistischere Betrachtungsweise entschieden. „Baden entwickelt sich immer mehr zu einem der vielfältigsten und besten Weinanbaugebiete in Deutschland“, schreibt er im Vorwort des jetzt in seiner Edition Rombach erschienenen Bands „Badische Winzer“. Hodeige lobt die „wiedergewonnene Sensibiltät für Lagen und Standorte“ und die vielen jungen Winzer, die ihn mit Innovations- und Experimentierfreude begeistern. 20 der „besten und noch wenig entdeckten“ Weingüter, -genossenschaften und -manufakturen stellt er vor, von A wie Abril in Vogtsburg-Bischoffingen bis Z wie Zalwander in Malterdingen. Die wertige Aufmachung der 178 Seiten und die tollen Fotos von Michael Wissing unterstreichen das Qualitätsversprechen. Der jetzt erschienene Band „Badische Winzer“ ist der zweite, ein dritter ist laut Hodeige bereits in Arbeit.
Christian Hodeige, Michael Wissing (Hg.):
Badische Winzer Band Zwei
Edition Rombach | 176 Seiten | 22,80 Euro
Text: Kathrin Ermert, Bilder: Michael Wissing