Viele Unternehmen nutzen zum Erreichen ihrer Klimaziele freiwillige Kompensationen. Insbesondere bei Waldschutzprojekten gibt es Risiken, die im schlimmsten Fall an die Reputation gehen können, wie ein aktueller Fall zeigt. Deshalb sind CO2-Zertifikate kein Thema, das man übers Knie brechen sollte.
Klimaschutz ist das Gebot der Stunde, doch so manches Mal ist das Vermeiden von Emissionen aktuell technisch nur sehr schwer oder zu sehr hohen Kosten möglich. Nicht wenige Unternehmen setzen daher auf CO2-Kompensation. Das Prinzip: Unternehmen, aber auch Privatpersonen, bezahlen Geld dafür, dass an anderer Stelle auf der Welt ein Klimaschutzprojekt die Emissionen einspart, die sie selbst ausstoßen. Dafür hat sich ein Markt etabliert. Jede Tonne CO2 wird dabei als Zertifikat verkauft.
Die Ausgleichszahlung zielt darauf, die gleiche Menge Klimagas zum Beispiel durch Aufforstung von Wäldern, Wiedervernässung von Mooren oder den Ausbau erneuerbarer Energien auszugleichen. Eigentlich eine smarte Idee: „Der Grundgedanke ist, dass Geld dort investiert wird, wo es dem Schutz des Klimas am meisten bringt“, sagt Jil Munga, Referentin für Klima und Ressourceneffizienz bei der IHK Südlicher Oberrhein. Denn für das Klima macht es keinen Unterschied, wo die Belastung auftritt. Entscheidend ist, dass die Summe des globalen Treibhausgasausstoßes gemindert wird.
Allerdings kommt es auch immer wieder zu Fällen, bei denen unklar ist, ob und wieviel Treibhausgas durch solche Maßnahmen tatsächlich vermieden wird. Insbesondere Waldschutzprojekte sind mit Risiken behaftet. Der Gedanke bei dieser Art von Kompensation ist: Solange Wälder intakt sind, entziehen sie CO2 aus der Atmosphäre. Jede Tonne, die in einem Wald gebunden ist und bleibt, ist eine, die nicht zur Klimakrise beiträgt. Wenn es also gelingt, den Schutz der Wälder finanziell attraktiver zu machen als ihre Zerstörung, dann ist dem Klima geholfen, so die Idee. Wer zahlt, bekommt im Gegenzug das eingesparte CO2 gutgeschrieben. Aber: Für Waldschutzprojekte gilt das „Zusätzlichkeitskriterium“. Das heißt, dass der Wald wirklich stehenbleiben muss und ohne das Geld aus der Kompensation nicht stehengeblieben wäre. „Da ist immer die Frage, wie weist man so was nach?“, erläutert Munga. Auch zu überprüfen, ob durch Waldschutzprojekte CO2 vermieden wird, ist nicht trivial. Denn dafür müssen die entsprechenden Wälder viele Jahrzehnte intakt bleiben.
Klimaschutz anpacken
Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg
Die Stiftung berät Unternehmen zu wirkungsvollen Klimaschutzprojekten und Kompensationsangeboten auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Klimawirkung der Projekte lässt die Stiftung nach eigenen Angaben regelmäßig prüfen. Mehr Infos unter www.klimaschutzstiftung-bw.de.
Stiftung Allianz Entwicklung und Klima
Die Stiftung Allianz für Entwicklung und Klima gibt Orientierung bei der Auswahl von Kompensationsprojekten. Mehr unter www.allianz-entwicklung-klima.de – Kompensationspartner:innen finden
Klimafit – Unternehmen machen Klimaschutz
Das Förderprogramm Klimafit bietet für Unternehmen jeder Größe und Branche einen niederschwelligen Einstieg in das Klimaschutzmanagement. In Workshops sowie individuellen Beratungen werden spezifische Treibhausgasbilanzen erstellt und entsprechende Maßnahmen ent-wickelt, mit denen die Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen reduzieren können. Nach erfolgreichem Abschluss des Förderprogramms erhalten die Teilnehmenden die Auszeichnung als „KLIMAfit Betrieb“. Mehr Infos bei Jil Munga, Klimaschutzreferentin IHK Südlicher Oberrhein, Telefon: 0761 3858-263 Mail: jil.munga@freiburg.ihk.de
Zielgerade 2030
Die IHK Südlicher Oberrhein und die Energieagentur Regio Freiburg haben miteinander das Projekt „Zielgerade2030“ aus der Taufe gehoben. In diesem Bündnis werden Unternehmen fachkundig bis zum Ziel der Klimaneutralität begleitet. Mehr Infos unter https://zielgerade2030.de und info@zielgerade2030.de
Förderprogramm Mobilitätsmanagement
Das Förderprogramm „Behördliches und Betriebliches Mobilitätsmanagement“ (B2MM) des Landesverkehrsministeriums bezuschusst Unternehmen, die ihre Mobilität klimafreundlicher gestalten wollen. Ansprechpartnerinnen sind Hanna Scheck-Reidinger und Verena Bott, Mail: b2mm@vm.bwl.de.
UN lehnt Waldschutz zur Kompensation ab
Aber Wälder können gerodet werden oder Bäume durch Stürme oder Brände zerstört werden – die letzteren beiden sind Risiken, die durch die Klimakrise stetig ansteigen. Während der Käufer das Zertifikat sofort erhält, müsste der Wald bis zu einem Jahrhundert geschützt sein, bis sich die Kompensation tatsächlich für das Klima manifestiert. Die Vereinten Nationen (UN) haben sich wegen dieser zahlreichen Risiken bereits im allerersten Klimavertrag, dem Kyoto-Protokoll von 1997, dagegen entschieden, den Schutz von Wäldern in ihr staatliches Kompensationsprogramm aufzunehmen, das es den Industrienationen erlauben würde, ihren Ausstoß über Projekte in Drittländern zu kompensieren.
Auch ein weiteres Programm namens „Gold Standard“, das mehrere Umweltverbände auf den Markt brachten, schloss solche Projekte kategorisch aus. Sie konzentrierten sich auf Wirkungen, die einfacher zu messen sind, wie etwa den Ausbau von Solarenergie. Jüngst will eine Recherche der Wochenzeitung „Die Zeit“‘, der britischen Tageszeitung „The Guardian“ und des britischen Reporterpools „SourceMaterial“ herausgefunden haben, dass über einen Zertifizierer offenbar Millionen CO2-Zertifikate verkauft wurden, die es nicht hätte geben dürfen. Der Vorwurf der Medien: Die Aufsicht habe in dem Fall nicht funktioniert und zahlreiche Waldschutzprojekte hätten ihre Kompensation um ein Vielfaches überbewertet.
Auch wenn der Zertifizierer den Vorwürfen vehement widerspricht und überhaupt unklar ist, wie der Fall schließlich ausgeht, sehen sich jene Unternehmen, die über diese Zertifikate kompensiert haben – darunter auch Dax-Konzerne – nun mit einem Glaubwürdigkeitsmakel konfrontiert. Das kann zum Problem werden in einem Markt, in dem Verbraucher immer stärker auf Nachhaltigkeit und Investoren auf Klimarisiken achten. Ein guter Grund also für Unternehmen im Vorfeld genau abzuwägen, wie und womit die Kompensation erfolgen soll.
Oder ganz die Finger weg von Kompensation? So pauschal könne man das nicht sagen, meint IHK-Expertin Jil Munga. Jedes Unternehmen müsse für sich eine eigene Strategie zur Emissionsreduzierung herausarbeiten, rät die Expertin. Die IHK Südlicher Oberrhein unterstützt Unternehmen dabei über das Projekt „Zielgerade2030“ sowie das Programm Klimafit. Teilnehmende Unternehmen erhalten Hilfe beim Erstellen einer Treibhausgasbilanz, um auf deren Grundlage einen Aktionsplan zu entwickeln. „Kompensation sollte dabei so weit hinten wie möglich anstehen“, sagt Jil Munga. Unternehmen, die kompensieren möchten oder müssen, verweise die IHK an die Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg, so Munga. Sie fördert beispielsweise ein Ökostromprojekt in Vietnam, Solarkocher für die Bevölkerung auf Madagaskar und den Bau von Biogasanlagen in Indien. Die Klimawirkung der Projekte lässt die Stiftung nach eigenen Angaben regelmäßig prüfen.
Reduzieren sinnvoller als kompensieren
„Ich finde aber schon, dass man möglichst vor Ort Verantwortung übernehmen sollte“, sagt Klimaschutzreferentin Munga und stellt fest, dass es bei den meisten kleinen und mittleren Unternehmen aktuell oft noch zahlreiche Möglichkeiten zur aktiven CO2-Minderung gebe, sei es durch das Einsparen von Energie oder den Ausbau der Erneuerbaren etwa durch eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung.
Auch bei der Mobilität der Mitarbeiter gibt es viele konstruktive Ansätze, die Treibhausbilanz des Unternehmens zu optimieren (vgl. Beitrag „Weniger ist mehr“, WIS 2/2023). Bei uns melden sich immer wieder Unternehmen, die sagen, wir haben auch Wald, wir wollen den pflegen oder aufforsten. Das ist eine super Sache. Selbst wenn es keine CO2–Zertifikate generiert, kann man dies dennoch in der Nachhaltigkeitskommunikation verwenden.“
Gleichwohl gebe es Fälle, in denen auch heute eine Zertifikatelösung sinnvoll sein könne. „Wenn ich als Unternehmen ein Produkt habe, dass ich an Endverbaucher verkaufe, ist vielleicht wichtig, dass dort ‚klimaneutrales Produkt‘ draufsteht, weil der Endkunde sich damit identifiziert. Wenn ich mit meiner Leistung an einer anderen Stelle der Lieferkette befinde, gibt es andere Maßnahmen, die ich ergreifen kann“, sagt Munga. Denn eine weitere Crux bei Zertifikaten: Klimaneu-tralität „erkaufen“ lässt sich immer nur für ein Jahr. Danach muss wieder investiert werden. „Eine Photovoltaikanlage schafft man sich hingegen nur einmal an. Klar, es braucht ein bisschen Zeit, bis die sich amortisiert – aber dafür hat man langfristig was davon“, stellt Jil Munga abschließend fest.
Text: Daniela Becker
Bild: Adobe Stock/lassedesignen