Es vergeht zurzeit kein Tag, an dem nicht Anrufe aufgeschreckter Unternehmen bei den Exportabteilungen der Industrie- und Handelskammern eingehen, die sich um das Thema A1-Bescheinigungen drehen. Diese Bescheinigung weist nach, dass ein ins Ausland entsandter Mitarbeiter oder der Unternehmer selbst, der beruflich ins Ausland reist, im Inland sozialversichert ist.
Sie gilt für Entsendungen innerhalb der Europäischen Union, in die Schweiz, nach Liechtenstein, Norwegen und Island (die EWR-Staaten). Jeder auch nur kurzfristige Grenzübertritt aus geschäftlichem Anlass bedarf einer A1-Bescheinigung. Damit sind zum Beispiel auch Messebesuche, Kongressteilnahmen oder kurze Besprechungen bei ausländischen Niederlassungen oder Geschäftspartnern betroffen. Frédéric Carrière von der IHK Südlicher Oberrhein, Jörg Hermle von der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und Uwe Böhm von der IHK Hochrhein-Bodensee stellen übereinstimmend fest, dass die A1-Bescheinigung, die zwar seit Jahren Pflicht ist, aber lange in den europäischen Ländern kaum überprüft wurde, inzwischen verstärkt von kontrollierenden Institutionen (zum Beispiel den Zollbehörden) nachgefragt wird. Anfänglich hat das vor allem Frankreich betroffen, mittlerweile jedoch auch Österreich, Italien, die Benelux-Staaten und osteuropäische Länder. Die Bescheinigung muss jeder Mitarbeiter beziehungsweise jeder Selbstständige, der auf Geschäftsreise im Ausland ist, bei sich tragen. Bußgelder können je nach Land empfindlich sein, bis zu mehreren tausend Euro, führt man die Bescheinigung nicht mit.
Die Einrichtungen, die in Deutschland die A1-Bescheinigung ausstellen, sind die Krankenkassen beziehungsweise bei Privatversicherten die Rententräger. Und seit dem ersten Januar 2019 ist eine elektronische Beantragung für Arbeitgeber verpflichtend. Eigentlich sollte dann innerhalb weniger Tage die A1-Bescheinigung ausgestellt sein, momentan kann dies jedoch noch länger dauern, so Frédéric Carrière. Für die Unternehmen bedeutet die vermehrte Kontrolle der A1-Bescheinigung im Ausland großen bürokratischen Aufwand.
So rechnet etwa Frank Pfister, Geschäftsführer des Unternehmens CVS Engineering in Rheinfelden – Hersteller von Kompressoren und Vakuumpumpen mit 70 Mitarbeitern -, mit einer Stunde Aufwand pro Mitarbeiter für die Personalabteilung. Er hat eine Mitarbeiterin eingestellt, deren Arbeitstag etwa zur Hälfte mit den Anträgen für die A1-Bescheinigungen ausgefüllt ist. Er schätzt die jährlichen Kosten auf circa 30.000 Euro. Für ihn könnte die Lösung eine europaweite Sozialversicherungsnummer sein. Der Unternehmer berichtet von großen Reibungsverlusten im Betrieb, vom Problem des Datenschutzes, und er äußert auch den Verdacht, dass mit der abschreckend großen Bürokratie einzelne Staaten ihre Märkte schützen wollen.
Ärgerlich
Nachdem wir in der Septemberausgabe unserer Zeitschrift über die Probleme mit der Entsendung von Mitarbeitern nach Frankreich berichtet hatten, ist die Pflicht zur Mitführung der A1-Bescheinigung, die jetzt verstärkt kontrolliert und auch sanktioniert wird, ein weiteres Beispiel zunehmender und ärgerlicher Bürokratie im Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland. So berechtigt die Überprüfung von Sozialstandards innerhalb der EU ist, so wäre es doch wünschenswert, dass Kurzeinsätze, etwa bei schnell nötigen Reparaturen, von der Pflicht ausgenommen würden. Ebenso sollten die Vorschriften der einzelnen Länder für die Entsendung untereinander harmonisiert werden. Beides läge im Sinn der vier Grundfreiheiten der EU.
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Michael Sax, Leiter des technischen Service bei der Firma Weberhaus in Rheinau-Linx, bezeichnet den Aufwand pro einzelner A1-Bescheinigung, den die Firma treiben muss, als überschaubar. Dafür sorgen die guten Kontakte zu den vielen Krankenversicherungen, die die Personalabteilung aufgebaut hat. Das Problem sei vielmehr die Vielzahl der Bescheinigungen, die nötig sind. „Die Summe macht´s“, sagt Sax. 15 bis 20 Mitarbeiter arbeiten im Schnitt auf einer Baustelle. Weberhaus errichtet 20 Prozent seiner Häuser (circa 150 von insgesamt 750 pro Jahr) im Ausland, speziell in Luxemburg, Österreich, Frankreich und England. Für jeden Entsandten ist eine A1-Bescheinigung nötig. So kommen viele hundert pro Jahr zusammen (das Unternehmen beschäftigt circa 1.200 Mitarbeiter). Auch Sax rechnet mit einer halben Stelle pro Jahr für die Bearbeitung der Bescheinigungen. Die Kontrollen der ausländischen Behörden nehmen nach Sax Beobachtung seit ein bis zwei Jahren zu. Schwierig zu durchschauen seien anfänglich auch die Onlineportale der jeweiligen Behörden im Ausland: „Da bekommt man schon Schweißperlen auf die Stirn“, so Sax.
Ähnlich ist das Bild bei der Firma Frei Lacke (570 Mitarbeiter) in Döggingen. „Die A1-Bescheinigung beschäftigt uns gut“, berichtet Victoria Amann, Personalmitarbeiterin bei dem Unternehmen. Die Anwendungstechniker von Frei sind viel unterwegs, Amann stellt täglich zwei bis drei Anträge bei den ausstellenden Einrichtungen. Sie hat noch ein weiteres Problem: Bescheinigungen und Erlaubnisse einzuholen, die über die EU hinausgehen. Denn einige der Anwendungstechniker sind in über 50 Ländern pro Jahr unterwegs. Das bedeutet, dass sie alle paar Tage woanders tätig sind, sei dies in China, den USA oder Mexiko. Optimal wäre es für Victoria Amann, wenn die Pflicht zur A1-Bescheinigung wegfallen würde oder zumindest nicht jede kurze Reise einer Bescheinigung bedürfte.
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Bild: Hasselblad H5D
Informationen und Merkblätter, die weitere Einzelheiten der Bestimmungen zur A1-Bescheinigung erläutern wie beispielsweise die Dauer der Gültigkeit, Mehrfachbeschäftigungen, A1-Bescheinigung für mehrere europäische Länder, Durchfahrt in ein anderes Land et cetera gibt es bei den IHKs:
IHK Hochrhein-Bodensee: Lena Gatz
Telefon: 07622 3907-268
Mail: lena.gatz@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Jörg Hermle
Telefon: 07721 922-123
Mail: hermle@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein: Frédéric Carrière
Telefon: 07821 2703-650
Mail: frederic.carriere@freiburg.ihk.de.