Welche Möglichkeiten sehen die Verantwortlichen, wenn es um Wasserstoff als Energielieferant in der Logistik geht? Diese Frage wurde im Kurhaus von Titisee nicht nur gestellt, sondern auch beantwortet. Und das auf unterschiedliche Weise und aus unterschiedlicher Perspektive.
Verhalten positiv – so war die Stimmung im Kurhaus von Titisee nach der gemeinsamen Veranstaltung der drei IHKn Hochrhein-Bodensee, Südlicher Oberrhein und Schwarzwald-Baar-Heuberg zusammen mit der „Trinationalen Wasserstoff Initiative 3H2“. „Wasserstoff in der Logistik – Potenziale und Herausforderungen“ lautete deren Titel. Rund 80 Interessierte aus den Kammergebieten durften sich über anregende Beiträge und den anschließenden Erfahrungsaustausch freuen.
Nach der Begrüßung durch Alexander Graf, Geschäftsführer des Geschäftsfeldes „Region entwickeln“der IHK Hochrhein-Bodensee, hat Michael Bäumle deutlich gemacht, welche Erwartungen er mit diesem Forum verknüpft. „Wir möchten von Euch lernen“, sagte der Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition und Vorsitzender des Verkehrsausschusses der IHK Hochrhein-Bodensee an die Referenten gerichtet. Und sie sind seiner Bitte nachgekommen. Dabei war der Nachmittag thematisch geteilt in einen theoretischen und einen praktischen Abschnitt.
Kaum Angebote für Unternehmen
Volker Banhardt, Senior Manager bei der „e-mobil BW GmbH“, hat mit seinem Vortrag eine Grundlage für die weitere Diskussion gelegt. Klar wurde während seiner Präsentation zum aktuellen Stand in Sachen Wasserstoff in Baden-Württemberg, dass es kaum Angebote für Unternehmen gibt: Nur wenige Lkw-Hersteller haben Fahrzeuge im Angebot, viele befinden sich erst in der Probephase. Für Banhardt steht dennoch außer Frage, „dass dies ein kommender Markt und wachsender Markt ist“.
„Kann die Schweiz ein Vorbild für die Logistik in Baden-Württemberg sein?“; mit dieser Frage wurde der Beitrag von Bernhard Wüest eingeleitet. Er ist Geschäftsführer des Fördervereins „H2 Mobilität Schweiz“, der sich aktiv für Wasserstoffprojekte im Nachbarland einsetzt. Schon 2016 hat der Verein die erste Wasserstofftankstelle in der Schweiz initiiert. Die seither gesammelten Erfahrungen fließen in die Weiterentwicklung, um das Tankstellennetz auszubauen, aber auch in den Betrieb von entsprechenden Lkw. Dabei wirkt er als verbindendes Element vieler Partner im „Ökosystem Wasserstoff“. Doch das System weist, sagt Wüest, „viele Knackpunkte“ auf. Von den 2018 angekündigten 1.000 H2-Lkw seien gerade einmal 48 ausgeliefert worden, und das Tankstellennetz sei kaum belastbar. „Wir haben hier ein typisches Henne-Ei-Problem“, konstatierte er.
Clusterbildung oder Eigenversorgung
Theoretisch wurde es beim Vortrag von Tobias Eißler: Der Projektingenieur vom Fraunhofer Institut ISE hat die „Kosteneinflussfaktoren auf die Wasserstoff-Versorgung von Fahrzeugflotten“ vorgestellt. Ein Ergebnis: je kleiner die Tankstelle, desto höher die anteiligen Kosten – also zuzüglich zu den Preisen für den Wasserstoff. Das hängt mit den Kosten für Transport und Lagerung zusammen. Mögliche Lösungen seien daher die Clusterbildung oder, wenn es die Betriebsgröße zulässt, die Eigenversorgung mittels Elektrolyseur.
Alexander Klee, Leiter des Fuhrparkmanagements bei der Bächle Logistics GmbH, hat in seinem Erfahrungsbericht über das Arbeiten mit H2-Lkw in der vorhandenen Infrastruktur deutlich gemacht, dass es Luft nach oben gebe: „Alle wollen Wasserstoff, aber keiner möchte sich an den Kosten beteiligen.“ Ärgerlich sei, dass es kein verlässliches Tankstellennetz gebe: Immer wieder komme es vor, dass eine Tankstelle kein H2 mehr habe, was zu zusätzlichen Kosten, etwa für Übernachtungen des Fahrpersonals, führe. Man könne nicht einfach zur nächsten Tankstelle fahren, dafür sei das Netz zu dünn. Ihr Wasserstoff-Lkw, der bisher im deutsch-schweizerischen Grenzverkehr eingesetzt wurde, fahre jetzt in Nordrhein-Westfalen. Seine Forderung: „Wir brauchen klare Ansagen von der Politik, ansonsten sehe ich da wenig Sinn drin.“
Einen kleinen Hoffnungsschimmer haben Alois Eckert, Geschäftsführer von Eckert Transport + Logistik in Albbruck, und Günther Städler, Geschäftsführer der Badischen Rheingas, vermittelt. Sie planen einen Wasserstoff-Hub in Albbruck inklusive Tankinfrastruktur und Trailer-Abfüllung. Dazu soll unter anderem – in Kooperation mit der Badenova-Netze GmbH – eine Wasserstoff-Leitung von Albbruck bis Waldshut gebaut werden, die auch ans Schweizer Netz angedockt werden soll.
Geringerer Wartungsaufwand und Verschleiß
Dass sich Wasserstoff im Schwerlastnutzverkehr sinnvoll einsetzen lässt, berichtete Peter Krause von der ASF aus Freiburg. Schon jetzt werden 15 der 22 eingesetzten Lkw für das Müllsammeln mit Wasserstoff betrieben. Laut Krause habe es bei den neuen Fahrzeugen „Kinderkrankheiten“ gegeben, positiv sei allerdings hervorzuheben, dass es „einen geringeren Wartungsaufwand gegenüber Dieselfahrzeugen und einen geringeren Verschleiß von Bremsbelägen“ gegeben habe. Dazu kämen positive Rückmeldungen von Personal und Bürgerschaft wie die geringere Lärmemission und keine Belastung mehr durch Abgase.
Diese und weitere Benefits hat auch Lina Bisswanger, Produktmanagerin bei Still, geltend gemacht: Das Unternehmen aus Hamburg produziert nicht nur Flurförderzeuge mit Brennstoffzellensystemen, sondern treibt diese Technik bewusst voran – „seit 2003 ist das für uns ein vertrautes Gebiet“. Die Referentin hat dazu ein Projekt vorgestellt, das Still mit einer französischen Handelskette initiiert hatte: Dort wurden 137 batteriebetriebene Lagertechnik-Fahrzeuge durch Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnik getauscht. Anstelle eines umständlichen Batteriewechsels sei das Betanken nun einfach und „in maximal drei Minuten erledigt“: Dazu komme, dass eine Zapfsäule, der sogenannte Dispenser, nur zwei Quadratmeter Fläche benötige. „Sämtliche Batterieladeflächen entfallen und können für Produktions- oder Lagerflächen genutzt werden.“
Zum Abschluss des Nachmittags hat Oliver Jochum von den Klimapartnern Südbaden die „Trinationale Wasserstoff Initiative 3H2“ vorgestellt. Sie „bündelt und kommuniziert Wasserstoff-Informationen“ und versteht sich als zentraler Knotenpunkt für alle Aktivitäten rund um Wasserstoff im Dreiländereck. Dazu tragen unterschiedliche Institutionen und Firmen bei. „Lassen Sie uns zusammen anpacken“, rief Jochum den Teilnehmenden im Kurhaus am Ende seines Vortrags zu. Die vielen Gespräche im Anschluss haben deutlich gemacht, dass die Zuversicht weiterhin vorhanden ist.
Text: Patrick Merck
Bild: Adobe Stock – j-mel
Bilder: Tobias Eissler vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme hat eine Studie zu den Kostenfaktoren bei der Wasserstoffversorgung von Fahrzeugflotten präsentiert. (oben)
Nach ihren Vorträgen haben sich die Referenten – wie hier Still-Produktmanagerin Lina Bisswanger – im Foyer des Kurhauses den Fragen der Besucher gestellt. (unten)