Während der Coronapandemie erfüllten sich zahlreiche Arbeitnehmer den Traum vom Vierbeiner – Homeoffice sei Dank. Für viele heißt es jetzt aber wieder: Zurück an den Schreibtisch in der Firma. Was Unternehmer wissen sollten, wenn Mitarbeiter mit dem Thema Bürohund auf sie zukommen.
Seit diesem Frühjahr unterstützt der neunjährige Beppo an drei Tagen die Woche die HochschwarzwaldDirekt, das digitale Service- und Beratungscenter der Sparkasse Hochschwarzwald in Kirchzarten – als Netzwerker, Feel-Good-Manager und Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Dass er dabei kaum auffällt und seine Aufgaben wortwörtlich im Schlaf erledigt, ist Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Denn: Beppo ist der erste Bürohund vor Ort. Ein Hund in der Bank, geht das? Diese Frage stellte sich auch Besitzerin Claudia Bazzan als ihre Betreuungslösungen wegbrachen: „Da Beppo nicht über Stunden hinweg allein zu Hause bleiben kann, hatte ich zwei Optionen – ihn mitnehmen oder den Arbeitgeber wechseln.“ Sie entschied sich für ein offenes Gespräch mit ihren Vorgesetzten. Diese reagierten positiv und einen Probearbeitstag später startete das Pilotprojekt Bürohund.
Leo - Ruhepol im Arbeitsalltag
Christa Porten-Wollersheim, Inhaberin des Freiburger Unternehmens Fitalmanagement, und ihr Leo sind ein starkes Duo. Wie der Hund den Arbeitsalltag prägt, erzählt sie im Interview.
Ein Thema, das mit dem Ende der allgemeinen Homeofficepflicht im März und der zunehmenden Entspannung der Coronalage auch in anderen Unternehmen aufschlagen könnte. Viele Deutsche haben sich in jüngster Vergangenheit einen Hund zugelegt. Die Tierschutzorganisation Tasso zum Beispiel meldete von 2019 auf 2020 einen Anstieg der bei ihr registrierten Hunde um 25 Prozent, in „normalen“ Jahren sei es im Schnitt ein Plus von vier Prozent. Mit der Rückkehr ins Büro könnte so mancher Neu-Hundebesitzer vor der Frage stehen, wohin mit dem Vierbeiner während der Arbeitszeit. Und Unternehmen könnten sich zunehmend mit der Frage konfrontiert sehen, ob das Tier mit ins Büro darf.
Grundsätzlich gilt schon mal: Mitarbeiter dürfen ihre Vierbeiner nicht einfach mitbringen. Die Entscheidung obliegt den Arbeitgebern. Da diese sowohl das Weisungsrecht nach Paragraf 106 Gewerbeordnung als auch das Hausrecht innehaben, müssen sie um Erlaubnis gefragt werden. Ausnahmen können Beschäftigte sein, die etwa aus gesundheitlichen Gründen auf einen Hund angewiesen sind. Fragt der Mitarbeiter nicht nach oder widersetzt sich der Entscheidung, kann eine Abmahnung oder sogar verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Zudem steht es dem Unternehmen frei, seine Erlaubnis zu widerrufen.
Wer seinen Mitarbeitern Bürohunde ermöglichen möchte, muss laut TÜV Nord verschiedene Rechtsgebiete beachten. Dazu zählen unter anderem Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit, Hygieneverordnung, Infektionsschutz, Tierschutz und das Schwerbehindertengesetz.
Pluspunkt als Arbeitgeber
Dass die Entscheidung für einen Bürohund Haltern wie Unternehmen handfeste Vorteile bringen kann, weiß Lucas Lickert, Leiter Vorstandsstab und Eigenhandel der Sparkasse Hochschwarzwald: „Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist uns wichtig. Wir ermöglichen vieles und sind offen für neue Ansätze. Im Fall von Frau Bazzan konnten wir eine gute Mitarbeiterin halten und uns als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Zwei essenzielle Aspekte mit Blick auf den angespannten Fachkräftemarkt.“
Weitere Pluspunkte gibt es bei der Arbeitszeitgestaltung: „Da ich zwei Stunden Mittagspause mache, um mit Beppo spazieren zu gehen, kann ich die Früh- und Spätschicht gut abdecken, was andere Kollegen entlastet“, sagt Claudia Bazzan. „Ist Beppo mit dabei, bin ich zudem flexibler einsetzbar, wenn jemand krank ist oder wegen der Kinder zu Hause bleiben muss.“
Rücksichtsvollen Umgang sicherstellen
Hundematte neben dem Schreibtisch, Fusselbürsten in allen Büros und Erste-Hilfe-Sets für allergische Notfälle: Zum Einstand von Beppo hat Claudia Bazzan an alles gedacht. Damit sich die Kollegen durch ihn nicht gestört fühlen, nimmt sie in Zeiten des Fellwechsels zwischendurch auch mal den Staubsauger in die Hand und zieht Beppo bei schlechtem Wetter den Regenmantel über. Im Büro soll es schließlich nicht nach nassem Hund riechen. Unternehmen, die ihr Okay für einen Bürohund erwägen, sollten eine solche Rücksichtnahme nicht dem Zufall oder den guten Umgangsformen des Mitarbeiters überlassen, sondern sie zur Bedingung für die Zustimmung machen.
Wie wichtig ein rücksichtsvoller Umgang für alle Beteiligten ist, weiß auch Thomas Bierer, Hundetrainer und Inhaber von Toms Hundewelt. Wer sein Büro in Riegel am Kaiserstuhl betritt, wird unter anderem von Rottweilerhündin Seker begrüßt – und muss einige Streicheleinheiten als Wegezoll bezahlen. Bierer ist überzeugt, dass der Arbeitsalltag mit Vierbeiner im Büro gut funktionieren kann. Vorausgesetzt, dieser ist sozialverträglich mit Menschen und weder allzu leicht zu erregen und noch besonders territorial motiviert. „Wenn ein Herdenschutzhund, etwa ein Kangal mit 80 Zentimetern Schulterhöhe und einem Gewicht von 70 Kilogramm, den Arbeitsplatz des Frauchens in deren Abwesenheit bewacht und niemand anderen in den Raum lässt, wird es kompliziert“, sagt Bierer und schmunzelt wissend. So etwas muss natürlich im Vorfeld sorgfältig besprochen werden. Der Arbeitgeber ist schließlich für das Wohlergehen und die Sicherheit auch der anderen Mitarbeiter verantwortlich.
Eine Frage des Handlings
Damit sich ein Hund gut in die Abläufe vor Ort einpasst, sei das richtige Management entscheidend. „Hunde ruhen 18 bis 20 Stunden am Tag und brauchen diese Auszeit ebenso wie einen Rückzugsort“, erklärt der Hundetrainer. „Das heißt aber explizit nicht, dass sie in eine geschlossene Box gesperrt oder über mehrere Stunden hinweg mit kurzer Leine angebunden werden dürfen. Beides ist tierschutzwidrig.“ Ein weiterer zentraler Aspekt sei das Platzangebot vor Ort, sagt er und meint damit: Erlauben Unternehmen mehrere Hunde im Büro, ist es wichtig zu bedenken, dass diese im Zweifel räumlich voneinander zu trennen sein müssen.
Zudem rät Thomas Bierer Firmen dazu, klare Übereinkünfte mit ihren Angestellten zu treffen: „Die Halter sind dafür verantwortlich, dass ihre Tiere die Arbeitsabläufe nicht stören und sich diese trotz Terminstress, Meetings und Videokonferenzen ausreichend oft lösen können. Dritte sollten sich nicht darum kümmern müssen, die Grundbedürfnisse der Hunde zu erfüllen.“
Türöffner mit der kalten Schnauze
Feste Regeln gibt es auch in der Grünwälderstraße in der Freiburger Innenstadt. Dort betreibt Sarah Bender ihre Hundeboutique „Endless love“, ihre Rhodesien-Ridgeback-Rüden Kenai und Layos begleiten sie zwei Mal die Woche dorthin. Beide haben ihre Plätze in einem geschützten Bereich im gläsernen Büro innerhalb des Verkaufsraums. Die 42-Jährige hat die Hunde bewusst so positioniert, dass sie nicht den ganzen Laden im Blick haben: „Sie sollen nicht das Gefühl bekommen, ständig auf alles aufpassen zu müssen. Zudem mögen sie es nicht immer, von jedem gestreichelt zu werden. Aber das ist ok, da auch nicht alle Kunden von ihnen begrüßt werden wollen.“ Dass sich beide Hunde ins Büro zurückziehen können, erleichtere ihr auch den Spagat zwischen Kundenberatung und Hundebetreuung. Ob sie es anderen Einzelhändlern empfehlen würde, die Vierbeiner mit ins Geschäft zu nehmen? „Absolut. Einfach ausprobieren.“
Das rät sie auch Vorgesetzten, die von ihren Mitarbeitern auf das Thema angesprochen werden. Denn Sarah Bender kennt das Thema Bürohund aus beiden Perspektiven. Bevor sie sich selbstständig machte, arbeitete sie als Rechtsanwaltsfachangestellte und hatte schon damals ihren ersten Hund Kenai dabei. Für die Mandanten sei das unproblematisch gewesen. „Häufig war es durch ihn sogar besser möglich, mit reservierten Personen ins Gespräch zu kommen. Zumal er das Image der spießigen Anwaltsbranche aufgehoben hat. Das kam gut an“, erinnert sich Sarah Bender.
Schreiben Sie uns!
Sie haben auch einen Hund im Unternehmen? Wie haben Sie das mit den Mitarbeitern geregelt? Was erleben Sie mit ihm?
Schreiben Sie uns – gerne mit Foto (vom Hund, vom Team) – und wir stellen ihn in einer der kommenden Ausgaben vor:
wis@freiburg.ihk.de
Erfahrungen sammeln, individuelle Regeln festlegen
Und wie ist der Stand des Pilotprojekts in Kirchzarten? „Die Rückmeldungen aus dem Team sind durchweg positiv“, erklärt Lucas Lickert. „Es hat sich schnell gezeigt, dass Beppo den Austausch zwischen den Kollegen intensiviert hat. Einige kommen mal zum Streicheln ins Büro, andere schließen sich der Gassirunde in der Mittagspause an.“
Die Sparkasse Hochschwarzwald wird die Erfahrungen mit Beppo auswerten und festlegen, welche Parameter für sie individuell wichtig sind – dazu zählen unter anderem die Tätigkeit des Mitarbeiters und das Wesen des Hundes. Lucas Lickert geht davon aus, dass am Ende – ähnlich wie beim Angebot des mobilen Arbeitens – im Einzelfall entschieden wird, ob Beppo tierische Kollegen bekommt.
Text: ks
Bilder: Adobe Stock, Lightfield Studios/Ulla Rudolphi-Kaiser
Bild (Oben): Claudia Bazzan und Beppo.
Bild (Mitte): Hundetrainer Thomas Bierer mit den Hündinnen Serker und Elif.
Bild (Unten): Sarah Bender
Gut zu wissen
Für den Ernstfall vorsorgen: Verursacht der Hund Vermögens-, Sach- und Personenschäden, haftet grundsätzlich der Halter – nicht das Unternehmen. Genaueres regelt Paragraf 833 BGB (Haftung des Tierhalters). Um bei Schäden auf der sicheren Seite zu sein, sollten Unternehmen den Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung durch den Mitarbeiter zur Bedingung für ihre Zustimmung machen.
Gleiches Recht für alle? Obwohl der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt, müssen Unternehmen nicht allen Mitarbeitern einen Hund am Arbeitsplatz erlauben. Neben Sicherheits- und Hygienevorschriften können auch sachliche Gründe dagegensprechen. Diese können zum Beispiel vorliegen, wenn Mitglieder eines Teams auf Hundehaare allergisch reagieren oder Angst vor Hunden haben und in einem anderen Team nicht. Auch die Frage, ob Kundenkontakt besteht oder nicht, zählt dazu.
Offene Gespräche führen: Konflike lassen sich vermeiden, wenn im Team vorab transparent besprochen wird, welche Verhaltensweisen als störend empfunden werden – von beiden Seiten.
Erlaubnis dokumentieren: Nach Paragraf 106 Gewerbeordnung haben Arbeitgeber das Weisungsrecht gegenüber ihrer Belegschaft inne. Zudem obliegt ihnen das Hausrecht. Heißt: Ob und unter welchen Umständen sie Hunde in ihren Räumen dulden, entscheiden Unternehmen selbst. Wird ein Hund erlaubt, sollten Arbeitgeber die Rahmenbedingungen mit den Hundehaltern in separaten Verträgen oder, wenn übergreifend, in einer Betriebsvereinbarung festhalten. Diese können etwa Haftungsfragen regeln oder definieren, wo sich der Hund aufhalten darf.
Es passt nicht (mehr) – und nun? Liegen sachliche Gründe vor, können Arbeitgeber ihr Einverständnis für den Bürohund auch widerrufen. Etwa, wenn ein neuer Kollege ins Team kommt, der eine Hundehaarallergie oder Angst vor dem Tier hat. In diesen Fällen greift die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
ks