Influencer sind die neuen (digitalen) Meinungsmacher. Von ihrer Überzeugungskraft können Unternehmen aller Größen und Branchen profitieren. Wir erklären, worum es geht.
Einmal im Monat bricht Entertainer und Moderator Hansy Vogt mit Jung und Alt zur Genusstour auf, als offizieller Schwarzwaldbotschafter im Auftrag der Freiburger Schwarzwald Tourismus GmbH. Wenn er mit seinen Gästen nicht gerade zu verschiedenen Ausflugszielen wandert, nimmt er sie mit auf Planwagenfahrt oder besichtigt mit ihnen Traditionsunternehmen. Für das leibliche Wohl sorgen ausreichend Pausen, in denen sich alle mit regionalen Spezialitäten stärken können. „Testimonials wie er helfen uns, für die Region charakteristische Aspekte authentisch zu vermarkten – in diesem Fall etwa Wandern, Kulinarik und Wein“, sagt Geschäftsführer Hansjörg Mair über die Zusammenarbeit mit dem Mittfünfziger. Je nach Zielgruppe und Thema kooperiert das Unternehmen mit unterschiedlichen Fürsprechern – so etwa Parkour- und Freerunning-Profi Andy Haug oder Instagrammerin Sabine Hötzel – und verlagert seine Marketingaktivitäten von der realen Welt ins Internet. „Indem unsere Markenbotschafter kurze Videoclips oder Fotos aufnehmen und diese über Instagram, Facebook und Co. mit ihren Anhängern teilen, lassen sie diese live an ihren Erlebnissen teilhaben. Das kommt gut an“, ergänzt Jutta Ulrich, die die Unternehmenskommunikation bei Schwarzwald Tourismus leitet.
»Wir prüfen genau, inwieweit (…) Follower unsere Zielgruppen abdecken und ob sie mit ihren Werten unseren Markencharakter stärken«
Jutta Ulrich, Schwarzwald Tourismus GmbH
Gezielte Werbung im Netz
Influencer (vom Englischen to influence, zu Deutsch beeinflussen) sind Multiplikatoren, die unter anderem mit Kurzvideos, Texten oder Bilderstrecken die Werbetrommel für die Produkte und Dienstleistungen ihrer Auftraggeber rühren. Dabei sind sie überwiegend in sozialen Netzwerken aktiv – von Pinterest über Youtube bis Linkedin. Geht es nach Maximilian Beichert und Andreas Bayerl, Wissenschaftler von der Universität Mannheim, liegt deren Erfolgsgeheimnis im persönlichen Bezug zu ihren Anhängern, ihren Followern. „Influencer und ihre Follower interessieren sich für die gleichen Themen oder stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Da Influencer viel Alltägliches teilen, kann bei Followern schnell der Eindruck entstehen, die Personen hinter den Social-Media-Accounts zu kennen. Berichten diese dann positiv über ihre Erfahrungen mit Make-up, Autoreifen oder Teesorten, vertrauen Follower deren Empfehlungen und kaufen die Produkte bestenfalls nach“, sagt Andreas Bayerl. Damit seien Influencer eine attraktive Schnittstelle, über die Unternehmen ihre Wunschkunden orts- und zeitunabhängig ansprechen können, vor allem aber gezielter erreichen, als es derzeit mit digitaler Werbung möglich sei: „Werbeblocker und individualisierbare Cookie-Einstellungen erschweren personenbezogene Werbung im Netz. Viele Menschen nehmen Werbebanner, deren Preise jüngst stark gestiegen sind, auch nicht mehr als solche wahr. Influencer-Marketing bietet daher eine Option, diese Entwicklung zu umgehen“, weiß Maximilian Beichert.
Budgets richtig investieren
Laut den Mannheimer Forschern ist Influencer-Marketing aktuell der am stärksten wachsende Werbekanal. Seit 2010 habe er sich weltweit auf 13,8 Milliarden US-Dollar verzehnfacht. Dieser Trend spiegelt sich auch in der Umfrage „Influencer Marketing in Unternehmen“ des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) von April 2021 wider: Gaben 2018 nur sechs Prozent der 109 befragten Social-Media- und Influencer-Marketing-Verantwortlichen an, hierfür mehr als 250.000 Euro vorgesehen zu haben, waren es 2020 bereits mehr als doppelt so viele (14 Prozent). Auch die Anzahl derer, die immerhin noch mehr als 100.000 Euro Budget einplanten, wuchs – von sechs Prozent in 2018 auf 11 Prozent in 2020.
Ob Unternehmen ihr Budget besser in kleine oder große Accounts investieren, hängt für Andreas Bayerl von deren Zielen ab: „Reichweitenstarke Influencer in der Kategorie von mehreren hunderttausenden Followern haben den Vorteil, dass sie viel Aufmerksamkeit für Angebote erzeugen können. Nano- oder Micro-Influencer, denen zwischen 1.000 und 50.000 Personen folgen, erreichen zwar nicht so viele Menschen, dafür verkaufen sie besser.“ Die Wissenschaftler verweisen hierfür auf ihre eigene Forschung, in der sie mehrere zehntausende Postings mitsamt durchschnittlichen Preisen und Verkaufszahlen in den Jahren 2020 und 2021 auswerteten: Unternehmen mussten für einen Post von Influencern mit rund 100.000 Followern rund 500 Euro bezahlen. Im Gegenzug schafften es diese, über eine entsprechende Verlinkung 66 Produkte zu verkaufen. Influencer mit rund 4.000 Followern hingegen verkauften pro Werbebeitrag, der etwa 80 Euro kostete, 29 Produkte. Ihre Begründung: Aufgrund der geringeren Anzahl an Followern könnten Micro-Influencer besser mit ihren Anhängern interagieren und so engere und intimere Beziehung aufbauen.
»Der ‚Creator‘ kennt seine Follower am besten. Er weiß, was funktioniert, gut ankommt und was nicht«
Lukas Staier alias „Cossu“, Entertainer und Influencer
Bild: Markus Schwer
Passenden Influencer finden
Die Gretchenfrage bleibt, welche Influencer zur Marke passen. „Wer keine Kontakte zu Testimonials hat, wird auf Plattformen fündig, die diese vermitteln“, sagt Andreas Bayerl. Maximilian Beichert empfiehlt Unternehmen, sich vorab intensiv mit Influencern und deren Followern zu beschäftigen. Denn wie alle Menschen seien auch diese nicht fehlerfrei: „Äußert sich ein Kooperationspartner rassistisch, sexistisch oder macht durch unlautere Geschäftspraktiken von sich reden, kann dies dem eigenen Ruf schaden“, so Beichert.
Auch Jutta Ulrich und Hansjörg Mair von Schwarzwald Tourismus investieren viel Zeit, um potenzielle Markenbotschafter kennenzulernen und mit ihnen Kampagnenideen zu entwickeln. „Wir prüfen genau, inwieweit deren Follower unsere Zielgruppen abdecken und ob sie mit ihren Werten unseren Markencharakter stärken“, sagt Jutta Ulrich.
Klare Absprachen, kreative Freiheit
Kommt eine Kooperation zustande, werden die Rahmenbedingungen vertraglich festgelegt. „Wir definieren etwa, wie hoch die Bezahlung ist, wie viele Posts ein Influencer veröffentlicht, welche Themen sie abdecken und wann diese erscheinen“, erklärt Ulrich, für die eine strategische Planung auch beim Influencer-Marketing zentral ist. Wie diese aussehe, müsse jedes Unternehmen anhand individueller Ziele selbst entscheiden.
Bei der kreativen Umsetzung lassen Ulrich und Mair den Testimonials dagegen weitestgehend freie Hand. Dass Unternehmen von dieser Haltung profitieren, weiß Lukas Staier. Er tritt als Comedian und Influencer unter dem Namen Cossu auf und gehört ebenfalls zu den „Schwarzwälder Köpfen“ von Schwarzwald Tourismus: „Der ‚Creator‘ kennt seine Follower am besten. Er weiß, was funktioniert, gut ankommt und was nicht. Würde er sich jedem Kunden anpassen und nach dem Mund reden, wäre er bald nur noch eine Projektionsfläche und keine eigene Marke mehr.“ Unterm Strich wäre das kontraproduktiv für Influencer wie Kunden. Unternehmen, denen es schwerfällt, die Kontrolle über das Wording und ihre Außendarstellung abzugeben, rät der Entertainer: „Schauen Sie sich die vorangegangenen Arbeiten des ‚Creators‘ an. Sprechen Sie mit ihm über ihre Bedenken und hören Sie, was er dazu zu sagen hat. Und schlussendlich, vertrauen Sie ihm, denn es ist sein Spezialgebiet!“
Text: ks
Bild: Sebastian Wehrle
Bild: Hansy Vogt ist regelmäßig als offizieller Schwarzwaldbotschafter im Einsatz.
Studie „Influencer Marketing in Unternehmen“ des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) www.bvdw.org Influencer Marketing in Unternehmen 2021
Bundesverband Influencer Marketing e.V. https://bvim.info
Leitfaden zur Werbekennzeichnung www.die-medienanstalten.de – Themen – Werbeaufsicht