Mit dem Ziel, aus der Sole des in den bolivianischen Anden gelegenen Salzsees Salar de Uyuni jährlich 35.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid zu gewinnen, haben die deutsche Firma ACI Systems Alemania GmbH (ACISA) und das bolivianische Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) Mitte Dezember ein Joint Venture gegründet. Die Chefs der beiden Unternehmen, leisteten ihre Unterschriften in Berlin im Beisein hoher Regierungsvertreter beider Länder. Auch das Medieninteresse war groß: kein Wunder, ist Lithium doch ein weltweit hoch begehrter Rohstoff.
Lithium ist elementarer Bestandteil von Lithium-Ionen-Akkus, die fast alle batteriebetriebenen Geräte, vom Smartphone über den Akkuschrauber bis zum Elektrofahrzeug, mit Energie versorgen. Benötigt wird es auch für Speichersysteme von Energie aus regenerativen Quellen. Die Nachfrage soll sich bis 2025 verdoppeln. Eines der weltweit größten Lithiumvorkommen befindet sich am Salar de Uyuni – rund zehn Millionen Tonnen in guter Qualität.
Das Projekt
Das jetzt gegründete Joint Venture – es heißt „YLB ACISA E.M.“ – gehört zu 51 Prozent der bolivianischen Firma und zu 49 Prozent dem deutschen Unternehmen. Ein kleiner Teil der gewonnenen Lithiumhydroxidmenge soll in dem südamerikanischen Land verbleiben und dort – zusammen mit weiteren Ausbaustufen – zum Aufbau einer Produktion von Kathodenmaterial und Batteriesystemen dienen, ein größerer Teil kann exportiert werden. Diese Ausfuhr darf erstmals in Bolivien geschehen, denn die Rohstoffe gehören in diesem Land prinzipiell dem Volk. Dafür musste ein eigenes Gesetz geschaffen werden. Die neue Anlage zur Gewinnung und Herstellung des Lithiumhydroxids soll neben einer bereits bestehenden Anlage für die Produktion von Kaliumchlorid und Lithiumcarbonat, die sich im Besitz von YLB befindet, gebaut werden. Diese Anlage verfügt bereits über große Verdunstungsbecken, aus denen die Restsole stammt, die für die neue Anlage als Basisprodukt dient. Der See muss also nicht extra weiter abgebaut werden. Für die neue Anlage hat ACISA gemeinsam mit im Unterauftrag tätigen Partnern, so der K-UTEC AG Salt Technologies aus Sondershausen in Thüringen, ein weltweit einzigartiges Verfahren entwickelt. Dieses ermöglicht eine sehr hohe Ausbeute. Gleichzeitig verringert das Verfahren den Wasserverbrauch im Vergleich zu den bisher eingesetzten Technologien um rund die Hälfte, so erläutert ACISA-Chef Wolfgang Schmutz. Darüber hinaus werden 20 bis 30 Prozent des Energiebedarfs der Anlage mithilfe eines eigenen Photovoltaikraftwerks, das in der Nachbarschaft gebaut wird, gedeckt. Durch die neue Anlage werden in Bolivien rund tausend direkte qualifizierte Arbeitsstellen sowie 10.000 indirekte Arbeitsplätze entstehen. Für die Bolivianer sehr wichtig ist der Know-how-Transfer von ACISA in Richtung ihres Landes. Dazu zählt, dass es eine Partnerschaft geben wird, um Bolivianer auszubilden. Vorgesehen ist auch eine soziale Stiftung, in die Teile der gemeinsam erwirtschafteten Gewinne fließen sollen, um junge Menschen in Bolivien über eine Art duales Ausbildungssystem auszubilden. Die Finanzierung des Projekts, das ein Investitionsvolumen von circa 300 Millionen Euro erfordert, dürfte laut Schmutz kein Problem sein, es gibt eine ganze Reihe potenzieller Investoren, die sich von dem „weißen Gold“ gewinnbringende Perspektiven erwarten. Die Nachbarn Boliviens wie Chile und Argentinien sind bereits zusammen mit Global Playern in der Produktion von Lithium sehr erfolgreich.
Warum ACISA?
Was aber hat Bolivien veranlasst, sich einen im Verhältnis zu den Global Playern so kleinen Partner wie ACISA auszusuchen? Nach dem bei ACISA umfangreich versammelten Know-how und seinem Transfer sind es typisch deutsche Tugenden wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und die Bereitschaft, die bolivianische Bevölkerung teilhaben zu lassen. Darüber hinaus haben die Bolivianer mit einer ACISA-Schwesterfirma bereits gute Erfahrungen gemacht. Vor drei Jahren hatte sich das Land nach einem Besuch des Staatspräsidenten Evo Morales in Berlin mit der Bitte um Unterstützung beim Aufbau von Anlagen für regenerative Energien auch an Wolfgang Schmutz gewandt, der einer der Photovoltaikpioniere in Deutschland ist. Bolivien wollte eine Photovoltaikindustrie aufbauen. Schmutz hat dafür ein Projekt entwickelt, das letztlich aber nicht umgesetzt wurde, weil dann die Lithiumgewinnung wichtiger wurde. Und schließlich ist der ACISA-Projektleiter in Bolivien, Stefan Kosel, mit einer Bolivianerin verheiratet und in dem Andenland bestens vernetzt.
Wer hinter ACISA steht
Spiritus Rektor und treibende Kraft hinter dem Projekt auf deutscher Seite ist Wolfgang Schmutz (64). Der promovierte Maschinenbauingenieur und Honorarprofessor an der Universität Erlangen/Nürnberg, hat seine berufliche Laufbahn 1980 am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart begonnen. 1990 machte er sich mit der Firma ACR Automation in Cleanroom GmbH selbstständig. Im Jahr 2004 begann er dann, die Firmengruppe ACI (Advanced Clean Innnovations) aufzubauen. Die Gruppe besteht heute aus vier Gesellschaften und beschäftigt am Hauptsitz in Zimmern ob Rottweil und einer Dependance in Ditzingen bei Stuttgart 150 Mitarbeiter. Schmutz ist einer der deutschen Wegbereiter in der Mikroelektronik mit revolutionären Reinraumkonzepten, sorgte dann in der Photovoltaik mit neuen Verschaltungstechnologien für Aufsehen, die in großtechnischen Produktionen von Solarmodulen Anwendung finden. Seit drei Jahren konzentriert er sich auf die Batterieproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstoff Lithium bis hin zu Fertigungsanlagen für Batteriesysteme. Das Branchenspektrum der Kunden der Firmengruppe ist sehr vielfältig. Es umfasst die Automobil- und Zulieferindustrie, die Energie-, Elektronik- und Halbleiterindustrie, den Maschinenbau, die Medizin- , Mikro- und Feinwerktechnik sowie die optische Industrie und die Luft- und Raumfahrtindustrie.
Für das Projekt in Bolivien hat Schmutz die ACI Systems Alemania GmbH (ACISA) gegründet. Die Firma beschäftigt 20 eigene Mitarbeiter und 20 Freiberufler. Der Startschuss für die Anlage am Salar de Uyuni soll im Herbst 2019 mit der Grundsteinlegung erfolgen. Die Produktionseinrichtungen werden zu 90 Prozent in Deutschland, Österreich und der Schweiz gebaut und dann in Bolivien zusammengesetzt. Beginn der Herstellung von Lithiumhydroxid ist zum Jahreswechsel 2021/22 geplant. Auch ist ein weiterer Ausbau der Kapazität vorgesehen. Die jetzt ins Auge gefassten 35.000 bis 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid-Pulver reichen beispielsweise aus, um 800.000 Autobatterien zu bauen.
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