In einer klimafreundlichen Zukunft soll grüner Wasserstoff eine Schüsselrolle unter den Energieträgern spielen – besonders dort, wo erneuerbare Alternativen fehlen oder Elektrifizierung nicht möglich ist. Weil es bislang an einer Gesamtstrategie für die notwendige, auch grenzüberschreitende Versorgungsinfrastruktur fehlt, haben die Bodensee-IHKs eine Studie über den Ist-Zustand auf dem Weg zu einer adäquaten Wasserstoffinfrastruktur anfertigen lassen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.
Grüner Wasserstoff ist längst kein Hype mehr. Er setzt sich als Energieträger und Rohstoff immer stärker durch und spielt in einer zunehmend nachhaltigen Wirtschaft eine wichtige Rolle, insbesondere für den industriell geprägten Wirtschaftsraum Bodensee. So ist es ist keine Frage, ob und wann Wasserstoff eingeführt wird, sondern nur noch wie viel und für welche Anwendungen. Kommt man aktuell noch mit der lokalen Produktion aus, wird man ab 2030 ergänzend nachhaltigen Wasserstoff importieren müssen, um den gesamten Bedarf zu decken. Voraussetzung dafür wird aber die nationale sowie grenzübergreifende Koordination der Wasserstoffinfrastruktur sein.
Die Bodensee-IHKs
Zur Vereinigung der Bodensee-Industrie- und Handelskammern (B-IHK), die die Wasserstoffstudie in Auftrag gegeben haben, gehören die IHKs Hochrhein-Bodensee, Bodensee-Oberschwaben und Schwaben, aus Österreich die Wirtschaftskammer Vorarlberg sowie aus der Schweiz die IHK St.Gallen-Appenzell und die IHK Thurgau.
Infrastruktur gemeinsam planen
Bruchstellen im Versorgungsnetz entlang nationaler Grenzen würden die Versorgungssicherheit der Region als Ganzes beeinträchtigen und wären wirtschaftlich ineffizient, heißt es in der Studie „Wasserstoff für die Bodenseeregion“, die von Markus Friedl, Leiter des Instituts für Energietechnik der OST – Ostschweizer Fachhochschule, im Auftrag der Bodensee-IHKs durchgeführt wurde.
Aus diesem Grund braucht es eine intensivere Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen: Einerseits müssen regulatorische Vorhaben auch in der Schweiz mit denen in der EU abgestimmt werden und in die jeweiligen nationalen Strategien einfließen. Auf der anderen Seite stellt die Studie dar, dass eine koordinierte Planung von Produktion, Import und Nachfrage von großer Bedeutung ist. Darüber müssen sich die relevanten Akteure ebenfalls grenzübergreifend verständigen. „Wenn Wasserstoff eine substanzielle Rolle im Energiemix der Zukunft spielen soll, müssen Erzeugung, Distribution und Anwendungen parallel entwickelt werden. Die nationalen Randlagen haben dabei ein gemeinsames, vitales Interesse an grenzüberschreitender Planung der Infrastruktur. Nicht nationale Grenzen, sondern faktische Verfügbarkeiten einerseits und die Allokation der Bedarfe andererseits sollten dafür maßgebend sein“, sagt Claudius Marx, der bis zum Jahreswechsel Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee war.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass zunächst lokale Initiativen wichtig sind, die noch ohne ein Wasserstoffnetz funktionieren können.
Die Pläne des European Hydrogen Backbone – eine seit 2022 bestehende Initiative von 32 Betreibern von Energieinfrastruktur – sehen vor, die Bodenseeregion bis 2030 von Norden her bis Lindau mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Für die weitere Verteilung könnten bestehende Methanleitungen des Gasnetzes umgenutzt oder parallel neue gebaut werden, heißt es in der Studie weiter.
Während Deutschland und Österreich bereits über strategische Grundlagen zur Nutzung von Wasserstoff verfügen, wird eine solche Strategie in der Schweiz erst erarbeitet und ist bis Ende 2024 zu erwarten. Nach aktuellem Planungsstand ist derzeit aber lediglich eine Wasserstofftransitleitung durch die Schweiz vom Wallis in die Nordwestschweiz vorgesehen. Ein möglicher Anschluss in Lindau bleibt derzeit unbeachtet.
Text: Daniela Santo
Bild: Adobe Stock/Yingyaipumi
Die komplette Studie „Wasserstoff für die Bodenseeregion“ gibt es hier.