Beim Trinationalen Wasserstoff Forum im April in Basel präsentierten Unternehmen ihre Forschung und Vorhaben in Sachen Wasserstofftechnologie. Klar wurde: Es herrscht Aufbruchsstimmung, aber es sind auch noch viele Fragen offen. Welche Projekte in der Region schon am Start sind.

Viel mehr als die ursprünglich angemeldeten 300 Personen strömten Ende April in das Alte Kraftwerk in Basel, um die Frage zu diskutieren „Was benötigt ein Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft im Dreiland?“. Kein Wunder, wird Wasserstoff doch als der Hoffnungsträger der Energiewende gehandelt. „Die Dynamik hat spürbar zugenommen. Mit dem Krieg in der Ukraine merkt man doch deutlich eine Realisierung, dass es bei dem Thema nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um künftige Energieunabhängigkeit geht“, sagte André Olveira-Lenz, Leiter Geschäftsbereich Innovation und Umwelt, der bei der Konferenz in Basel die IHK Südlicher Oberrhein vertrat. Organisiert wurde die Veranstaltung von den Handelskammern beider Basel, der IWB Industrielle Werke Basel sowie der Initiative 3H2.
Vielfältige Anwendung
In seiner reinen Form ist Wasserstoff (H2) ein unsichtbares, geruchloses, ungiftiges Gas und leichter als Luft. In der Natur tritt Wasserstoff nur in gebundener Form auf und muss daher zunächst aus einer chemischen Verbindung gelöst werden. Als große Hoffnung gilt er, weil bei seiner Verbrennung – im Gegensatz zu fossilen Energieträgern – keine schädlichen Emissionen entstehen. Bislang ist die Produktion allerdings alles andere als klimafreundlich. Die häufigste Methode zur Herstellung ist die Dampfreformierung. In der Regel wird dazu Erdgas (CH4) unter Anwendung von Hitze in Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt. Bei einer erdgasbasierten Produktion fallen pro hergestellter Tonne H2 rund zehn Tonnen CO2 an, das in die Atmosphäre abgegeben wird und so den Treibhauseffekt verstärkt.
Der auf diese Weise hergestellte, als „grau“ bezeichnete Wasserstoff wird heute in unterschiedlichsten Bereichen als Rohstoff benötigt, etwa als Kühlmittel in Kraftwerken, als Treib- und Packgas bei Lebensmitteln oder bei der Herstellung von Dünger. Künftig soll Wasserstoff nicht nur zur stofflichen Nutzung dienen, sondern auch als klimafreundlicher Treibstoff im Schwerlastbereich sowie bei Hochtemperaturprozessen wie der Eisen- und Stahlproduktion, wo derzeit noch große Mengen Kohle und Erdgas zum Einsatz kommen.
Wasserstoff ist Energieträger für die Brennstoffzellentechnologie, auf der viele Hoffnungen für Unternehmen aus dem traditionellen Automobilgeschäft liegen. Das Projekt Modularer Brennstoffzellen-Systemprüfstand für die H2-Region Schwarzwald-Baar-Heuberg hat zum Beispiel zum Ziel, einen Beitrag zur Entwicklung und großserienfähigen Produktion zu leisten. Dazu soll eine Infrastruktur für die Region geschaffen werden, die für Unternehmen als zentrale Kompetenzstelle und als Testumgebung für eigene Entwicklungen genutzt werden kann. Das Konsortium umfasst neben der Hochschule Furtwangen die beiden Industrieunternehmen „EKPO Fuel Cell Technologies GmbH“ und „ETO Magnetic GmbH“ sowie das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und die Initiative Zukunftsmobilität.
Auch in der Dekarbonisierung der Flugindustrie liegen große Hoffnungen auf dem durchsichtigen Gas, wie Managing Direktor von Easy Jet Schweiz Jean-Marc Thévenaz verdeutlichte. Gemeinsam mit Rollce Royce forscht die Fluglinie an einem Wasserstoffmotor. „Die bisherigen Tests am Boden sind sehr vielversprechend verlaufen“, berichtete Thévenaz.

Projekt für grünen Wasserstoff in Albbruck
Damit dem Klimaschutz gedient ist, braucht es „grünen Wasserstoff“, der in sogenannten „Elektrolyseuren“ hergestellt wird. Dabei setzt man Strom aus Photovoltaik, Wind- oder Wasserkraft ein, um Wasser (H2O) in Sauer (O2)- und Wasserstoff (H2) aufzuspalten. „Wir brauchen Unmengen von grünem Strom. Eine grüne Wasserstoffwirtschaft kann deswegen nur Hand in Hand gehen mit dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien“, betonte IHK-Experte André Olveira-Lenz in Basel.
Genau dieses Konzept verfolgen die Energieversorger Badenova und RWE in Albbruck. Dort soll bis 2025 eines der bis dato größten Zentren zur Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland entstehen. 100 Millionen Euro wollen die beiden Unternehmen investieren. Die Energie für die Wasserstoff-Elektrolyse wird das bestehende Laufwasserkraftwerk Albbruck-Dogern liefern. Neben dem Strom aus dem Wasserkraftwerk könnte perspektivisch auch Wind- und Solarstrom aus der Region zum Einsatz kommen. Das Wasser für die Elektrolyse soll laut RWE aus dem Grundwasser bezogen werden – insgesamt 80.000 Kubikmeter pro Jahr. Das Kühlwasser für die Anlage wird aus dem Rhein geholt und anschließend wieder dorthin zurückgeleitet. Badenova als Partner des Projekts wird unter anderem für den Vertrieb zuständig sein. Jährlich sollen rund 8.000 Tonnen Wasserstoff produziert werden. Der bei der Elektrolyse in Albbruck entstehende Sauerstoff sowie die Prozesswärme sollen im geplanten Gesundheitspark des Kreises, im neuen Quartier auf dem Areal der früheren Papierfabrik Albbruck (PFA) sowie im benachbarten Verbandsklärwerk genutzt werden.
Länderübergreifende Kooperation
Die beteiligten Firmen versuchen hier im Kleinen ein Wasserstoff-Ökosystem zu schaffen, um das aktuell bestehende Henne-Ei-Problem zu lösen: Der Aufbau von Wasserstoff-Produktionsanlagen und der entsprechenden Infrastruktur ist kapitalintensiv, gleichzeitig gibt es bis dato neben der stofflichen Nutzung wenige Abnehmer für den Wasserstoff, da es noch wenig technische Anwendungen gibt und fossile Kraftstoffe und Erdgas noch immer preisgünstiger sind. „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, groß planen und Geschwindigkeit aufbauen. Politisch muss im Vordergrund stehen, welche Förderanreize gesetzt werden können, damit die Unternehmerschaft entsprechend in die Transformation investiert“, sagte André Olveira-Lenz.
Eindringlicher Tenor in Basel: Die zu bewältigenden Aufgaben seien derart groß, dass dies nur im Schulterschluss über die Landesgrenzen hinweg gelingen könne. Als exemplarisch kann die Kooperation zwischen dem Schweizer Energieversorger „Industrielle Werke Basel“ (IWB) mit der Laufenburger Energiedienst gelten. Die beiden Unternehmen arbeiten seit diesem Jahr im Bereich Produktion und Einsatz von Wasserstoff zusammen, nach dem der IWB der Bau einer eigenen Anlage in Birsfelden nicht genehmigt wurde.
Die Power-to-Gas-Anlage in Grenzach-Wyhlen, Kreis Lörrach, mit einer Leistung von einem Megawatt, hatte Energiedienst bereits 2018 in Rahmen eines Leuchtturmprojekts auf dem Gelände des Wasserkraftwerks Wyhlen errichtet. Gemeinsam mit EnBW soll als „Reallabor H2-Wyhlen“ die bestehende 1-Megawatt-Elektrolyseanlage um fünf Megawatt sowie die benachbarte Versuchsanlage des Forschungsinstituts ZSW auf bis zu einem Megawatt erweitert werden.
Dies wäre dann die bislang größte Wasserstoffproduktion im süddeutschen Raum. Die Gesamtprojektkosten gibt das Konsortium mit rund 40 Millionen Euro an, 15 Millionen Euro kommen aus staatlicher Förderung. Die rund 140 Tonnen Wasserstoff, die bereits in Grenzach-Whylen hergestellt werden, kauft die IWB, um sie bei Pilotprojekten im Raum Basel einzusetzen. „Wir sehen eine große Perspektive im Schwerlastbetrieb“, sagte Dirk Mulzer, COO von IWB.

Ausbau der Infrastruktur noch ganz am Anfang
Ein großes Thema für Mulzer – und aber auch die restlichen Teilnehmer der Konferenz – ist die Frage, wie das Hoffnungs-Gas künftig von A nach B kommt. Dabei geht es sowohl um internationale Transportwege als auch um die lokale Verteilung bis zum Endnutzer.
Für den Sommer hat die deutsche Bundesregierung Details für ein nationales Wasserstoffnetz angekündigt. Bislang gibt es in Deutschland erst drei Wasserstoff-Netze: Im Ruhrgebiet, im Chemiedreieck um Bitterfeld sowie in Schleswig-Holstein. Bestehende Erdgasleitungen können für den flüchtigen Wasserstoff nicht ohne Weiteres verwendet werden. Das Ertüchtigen ist eine Herkulesaufgabe: schließlich ist das Transportnetz von rund 40.000 Kilometern und das Verteilnetz von 470.000 Kilometern Länge weitestgehend unterirdisch verlegt. Für Pilotprojekte wird Wasserstoff aktuell oft noch per Lkw angeliefert.
„Aber das ist kein langfristig tragfähiges Konzept. Wir bemühen uns an den Backbone angeschlossen zu werden“, sagt Mulzer. Damit meint der Unternehmer ein noch zu realisierendes europäisches Fernleitungsnetz, genannt „European Hydrogen Backbone“, (Rückgrat) das bislang eine Vision von 32 europäischen Energieinfrastrukturbetreibern ist. Die Initiative zielt nach eigenen Angaben darauf ab, den Wettbewerb auf dem Markt, die Versorgungssicherheit, die Nachfragesicherheit und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern und ihren Nachbarländern zu fördern. Wo künftig Wasserstoffpipelines verlaufen, könnte über das Wohl und Weh ganzer Industrieorte entscheiden. Beispiel: Die bisherigen Planungen des „Backbone“ führen um die Schweiz herum, was viele eidgenössische Unternehmen spürbar umtreibt.
Für das Projekt in Albbruck plant die Badenova-Infrastrukturtochter „badenovaNETZE“ den Neubau einer rund 8,5 Kilometer langen Wasserstoffpipeline von Waldshut bis Albbruck, um Industrie- und Verkehrskunden auf beiden Seiten des Hochrheins zu erreichen. Das hält der Versorger von großer Bedeutung, um „den hiesigen Wirtschaftsstandort für die Industrie attraktiv zu halten“. Denn der Anschluss an den sogenannten European Hydrogen Backbone ist erst in der letzten Ausbaustufe vorgesehen – die ist um das Jahr 2040 geplant.
Die neue Trasse soll das Rückgrat der zukünftigen Wasserstoffversorgung entlang des Hochrheins bilden und gleichzeitig die Anbindung von Baden-Württemberg an die europäische und nationale Wasserstoff-Infrastruktur ermöglichen. Die dafür initiierte Machbarkeitsstudie steht nach Angaben des Unternehmens kurz vor dem Abschluss.
„Es ist wichtig und richtig, dass das Land beim Wasserstoff-Markthochlauf aufs Gaspedal drückt und auf die Handlungsempfehlungen des Wasserstoffbeirats BW konkrete Taten folgen lässt“, kommentierte Jan Stefan Roell, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) den Anfang Mai verabschiedeten Kabinettsbeschluss zum Fortschrittsbericht der Wasserstoff Roadmap BW. 500 Millionen Euro für Wasserstoff-Leuchtturmprojekte wurden in diesem Zuge bewilligt.
Wasserstoffbedarfe melden
In seiner Rolle als Leiter der Taskforce Wasserstoff forderte er die Unternehmerschaft dazu auf, sich an der landesweiten Wasserstoff-Bedarfsanalyse zu beteiligen: „Nur mit konkreten Zahlen unterstützen wir den bedarfsgerechten Um- und Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur.“
Dass etwas in Bewegung kommt, zeigt auch das Wachstum der Trinationalen Wasserstoff-Initiative 3H2, deren Ziel es ist, eine Wasserstoffinfrastruktur in der Grenzregion Deutschland-Frankreich-Schweiz bis zum Jahr 2035 zu realisieren. „Wir möchten alle Partner an einen Tisch bringen, Knotenpunkt für Information sein und in der Region sowie in Brüssel netzwerken“, sagt Oliver Jochum, Koordinator der Initiative. Letztes Jahr mit 20 Mitgliedern gestartet, sind es heute bereits 50. Auf der Webseite www.3h2.info zeigt sich die Vielfalt der geplanten Projekte.
Text: Daniela Becker
Bilder: Adobe Stock- malp,/Badenova
Bild Mitte: Rund um das Nukleus-Projekt in Albruck soll im Südwesten eine Wasserstoffregion entstehen.
Bild unten: Markus Bareit (Bundesamt für Energie), Martin Dätwyler (Handelskammer beider Basel), Jacques Haenn (INSA Stassburg) und André Olveira-Lenz (IHK Südlicher Oberrhein) diskutierten über die Rahmenbedingungen für Wasserstoff in der Region (v.l.). Es moderierte Nicole Frank (Mitte).
Mehr zum Thema Wasserstoff
- Die Trinationale Wasserstoff Initiative 3H2 veröffentlicht auf der Webseite www.3h2.info eine interaktive Karte mit geplanten Projekten rund um das Thema Wasserstoff. Mitwirkung und Hinweise zu Projekten sind erwünscht. Ansprechpartner Oliver Jochum Mail: contact@3h2.info
Telefon: 0761 151 098 22 - Beim ganztägigen IHK-Forum Wasserstoff am 29. Juni, im Konzil am Konstanzer Hafen, präsentieren Fachleute aus Forschung und Unternehmen, wie es um den Stand der Wasserstofftechnologie aktuell steht. Die Tagesordnung für diese kostenpflichtige Veranstaltung (135 Euro pro Person) sowie der Anmeldelink findet sich unter www.ihk.de/konstanz – Wasserstoff-Forum
- Der H2 Regio SBH+ e.V. ist das Kompetenznetzwerk zur Förderung der Wasserstofftechnologie in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Seinen Sitz hat der Verein im Innovations- und Forschungs-Centrum (IFC) Tuttlingen der Hochschule Furtwangen, die wie auch die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, die Handwerkskammer Konstanz sowie die Regionale Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar-Heuberg zu den regionalen Kooperationspartnern des H2 Regio SBH+ e.V. gehört. Mehr unter https://h2-regio.de
- Anlaufstelle für alle Belange zum Thema Wasserstoff in Baden-Württemberg ist die 2021 gegründete Plattform H2BW. Die Plattform wird vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg finanziert und von der e-mobil BW koordiniert. www.plattform-h2bw.de
- Das Umweltministerium Baden-Württemberg ermittelt gemeinsam mit verschiedenen Partnern den Wasserstoff-Bedarf für Baden-Württemberg. Denn eine möglichst große und belastbare Datenbasis ist die entscheidende Grundlage für eine zukunftsfeste Wasserstoffinfrastrukturplanung. Alle potenziellen Wasserstoff-Verbraucher sind aufgerufen, ihren künftigen Wasserstoff-Bedarf zu melden unter www.h2-fuer-bw.de
- Die European Hydrogen Backbone Initiative (EHB) zielt darauf ab, auf der Grundlage bestehender und neuer Pipelines Europas Wasserstoffinfrastruktur zu definieren. Auf der Seite lässt sich die Karte mit dem vorgeschlagenen Netz von Wasserstoffpipelines abrufen. https://ehb.eu/maps/202303/index.html
- Die Task Force Wasserstoff des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) bündelt die Interessen der zwölf baden-württembergischen IHKs im Bereich des Wasserstoffs und vertritt diese gegenüber der Politik und Verwaltung. Unter www.taskforce-wasserstoff.info gibt es Informationen zu Veranstaltungen, über aktuelle Forschungsergebnisse sowie über Förderprogramme auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.