In den vergangenen zwei Jahren hat die Coronapandemie den Ausbildungsmarkt ordentlich ausgebremst. In diesem Jahr fällt die Bilanz endlich wieder besser aus: Im gesamten Regierungsbezirk Freiburg sind mehr Ausbildungsverträge zustande gekommen als im Vorjahr. Trotzdem: Für die Betriebe ist (und bleibt) die Suche nach Lehrlingen eine echte Sisyphusarbeit.
Auch wenn die Zahlen nur leicht im Plus liegen, ein gewisses Aufatmen ist bei den Ausbildungsexperten aus den drei IHK-Bezirken des Regierungsbezirks doch zu spüren. Nach den auch im vergangenen Jahr noch pandemiebedingt negativen Zahlen, fallen die Zuwachsraten bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in 2022 deutlich positiver aus (siehe Grafik). In Summe wurden den drei IHKs bis zum 31. Oktober knapp 8.300 neue Ausbildungsverträge von den Unternehmen zur Eintragung übermittelt.
Bei der IHK Hochrhein-Bodensee waren es 2.269 Stück, was einen Zuwachs von 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresstichtag bedeutet. Knapp hundert weitere Verträge, die wegen Formfehlern an die Betriebe zurückgegangen sind, kommen da beizeiten noch hinzu. „Bei den Industriekaufleuten hatten wir sehr lange Rückgänge zu verzeichnen, weil die Unternehmen lieber duale Studenten gesucht haben. Das hat sich jetzt gefangen“, erklärt Alexandra Thoß, Leiterin Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee. Und auch die Versicherer bildeten wieder mehr aus. Die aber in diesem Jahr mit Abstand größten Treiber in der Region Hochrhein-Bodensee sind die Hotellerie und die Gastronomie, stellt Thoß fest. Die 253 neuen Ausbildungsverträge zum 31. Oktober bedeuten ein deutliches Plus von 79,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und auch mehr als im Vor-Coronajahr 2019.
Der Grund: „Den Gastrobetrieben ist durch Corona viel Personal abhandengekommen“, so Thoß. Und weil sich keine qualifizierten Fachkräfte finden ließen, suchten viele jetzt ihr Heil in der eigenen Ausbildung von Fachkräften.
Eine Entwicklung, die man auch bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg beobachtet. Hier bedeuten die 98 neuen Ausbildungsverhältnisse in der Gastro ein Plus von 40 Prozent, ebenfalls schon wieder mehr als 2019. Über alle Branchen kommt die Region mit 2.084 neuen Verträgen auf ein Plus von 2,2 Prozent, berichtet Miriam Kammerer, Referentin Bildung bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. 74 Ausbildungsbetriebe sind bei ihr in diesem Jahr neu hinzugekommen. Für Kammerer auch ein Beleg, dass die Unternehmen keineswegs ausbildungsmüde sind, wie gerne mal in der Presse kolportiert wird. „Die Bereitschaft, junge Leute auszubilden, ist nach wie vor hoch.“ Aber der Aufwand, passende Kandidaten – oder überhaupt Kandidaten – zu finden, habe durch die Bank enorm zugenommen.
Man nimmt, was man findet
„Viele Unternehmen wenden sich inzwischen Bewerbern zu, die vor einigen Jahren noch durch ihr Raster gefallen wären“, bestätigt IHK-Kollegin Alexandra Thoß. Das kann für Betriebe aber auch eine Chance sein: „Jugendliche, die sonst nicht untergekommen wären und sich im Unternehmen dann gut betreut und gewertschätzt fühlen, sind möglicherweise treuer und loyaler als andere.“ Die stark nachlassende Ausbildungsreife vieler Schulabgänger sei insgesamt ein großes Thema, stellt Miriam Kammerer fest: „Man wird sich in der Zukunft um ein besseres Übergangssystem bemühen müssen. Es ist ja niemandem damit gedient, wenn junge Leute nicht in den Beruf finden.“
Und das in Zeiten, in denen das Ausbildungsplatzangebot reichlich vorhanden ist. Die Zahl der offenen Stellen steige Jahr für Jahr an, beobachtet Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein. „Der Mangel an Bewerbern ist in der Breite angekommen und beschränkt sich nicht mehr auf die üblichen Verdächtigen wie Hotellerie, Gastronomie und Logistik.“
Mit 3.928 neuen Ausbildungsverhältnissen zu Ende Oktober verbucht sein Bezirk ein Plus von 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Anders als in den beiden anderen Kammerbezirken stammt hier der Zuwachs vor allem aus dem gewerblich-technischen Bereich (+ 5,3 Prozent). „Hier sehen wir in den für uns wichtigen Metallberufen erstmals wieder Zuwächse.“ Gut 60 neue Verträge machen ein Plus von 8,4 Prozent aus. Im Bereich E-Technik sind es sogar 14 Prozent mehr.
Insgesamt beobachtet Simon Kaiser – bedingt sowohl durch die mangelnde Ausbildungsreife vieler Kandidaten als auch durch das Überangebot an Stellen – einen zunehmend größeren „Umschlag“ bei den Ausbildungsverhältnissen. „Der Anteil an Verträgen, die wir als IHK aus- oder umtragen müssen, weil sich Azubis und Unternehmen frühzeitig wieder trennen, nimmt kontinuierlich zu – ebenso wie die Zahl der Last- oder Very-Last-Minute-Verträge mit Nachrückern.“
Text: uh
Bild: Adobe Stock – tunedin