Leuchtreklame, angestrahlte Fassaden, inszenierte Produkte im Showroom: Im Dunkeln erfüllt Licht auf Firmengeländen oft rein dekorative Zwecke – und birgt gleichzeitig ein vielschichtiges Risiko für Insekten und andere (nachtaktive) Tiere. Wie Unternehmen Lichtverschmutzung vermeiden, Ressourcen schonen und Lebensräume erhalten.
Der Austausch von Pollerleuchten beschäftigt bei der Waldkircher Sick AG längst nicht nur das Gebäudemanagement, sondern auch Regina Bührer. Als „Environmental Manager“ kümmert sie sich unter anderem um das Thema Biodiversität, eines von 15 Handlungsfeldern der auf ökologische Aspekte ausgerichteten Nachhaltigkeitsstrategie des Sensorherstellers. Wie Kunstlicht und Artenvielfalt zusammenhängen, erklärt Bührer so: „Dauerhafte Beleuchtung stört den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus von Menschen und Tieren und wird besonders für nachtaktive Tiere zum tödlichen Risiko.“ Fluginsekten zum Beispiel würden von tageslichtähnlicher Beleuchtung, also kurzwelligem, kaltweißen Licht mit hohem UV- oder Blauanteil, magisch angezogen. „Sie können dem Drang, um die Lichtquellen zu kreisen, kaum widerstehen. Am Ende sterben sie vor Erschöpfung oder flattern in das Gehäuse der Leuchte und verbrennen.“
In Firmen eher unbekannt
So oder so, fehlen sie damit als Nahrung, sagt Anke Heidemüller und verweist auf die negativen Folgen für alle Tiere, die in der Nahrungskette hinter ihnen stehen. Heidemüller leitet das Projekt „UnternehmensNatur“ beim Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg. Das Projektteam von Nabu und Flächenagentur Baden-Württemberg berät Firmen kostenlos, so wie Sick, die ihre Außenflächen naturnah gestalten möchten. „Bei aller Sensibilität für Nachhaltigkeit läuft das Thema Lichtverschmutzung auf Unternehmensseite im Allgemeinen eher unter dem Radar“, resümiert die Expertin. „Dabei bieten Firmengelände große Potenziale, um das Insektensterben zu reduzieren und die Biodiversität vor Ort zu stärken.“
Zuviel Licht nachts stört die Natur zu jeder Zeit
Als Faustregel gilt: Je dunkler, desto besser können sich Nachtschwärmer – zu denen neben Insekten auch Fledermäuse, Zugvögel und Co. zählen – am Mond orientieren. „Es gibt sicherheitsrelevante Beleuchtungsvorschriften, die selbstverständlich eingehalten werden müssen. Die Fassade aus optischen Gründen nachts zu beleuchten, zählt aber nicht dazu“, merkt Anke Heidemüller an. Eine Zeitschaltuhr kann den Lichteinsatz in diesem Fall bedarfsgerecht steuern, ebenso wie Bewegungsmelder auf nur gelegentlich genutzten Wegen. Beide Ansätze helfen langfristig auch, Ressourcen und Kosten zu sparen. Ebenso entscheidend: die Wahl der Leuchtmittel und Lampenform. (Worauf bei Farbtemperatur, Beleuchtungsstärke und Gehäuse zu achten ist, erklärt der Infokasten rechts.) Hinzu kommt: Lichtverschmutzung stört auch den Schlaf tagaktiver Tiere, sodass sie sich deswegen mitunter vom Gelände zurückziehen. Das verringert ihren durch kontinuierliche Flächenversiegelung (mehr als 50 Hektar am Tag) ohnehin schon knapper werdenden Lebensraum zusätzlich. Weniger Habitate für die einen heißt auch: weniger Jagdgründe für die anderen.
Überschaubarer Aufwand
Im Februar 2022 hat das Team vom Projekt „UnternehmensNatur“ Sick besucht, um zu beraten, wie Firmenflächen naturnah erschlossen werden können. Ein Punkt des Maßnahmenkatalogs, den das Team rund um Regina Bührer an die Hand bekam, war, die Außenbeleuchtung insektenfreundlicher zu gestalten. „Das hat zeitlich gut gepasst, da 70 Pollerleuchten ohnehin gerade ausgetauscht werden müssen“, sagt die Umweltmanagerin. Sie hat mit den Projektverantwortlichen machbare Optionen besprochen, die dann umgesetzt wurden. Um in Zukunft bei diesem Thema an allen Sick-Standorten gleich gut aufgestellt zu sein, wurde das interne Lastenheft angepasst und beinhaltet nun nicht mehr nur Anforderung an Hersteller- und Nachkaufgarantie, Lebensdauer und Ersatzteilbeschaffung, sondern auch an Insektenfreundlichkeit, wie zum Beispiel Lichtfarbe, Abschirmung nach oben und hinten, vollständig gekapselte Lampengehäuse, und als oberste Priorität die Vermeidung von künstlichem Licht.
Tipps aus der Praxis
Anderen Unternehmen rät Bührer, zu prüfen, welche Schritte realistisch umsetzbar sind und Leuchten sowie Leuchtmittel sukzessive auszutauschen – etwa, wenn die Außenbeleuchtung ohnehin ersetzt werden muss. Und die Wirtschaftlichkeit neuer Lichtlösungen zu berücksichtigen: „Wir produzieren im Zwei-Schicht-Betrieb, sodass Mitarbeitende auch nachts regelmäßig auf dem Gelände sind. Würden wir die Beleuchtung per Bewegungsmelder steuern, müssten sich diese permanent einschalten. Da sie dies aber nur eine begrenzte Zyklenzahl können, sind Bewegungsmelder wie es sie aktuell auf dem Markt gibt, für uns nicht wirtschaftlich. Wir hoffen auf technologische Fortschritte.“ Ebenso wichtig wie technische Details ist für Regina Bührer die transparente Kommunikation ins Unternehmen hinein. „Wir stellen unsere Projekte im Intranet vor, sodass alle Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen können, warum sich etwas ändert. Ein positiver Effekt ist, dass uns viele zurückmelden, wie sich ihr Bewusstsein für Nachhaltigkeit dadurch verändert und sie einzelne Ansätze auch im Privaten umsetzen.“ Damit das gelinge, sei es wichtig, dass das „Green Mindset“ – also das grüne Bewusstsein – insbesondere auch vom Management vorgelebt werde. „Diese Haltung unterstreicht die Relevanz des Themas und zeigt, dass Biodiversität auch wichtig ist, obwohl sie kein Teil der originären Wertschöpfungskette ist“, bringt es Regina Bührer auf den Punkt.ks
So strahlt‘s Insektenfreundlich
- Optimal sind Leuchten mit warmem Licht ohne UV- oder Blaulichtanteile, deren Farbtemperatur zwischen 1.700 und 2.200 Kelvin – maximal jedoch bei 2.700 Kelvin – liegt.
- Auch die Beleuchtungsstärke sollte möglichst gering sein, rund drei bis fünf Lux genügen.
- Ein geschlossenes Gehäuse schützt Fliegen, Falter und Co. zudem davor, ins Innere zu gelangen und dort zu verbrennen. Gegen Letzteres helfen auch Lampengehäuse, die nicht wärmer als 60 Grad werden können.
- Das Licht sollte aktiv gelenkt und eingeschränkt werden: nur auf Flächen, die nötig sind, keine Grasflächen anleuchten, keine 180-Grad-Beleuchtung, kein Licht nach oben abstrahlen lassen.
- Idealerweise zeigt der Lichtkegel nach unten und strahlt nicht nach oben ab. So werden Nachtschwärmer möglichst wenig irritiert.
- Auch insektenfreundliche Beleuchtung muss relevante Vorschriften rund um Arbeitssicherheit und Baurecht erfüllen. Über Beleuchtungsvorschriften informiert die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter www.baua.de Beleuchtung/Licht
Im Thema bleiben: Blühwiesen für mehr Biodiversität auf dem Betriebsgelände
Wie Unternehmen ihre Grünflächen mit insektenfreundlichen Pflanzen naturnaher gestalten und dabei wichtige Lebensgrundlagen für Schmetterlinge, Marienkäfer und Co. schaffen, erklärt der Beitrag „Tausche Rasen gegen Blühwiese“ in der WiS-Ausgabe vom Mai 2022. Sie finden ihn online unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de/themen-trends/tausche-rasen-gegen-bluehwiese.