First in, last out: Die Eventbranche hat die Coronapandemie mit als erste erwischt, und sie wird wohl auch zu den letzten zählen, die wieder zur Normalität zurückkehren. Wie gehen die Unternehmen damit um? Drei Antworten aus der Region.
Mit Beginn des Lockdowns im März ist bei der J&C Veranstaltungstechnik in Konstanz binnen Wochenfrist alles zusammengebrochen. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, kam eine weitere Absage. Aufträge von mehr als anderthalb Millionen Euro wurden storniert. „Es war wirklich dramatisch“, berichtet Firmenchef Jürgen Nägele. Er trat deshalb zunächst auf die Sparbremse: stoppte Investitionen, meldete Fahrzeuge sowie Handyverträge ab, ließ Versicherungen umschreiben und beantragte natürlich Kurzarbeit für seine 15 festen Angestellten, die er auf 80 Prozent des Normallohns aufstockt. „Dieses Mittel hat uns wirklich sehr geholfen“, sagt Nägele. Ebenso die Soforthilfe, die J&C in beiden Auszahlungsrunden erhalten hat. Im April kamen dann erste neue, coronabedingte Aufträge. Die Gemeinderatssitzung, die in der Turnhalle statt im Ratssaal stattfand, brauchte beispielsweise entsprechende Tontechnik oder Firmen Unterstützung bei gestreamten Konferenzen. Und seit August veranstaltet J&C mit seiner Tochterfirma „Die Blechnerei“ im Konstanzer Stadion eine „Sommerwiese“ mit Abstandskreisen und großer Bühne für kulturelle Events. So passiert zwar etwas, aber insgesamt auf ganz kleinem Level, betont Nägele. Der Umsatz liegt allenfalls bei zehn bis zwanzig Prozent des Vorjahreszeitraums. Entsprechend verbleiben die Mitarbeiter zu etwa 80 Prozent in Kurzarbeit. Der Unternehmer ist dennoch zuversichtlich. J&C hat überschaubare laufende Kosten, weil ihr Gebäude, Fahrzeuge und Equipment gehören. „Wir haben konservativ gewirtschaftet, das zahlt sich jetzt aus“, sagt Nägele. Aufgrund der geringen laufenden Kosten könne er relativ lange durchhalten – „auf niedrigem Niveau ausharren, bis die Lage wieder besser wird“. Damit rechnet er frühestens in einem Jahr.
So lange ist Kreativität gefragt. „Es geht darum, neue Wege und Konzepte zu finden“, sagt Maik Förster, Gründer und Inhaber von Stage Concept in Rheinau. Im März betreuten seine Mitarbeiter und er noch TV-Produktionen, beispielsweise die ZDF-Sendung „Zart am Limit“, und organisierten nach deren Pause den Abbau der technischen Studioausstattung. Ab April gab es dann aber so gut wie keine Projekte mehr. Gestrichen wurde zwar fast nichts, aber auf später verschoben. Seither liegt der Umsatz 90 Prozent unter normal, und die rund 30 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit – weitestgehend. Denn parallel zum Lockdown ging es auch weiter. „Wir haben ziemlich schnell von live auf online umgestellt“, berichtet Förster. Dabei kam den Rheinauern zugute, dass sie schon seit vielen Jahren Webinare für BMW anbieten. Sie richteten am Firmensitz ein Studio ein und bekamen dafür bald Buchungen. Der Marketingclub Offenburg-Ortenau beispielsweise verlegte sein Treffen ins Netz, weil die Referenten schon gebucht waren, und der Reisemobilhersteller Bürstner ließ Stage Concept die Händlerkonferenz zu einem neuen Wohnmobil virtuell organisieren. „Das Projekt hat Eigendynamik bekommen“, sagt Förster. „So haben wir uns in die Onlinewelt gekämpft und sammeln ständig neue Erfahrungen.“ Dennoch: Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein und eine willkommene Abwechslung für die Mitarbeiter sind die virtuellen Events nicht. „Damit können wir nicht das Jahr retten“, sagt Förster. Die Prognose für den Rest von 2020 sei schwierig. Zwar gebe es Projekte im Auftragseingang, und man spreche mit Kunden auch über Weihnachtsfeiern. Aber dabei geht es nicht um große, sondern viele kleine Events. Techniker braucht es dafür allerdings gleichermaßen, weshalb Stage Concept parallel zur Kurzarbeit auf der Suche nach Mitarbeitern ist. Auch einen Azubi stellt der Dienstleister ein – er weiß, dass er mit Kurzarbeit startet. Die Existenz seiner Agentur sieht Förster nicht bedroht: „Wir sind gut aufgestellt und können das überbrücken. So kämpfen wir weiter.“
Eine solide Basis zeichnet auch die Trendfactory. aus, der das Rottweiler Kraftwerk gehört. Das Industriedenkmal im Neckartal ist zugleich Firmensitz und Veranstaltungslocation. März bis Mai sind starke Monate für die Eventagentur. Projekte deutschlandweit für annähernd acht Millionen Euro waren für diesen Zeitraum geplant. Doch es kam bekanntlich anders, weshalb die Trendfactory die anvisierten 20 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2019/20, das am 31. März endete, auch nicht erreichte. „Es war wie ein Dominoeffekt“, berichtet Mike Wutta, der das Unternehmen zusammen mit Thomas Wenger 1996 gegründet hat und leitet. „Ich hatte das Gefühl, die Firma rennt mir wie Sand durch die Finger.“ Den Begriff Storno hätten sie und ihre rund 50 Mitarbeiter bis dato nicht gekannt, jetzt mussten sie binnen einer Woche sämtliche Events absagen und abwickeln. In der sich kontinuierlich verändernden Situation brauchte es zudem Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse aller Beteiligten. Wutta und Wenger haben deshalb offen kommuniziert, nach innen wie nach außen. Ihr Glück: Sie konnten ruhig agieren, weil sie finanziell gut aufgestellt sind – keine Miete, ausreichend Rücklagen. Zudem waren sie schon immer sehr digital unterwegs, auch weil Bitkom, SAP und viele Telekommunikationsdienstleister zu ihren Kunden zählen. „Das hat geholfen, back on track zu sein“, sagt Wutta. Schon im April hatten sie digitale Alternativen im Angebot. Allerdings gab es anfangs keine Nachfrage. Die Unternehmen waren mit sich beschäftigt, Marketing und Kommunikation standen hinten an. Das änderte sich erst Mitte, Ende Mai. Die ruhigere Zeit haben die Rottweiler genutzt, verschiedene Formate zu entwickeln, digitale und vor allem auch hybride, also eine Mischung aus live und virtuell. „Ich glaube, das ist die Zukunft“, sagt Wutta. Jedes Live-Event werde künftig virtuelle Anteile haben. Vor allem in den kommenden Monaten lässt sich dabei der Regler beliebig zwischen real und digital hin- und herschieben. „Wir stehen am Beginn einer neuen Phase“, meint der Agenturchef. Die Wochen und Monate im Homeoffice und in unzähligen Videokonferenzen hätten gezeigt, was digital geht (Content transportieren, Reichweite geografisch und zeitlich vergrößern) und was nicht (Netzwerken). Und sie haben die Ansprüche an die Inhalte verändert. „Die Hemmschwelle, bei der Rede des CEO auf das Kreuzle oben rechts zu klicken, ist viel kleiner als den Raum zu verlassen“, sagt Wutta. Diese Erfahrungen verarbeitet die Trendfactory zu neuen Lösungen. Damit können sie zwar nicht den Umsatz des zurückliegenden Geschäftsjahrs erreichen, hoffen aber auf eine schwarze Null – „das wäre ein größerer Erfolg als die guten Zahlen vom Vorjahr“, sagt Wutta.
kat