Erst war das Virus. Dann folgten Lockdowns, Kurzarbeit, Sofort- und Überbrückungshilfen, Turbo-Digitalisierung und Homeoffice, Stoff- und FFP2-Masken, PCR- und Schnelltests, Lieferengpässe und Heimatgefühle, Quarantänen, Impfstoffe und Öffnungsstrategien. Eine Menge ist passiert in der vergangenen 24 Monaten. Ein Wechselbad der Gefühle inklusive. Wie haben Unternehmer diese Zeit erlebt? Wir stellen Menschen vor, die der Pandemie eindrücklich die Zähne gezeigt haben.
„Ein heißer Ritt“, so fasst eine der Gesprächspartnerinnen in ihrem Testimonial die vergangenen zwei Jahre für sich zusammen. Eine Einschätzung, der sich wohl viele Unternehmer anschließen können. Die einen mussten und müssen in Lockdowns und mit komplexen 2G-3G-Regelungen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, die nächsten wissen nicht, wie sie den zusätzlichen Berg an Arbeit überhaupt stemmen sollen, und wieder andere versuchen, trotz Homeoffice, Abstandsregeln im Büro, Lieferengpässen und einer steigenden Zahl von Quarantänefällen so viel Business as usual zu machen wie möglich.
Viele Unternehmer sind in dieser Zeit über sich hinausgewachsen. Davon erzählen die zehn Testimonials auf den folgenden Seiten, stellvertretend für die vielen Unternehmer in der Region, die sich energisch gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen gestemmt haben. Eine Leistung, vor der Philipp Hilsenbek, Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, den Hut zieht: „Als Inhaber ist man ja immer gefragt zu begeistern – seine Mitarbeiter, seine Kunden, seine Familie, sich selbst. Diesen Spirit über diese lange Zeit aufrechtzuerhalten, während man auf der anderen Seite von der Pandemie fremdbestimmt ist, das kostet Kraft. Und doch haben so viele nie nachgelassen in ihren Bemühungen. Das war toll zu erleben – und davor habe ich größten Respekt.“ Dieser Kampfgeist werde uns hoffentlich auch nach der Pandemie erhalten bleiben und durch die Herausforderungen der Zukunft tragen, wünscht sich Hilsenbek.
Doch was wird darüber hinaus noch bleiben aus dieser Zeit, die den Unternehmen mehr oder weniger zwangsweise einen Alltag beschert hat mit Homeoffice, Videokonferenzen, Führen auf Distanz und jeder Menge neuer digitaler Abläufe? – Corona sei, anders als etwa die Finanzkrise 2008, eine transformative Krise, sagte jüngst Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit, auf einer Veranstaltung der IHK Südlicher Oberrhein. Heißt: Das Nachher wird in jedem Fall anders aussehen als das Vorher. Bezogen auf den Arbeitsmarkt, so sagt er, werde allein schon der sprunghafte Anstieg des Onlinehandels die Beschäftigung in den Innenstädten dauerhaft verändern. Auch der Nachwuchsmangel in allen Bereichen hat durch Corona einen weiteren Schub bekommen.
Jetzt für die Zukunft rüsten
66 Tage braucht es laut einer britischen Studie im Schnitt, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert. Komplexe Gewohnheiten brauchen etwas länger, aber zwei Jahre dürften gereicht haben, um coronainduzierte Veränderungen zu verankern. „Sie werden nicht in diesem Tempo weitergehen“, schätzt Alexander Graf, Leiter Standortpolitik bei der IHK Hochrhein-Bodensee, „aber der Anfang ist gemacht und die Richtung vorgegeben.“ Die Krise sei zu lang und zu umfassend gewesen, als das alles wieder zurück an seinen alten Platz fiele.
Wie groß der Paradigmenwechsel in den einzelnen Bereichen ausfallen wird, muss sich zeigen und ist auch eine Frage von Investitionen und Innovationen, die aktuell noch Nachholbedarf haben. So fallen etwa die Digitalisierungsanstrengungen der Unternehmen momentan noch nicht groß genug aus, um die im Laufe der Jahre entstandene Lücke zu den digitalen Vorreitern zu schließen, stellt die jüngst veröffentliche „DIHK-Umfrage zur Digitalisierung“ fest. Die Unternehmen geben sich darin selbst nur eine maue 2,9 als Schulnote für ihren Digitalisierungsstand. Immerhin wollen zwei von drei Unternehmen verstärkt am digitalen Mindset der Belegschaft arbeiten.
Eine Studie des ZEW ergab darüber hinaus, dass nur ein kleinerer Teil der Unternehmen als Reaktion auf Corona seine Innovationsaktivitäten in Prozesse oder Produkte gesteigert hat: zwölf und elf Prozent (mehr zu innovativen Unternehmen aus der Region siehe Anzeigenspezial ab Seite 56). Viele schraubten dagegen ihre Innovationsbemühungen herunter. Nicht glücklich, aber verständlich, findet Alexander Graf: „Angesichts der Themen, die auf uns zukommen, müsste man eigentlich stärker investieren, aber die Zurückhaltung ist wohl der nach wie vor unsicheren Perspektive geschuldet.“ Und man dürfe nicht vergessen, dass die Wirtschaft überwiegend aus Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern bestehe. „Die müssen aktuell ganz anders wirtschaften als es größere können.“
Neue Nähe gewonnen
Was aber nach zwei Jahren Corona bleiben wird und Früchte tragen kann, sind zwei Erkenntnisse: Erstens seien in vielen Bereichen Schranken und Hemmschwellen gefallen, stellt Philipp Hilsenbek fest. In Sachen Innenstädte hätten die Lockdowns beispielsweise gezeigt, dass Handel und Gastronomie einander brauchen. „Daraus lässt sich jetzt etwas Gutes machen und Entwicklung vorantreiben.“
Zweitens sei da eine neue Wertschätzung für Gemeinschaft, meint Alexander Graf: „Durch die erzwungene Distanz haben wir erkannt, gemeinsam sind wir stärker. Und Nähe ist zu etwas Wertvollem geworden.“
Text: Ulrike Heitze
Bild: Adobe Stock
Merkles Restaurant
Verrückte Zeiten
„Aufgeben war nie eine Option“, resümiert Thomas Merkle, Sternekoch und Betreiber des Gourmetrestaurants Merkles Restaurant sowie der Pfarrwirtschaft in Endingen, zwei Jahre Coronapandemie. „Vielleicht hat man sich zwischendurch gefragt: Wie lange hält man durch?“, aber letztlich hätten er und sein Team im zweiten Jahr eher noch mehr Gas gegeben. Erwischt hat ihn die Pandemie 2020 eiskalt: Gerade mal eine Woche nach dem Urlaub kam der erste Lockdown. „Das war ein voller Schlag ins Gesicht“, erinnert er sich. Was passiert mit den Mitarbeitern? Wie kann es weitergehen? Schnell war klar, dass das Restaurant Take-away-Essen anbieten würde. Um die Kosten niedrig zu halten, schickte das Ehepaar Merkle die Mitarbeiter in Kurzarbeit und startete den Abhol-Betrieb zu zweit. An fünf Tagen mittags und abends. Zweimal am Tag frisch kochen und das Essen ausgeben. „Wir haben schnell gemerkt, das schaffen wir nicht zu zweit“, blickt Thomas Merkle zurück. Er holte alle Azubis zurück in den Betrieb. In der schwierigen Anfangszeit hatte er sie zusätzlich mit speziellen Seminaren – Fermentieren, Fische filettieren, ein Zerlegekurs bei einem Jäger – unterstützt.
Zuerst gab es Kleinigkeiten auf der To-Go-Karte, doch die Anfragen wurden mehr: „Es war unglaublich, wie uns die Leute unterstützt haben. Das hat das ganze Team extrem motiviert. Egal ob Stammgäste oder nicht, die Kunden kamen wochenlang regelmäßig, um Essen, aber auch Wein, Gin und andere Produkte mitzunehmen“, erinnert er sich.
„Klar, anfangs war die Existenzangst schon da.“ In den Jahren zuvor hatte das Gastronomie-Ehepaar viel investiert – etwa in den Umbau des großen Saals zur heutigen Pfarrwirtschaft. Daher zog Merkle gleich zu Beginn der Pandemie Steuerberater und Bank hinzu, auch auf private Reserven musste er zurückgreifen. Aber es hat sich gelohnt. 2021 konnte man den Außenbereich noch neu herrichten und auch innen farblich Hand anlegen. „Es war eine emotionale, verrückte Zeit. So negativ sich Corona auch auf Betrieb und Gesundheit ausgewirkt hat, so positiv war es, mehr Zeit für die Familie zu haben, und mal – ganz untypisch für Gastronomen – Silvester zu Hause zu verbringen“, ist das Fazit von Thomas Merkle.
Text: ak
Bild: Andrea Keller
Bächle Specialty Coffee, Freiburg
Abenteuer Corona-Gründung
Juliane König hat lange nach einer Immobilie für ihr erstes Café gesucht. Als diese gefunden und der Mietvertrag unterschrieben war, ging Deutschland in den ersten Lockdown. Was tun? Die Jungunternehmerin renovierte wie geplant und stellte ihre Kaffeemaschine kurzerhand ans Fenster. „Essen und Getränke zum Mitnehmen durfte ich ja verkaufen“, sagt König, die im „Bächle“ Spezialitätenkaffee und selbstgemachte saisonale Speisen anbietet. Hinter dem Tresen stand sie erstmal allein. „Ich habe Kaffee verkauft, Kuchen gebacken und mich gleichzeitig um alles Unternehmerische gekümmert. Das war anstrengend, hat mir aber den Druck genommen, in dieser ungewissen Situation für Dritte verantwortlich zu sein.“ Dass sie durch Corona langsam in die Aufgaben als Gastronomin hineinwuchs, sieht die Quereinsteigerin positiv. Zudem hätten ihr in dieser „aufregenden Zeit mit vielen Hochs und Tiefs“ die Gewissheit, dass die gesamte Branche vor den gleichen Herausforderungen steht, und das unterstützende Netzwerk der Freiburger Gastronomen viel Kraft gegeben. Im Juli 2020, drei Monate nach Eröffnung, stellte die 32-Jährige ihre erste Mitarbeiterin ein, mittlerweile sind sie zu einem zehnköpfigen Team gewachsen. Wein-Pop-ups und andere After-Work-Veranstaltungen sorgen heute dafür, dass die Räume gemäß der Coronaauflagen bestmöglich ausgelastet sind. Juliane König ist zufrieden damit, wie sich das Bächle entwickelt hat: „Parallel zur Branche wirtschaften auch wir noch unter Plan. Aber ich arbeite mit einem tollen Team und wir erhalten viel positives Feedback von unseren Gästen. Daraus ziehe ich meine Energie.“
Text: ks
Bild: Florian Forsbach
Robert Ballier, Sachverständiger, Konstanz
In Arbeit versunken
Nicht, dass Roland Ballier zu wenig Arbeit gehabt hätte. Doch seit Beginn der Coronakrise weiß der Sachverständige für „nicht-aktive Medizinprodukte“ aus Konstanz nicht mehr, welche Anfrage er zuerst bearbeiten soll: Denn über die Qualität von Atemschutzmasken und Coronaschnelltests gibt es oft Streit. Landet der Konflikt vor Gericht, braucht es fachliche Expertise, die der frühere Vizepräsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg wie kein zweiter verkörpert. Mehr als 120 Verfahren seien, so sagt er, an Gerichten allein im deutschsprachigen Raum anhängig. In eine Vielzahl von ihnen ist er eingebunden. Auch das öffentliche Interesse an seiner Einschätzung ist groß, Verlagshäuser und Medienanstalten geben sich die Klinke in die Hand. „PR ist erfreulich, angesichts der Auftragslage aber nicht hilfreich“, sagt der 72-Jährige. Dennoch erklärt er stets gern, welche Kriterien FFP2-Masken erfüllen müssen. Drei Dinge stehen im Fokus: die Dichtigkeit („innere Leckage“) der Maske, die Filterfähigkeit des Materials und der Atemwiderstand. „Bei den Discountern und Apotheken kann man ziemlich sicher sein, dass die Ware okay ist“, sagt Ballier. Schwieriger sei dies beim Onlinehandel. Zusammen mit Zertifizierungsstellen hat Ballier vor einem Jahr das CCF-Label ins Leben gerufen: Unter www.maskenpruefung.de können Kunden die Echtheit des Siegels checken. In die Zukunft blickt der Allgemeinmediziner mit gemischten Gefühlen. Es gibt ein Nachwuchsproblem bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Eine medizinische und technische Ausbildung – in seinem Fall einen „Dr. med.“ und einen „Dipl. Ing.“ – können nur wenige vorweisen. Die Arbeit wird ihm also bleiben.
bb
Haus der 1000 Uhren, Triberg
Den digitalen Turbo gezündet
Thomas Weisser hat es in der Pandemie gleich mehrfach getroffen. Nicht nur, dass seine drei „Haus der 1000 Uhren“-Ladengeschäfte über Monate geschlossen bleiben mussten, auch ein Großteil seiner Kundschaft, die seit Jahrzehnten von rund um den Globus anreist, musste coronabedingt zuhause bleiben – und wird es wohl auch in diesem und in weiten Teilen des kommenden Jahres noch tun. So haben sich Weisser und sein 20-köpfiges Team zügig auf zwei ihrer Stärken besonnen: die Lust am Experimentieren und an der Innovation. „Wir haben unseren sechssprachigen Onlineshop massiv ausgebaut und in modernste Techniken investiert“, berichtet der Firmenchef. Per Zoom, Facetime & Co. können Kunden eine 1:1-Videoberatung in verschiedensten Sprachen bekommen, „als wenn sie bei uns vor Ort wären“. Auch wenn das Onlinegeschäft nur für ein Grundrauschen, wie es der 59-Jährige nennt, reichte und es „ohne Kurzarbeit und Coronahilfen nicht gegangen wäre“, seien im Lockdown Dinge entstanden, „die wir auch in Zukunft nutzen und ausbauen können“. Die „Haus der 1000 Uhren“-App etwa. Im eigenen TV-Studio entstehen neben normalen Videos nun auch Virtual- und Augmented-Reality-Produktionen. In Sachen internationalem Influencermarketing habe man die Zeit genutzt, um auszuprobieren, was funktioniert und was nicht. „In normalen Zeiten hätten wir das alles nicht in diesem Tempo umgesetzt, das Tagesgeschäft wäre immer vorgegangen.“ Die Kompetenzen der Belegschaft rund um Videoproduktion, VR-Technologie und Softwareprogrammierung will er jetzt bündeln und weiter aufstocken, „damit wir unsere Expertise bald Dritten als Dienstleistung anbieten können.“ Es sei, stellt Thomas Weisser fest, nicht leicht gewesen, die Mitarbeiter und sich selbst stets neu zu motivieren. „In der Achterbahn wirst du am tiefsten Punkt immer ordentlich gestaucht.“ Aber: Nach jedem Sturm komme die Sonne – und dann müsse man gerüstet sein.
uh
Commacross GmbH, Binzen
Per Achterbahn zum virtuellen Showroom
„Covid wird Deutschland nicht betreffen.“ Den Ausbruch des Coronavirus nahm Eberhard Freiensehner locker. Kurze Zeit später waren alle Veranstaltungen abgesagt und seine Auftragsbücher leer. Kapitulieren war für den Geschäftsführer von Commacross, einer Agentur für Begegnungskommunikation, keine Option: „Obwohl wir virtuelle Showrooms und digitale Messen noch nie gemacht hatten, vereinte unser Team alle hierfür notwendigen Kompetenzen. Von 3-D-Animation über Motion Design bis zur Programmierung interaktiver Produktpräsentationen.“ Um diese Potenziale zu heben, musste sich die Agentur intern neu aufstellen. Das hieß für Freiensehner und sein Team: Arbeitsprozesse umgestalten, IT-Strukturen optimieren und die Homepage zum digitalen Schaufenster und Vertriebskanal entwickeln. Im August 2020 erhielt Commacross die erste kleinere Anfrage für einen digitalen Messestand. Größere Projekte folgten und lasteten das Team teilweise voll aus. „Mit unseren neuen Angeboten konnten wir Branchengrößen wie Playmobil und Dräger, ein Unternehmen aus der Medizin- und Sicherheitstechnik, für uns gewinnen“, sagt der 52-jährige Agenturchef, der die vergangenen zwei Jahre eine Achterbahnfahrt nennt. Aufbruchstimmung inklusive Start-up-Gefühl auf der einen, Kurzarbeitergeld auf der anderen Seite. „Obwohl die Welt in Binzen nicht Sturm klingelt und der Wettbewerb hart ist, gehen wir gestärkt in das dritte Pandemiejahr. Durch die neuen Projekte und unseren internen Wandel haben wir uns fachlich weiterentwickelt und wissen jetzt umso besser, was in uns steckt“, erklärt Eberhard Freiensehner.
ks
DieSignAgentur, Offenburg
Die eigene Angst anerkennen
Einzel- und Kleinunternehmer müssen ja vieles mit sich selbst ausmachen. Wie haben Sie sich den neuen Herausforderungen genähert?
Monika Schäfer, DieSignAgentur-Chefin und Mitglied im Einpersonen- und Kleinunternehmensausschuss der IHK Südlicher Oberrhein: Zu Beginn war ganz wichtig, dass auch ich erst einmal gespürt habe, dass ich Angst habe. Angst, was diese neue, unbekannte Situation für mich und meine Unternehmen bedeuten könnte. Das zu erkennen und sich selbst einzugestehen, ist nicht einfach, aber sehr wichtig. Ich bin dann Pro und Contra für mich durchgegangen – Welchen Kunden könnte ich verlieren? Welche Auswirkungen hätte das? Wie kann ich neue Kunden gewinnen? Mit den Kunden, die durch den Lockdown besonders betroffen waren, habe ich gesonderte Vereinbarungen getroffen und sie in dieser Situation unterstützt.
Wie sieht Ihre Bilanz nach zwei Jahren Corona aus?
Die beruflichen Konsequenzen sind bis dato erfreulicherweise absolut positiv. Es gab die üblichen Schwankungen der Auftragslage, da meine Aufträge zeitlich begrenzte Projekte sind. 2020 haben einige Kunden Projekte gestoppt und andere haben die freie Zeit genutzt, um zum Beispiel in eine neue Webseite zu investieren. Tatsächlich habe ich 2020 einige tolle neue Kunden mit größeren Projekten gewinnen können und am Ende das beste Jahresergebnis seit Gründung erzielt. Aus unternehmerischer Sicht war es also ein absolut erfolgreiches Jahr.
uh
Hotel Storchen, Rheinfelden
Impftermine vom Fließband
Auf Überraschung folgte Freude, dann Schrecken. – Überraschung und Freude, dass die E-Mail an die Landrätin mit der Frage „Alle Welt erhält Impftermine, warum aber nicht die Gastrobeschäftigten, die doch die meisten Fremdkontakte haben?“ doch etwas bewirkt hatte. Schrecken, angesichts der bevorstehenden Aufgabe: Binnen drei Tagen die zugeteilten 1.000 Impftermine unter den Gastronomiekollegen verteilen. „Ich dachte nur ‚Um Gottes Willen, wie sollen wir das schaffen?‘“, erinnert sich Alexandra Mussler, Chefin des Hotel Storchen in Rheinfelden, an die Excel-ähnliche Liste vom Impfzentrum mit den vielen leeren Feldern. Und nicht wenige Termine lagen ausgerechnet auf den für die Gastro umsatzwichtigen Wochenenden.
„Egal, Augen zu und durch, wir lassen uns jetzt alle impfen und gut is“, setzte sich dennoch schnell als Devise durch, und Mussler trommelte als Dehoga-Kreisvorsitzende für Bad Säckingen ihr Netzwerk zusammen. Kreisstelle um Kreisstelle in der Region wurde einbezogen, immer zwei Leute pro Betrieb zugelassen.
„Tagelang stand das Telefon nicht still“, berichtet die 58-Jährige, die auch Mitglied der Vollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee ist. Erst Zusagen, dann die ersten Sonderwünsche. „Das war ein bisschen Chaos. Aber unterm Strich bin ich superstolz.“ Fast 1.000 Leute haben sie und ihre Dehoga-Kollegen impftechnisch versorgt. „Ein sehr schönes Erlebnis“ zwischen zwei Lockdowns.
Alexandra Musslers eigene Coronabilanz fällt gemischt aus. Die Storchen-Chefin hat 2021 – im 50. Jubiläumsjahr – das Restaurant endgültig geschlossen und betreibt „nur“ noch das Hotel. „Ich hätte an sich schon vor Corona in der Küche aufstocken müssen, um den Betrieb zu stemmen“, erklärt sie. Während der Pandemie habe sie, wie viele Kollegen auch, weitere Mitarbeiter an andere Branchen verloren. Am Ende sei der Schritt, sich auf das 28-Zimmer-Haus zu konzentrieren, kein einfacher, aber ein logischer gewesen. „Und es geht mir gut damit“, stellt Mussler fest. Im vergangenen Sommer kam sogar wieder so etwas wie Stress auf, weil es viele Fahrradurlauber an den Hochrhein zog. „Viele Hotelgäste sind über die letzten Monate zu Stammgästen geworden. Freundschaften sind entstanden.“ Gespannt ist Alexandra Mussler darauf, wie die vergangenen Jahre mal in den Geschichtsbüchern bewertet werden. „Ein wichtiger und schwerwiegender Lebensabschnitt für uns alle. Man wird sich wohl an vieles erst langsam wieder herantasten müssen.“
uh
Privatbrauerei Waldhaus, Weilheim
„Besucht die gebeutelte Gastronomie!“
Die Coronajahre in einem Satz zusammengefasst – wie würde der lauten?
Dieter Schmid, Geschäftsführer: Das wird schwierig. Grundsätzlich können wir sagen, dass die Corona-Krise für unsere Kunden in der Gastronomie eine Katastrophe ist. Wir als Brauerei konnten durch den Flaschenverkauf im Handel vieles ausgleichen und sind bisher mit einem blauen Auge davongekommen.
Wie konnten Sie der Gastronomie unter die Arme greifen?
In beiden Lockdowns haben wir das komplette Fassbier von unseren Kunden zurückgekauft. Wir wollten schnell und unbürokratisch helfen. Da wir die Gastronomen nach den Lockdowns mit frischen Abfüllungen ausstatten wollten, wurden in unserem Haus über 80.000 Liter Bier vernichtet. Nach den Öffnungen gab es dann auch das erste Fass am Hahn gratis ausgeliefert.
Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz?
Innerbetrieblich haben wir die Krise super gemeistert. Unsere Führungskräfte sind ihrer Vorbildfunktion wirklich gerecht geworden. Wir haben eine hohe Impfquote mit nur zwei Ausnahmen bei 60 Mitarbeitern.
Sie haben zuletzt diverse Auszeichnungen erhalten. Inwiefern hat das geholfen?
Was wir gespürt haben: Die Leute konnten zwar aufgrund der geschlossenen Gastronomie nicht mehr ausgehen, jedoch wurde im Gegenzug dafür bewusster und höherwertig eingekauft. Das hat uns der Einzelhandel bestätigt. Davon haben wir, auch dank unserer Auszeichnungen, eindeutig profitiert.
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Trinkt mehr Bier (lacht)! Und besucht unbedingt die wirklich gebeutelte Gastronomie. Bislang haben wir durch die Pandemie noch keinen Kunden verloren, aber das Blatt muss sich schnell wenden, dass das so bleiben kann.
bb
Steuerkanzlei LLP, VS-Schwenningen
Überbrückungshelfer
„Vielleicht ‚Wellenreiter in der Brandung‘ oder ‚Surfer hart am Wind?‘“ Wenn Mario Born (Bild) Partner in der Kanzlei Lerner, Lachenmaier & Partner (LLP) aus Villingen-Schwenningen nach einer aktuellen Umschreibung für seinen Beruf sucht, fallen ihm vor allem rasante Sportarten ein. Und tatsächlich war und ist es eine Art Hochleistungssport, was die Steuerberaterbranche in der Pandemie hinlegen muss, bestätigt sein Kollege Michael Kratt, der bei LLP die Beantragung der Coronahilfspakete für die Mandanten organisiert:„Die Steuerberaterbranche ist im März 2020 von den Maßnahmen quasi überrollt worden.“ Die Soforthilfen konnten die Unternehmen noch in Eigenregie beantragen – „was jetzt teilweise wie ein Bumerang zurückkommt und dann doch bei uns landet“ –, aber bei den Überbrückungshilfen müssen Born, Kratt und Kollegen ran. Und so schreiben sie seit zwei Jahren für ihre Mandanten Antrag auf Antrag – zusätzlich zum normalen Pensum rund um Steuererklärung, Bilanz und Co. und neben der Turbo-Digitalisierung der eigenen Kanzlei wegen Corona. Keine leichte Aufgabe, denn die Regierung ändert gerne schnell, häufig und per Nacht-und-Nebel-Beschluss die Vorschriften für die Förderungen. Nicht immer sind die Regelungen konsistent und „Termine werden oft unverständlich knapp gesetzt, um kurz danach doch wieder verlängert zu werden“, berichtet Michael Kratt kopfschüttelnd. Um bloß keine neuen Details zu verpassen – sie werden vom Fiskus nicht extra kommuniziert – hat LLP Arbeitskreise gebildet und Kompetenzen gebündelt. „Kleine Kanzleien können das gar nicht leisten“, berichtet Mario Born, der auch in der Vollversammlung der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg sitzt, bedauernd. Wohl mit ein Grund für viele Kanzleifusionen. Trotz allem findet Michael Kratt seinen Job gerade „enorm spannend“ und befriedigend: „Als Steuerberater erledigen wir die oft als lästig empfundenen gesetzlichen Verpflichtungen, aber wenn wir jetzt einem verzweifelten Unternehmer zügig helfen können, ist das ein schönes Gefühl.“
uh
IHK Südlicher Oberrhein, Freiburg
„Ein heißer Ritt“
Wie muss ich den 2G-Status meiner Gäste dokumentieren? Wann gibt’s Neustarthilfe Plus? Was muss ich bei Kurzarbeit beachten? – Es gibt kaum eine Frage rund um Corona, die Christina Gehri noch nicht gestellt wurde. „Als IHK dürfen wir zwar nicht rechtsverbindlich beraten, aber ausführlich informieren“, erklärt die stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Standortpolitik und Unternehmensförderung bei der IHK Südlicher Oberrhein. Und das haben sie und ihre Kollegen in den vergangenen zwei Jahren per Telefon und E-Mail reichlich getan. Sie waren Informationsbeschaffer, Finanzhilfenbesorger, Kummerkasten und Blitzableiter – „Das ist dann immer hart, wenn man für Dinge verantwortlich gemacht wird, für die man nichts kann und die man selbst nicht okay findet. Ich weiß, die Verzweiflung und der Frust der Menschen müssen irgendwohin, aber manchmal fällt es schwer, dies in der Summe nicht persönlich zu nehmen.“ Sie sind Vorschrifteninterpretationshelfer und Interessenvertreter. „Über den DIHK und den BWIHK sind wir recht nah an den Ministerien dran“, erklärt Gehri. Hilfreich, um missverständliche Regelungen zu klären oder um Kritik an gewissen Maßnahmen zu üben und Verbesserungsvorschläge zu platzieren. „Auch wenn wir letztlich dann doch nur darauf hoffen können, dass unsere Argumente Gehör finden.“
Zu Beginn der Lockdowns, März, April 2020, war die IHK mit quasi allen Mitarbeitern an Deck, um Soforthilfen im Akkord zu beantragen, auch am Wochenende. Mehr als 40.000 Anträge sind es am Ende geworden. Informationsupdates gab sie damals per Teams-Chat, denn „für regelmäßige Meetings wäre gar nicht die Zeit gewesen“, erinnert sich Gehri. Mittlerweile sind die meisten in ihre Aufgabengebiete zurückgekehrt, Gehri hält mit zwei, drei Kollegen neben ihren normalen Beratungsschwerpunkten die Coronastellung. „Trotzdem erwartet man jede Ministerpräsidentenkonferenz, jede neue Landesverordnung mit Spannung.“ Jetzt wird es nur noch phasenweise hektisch, etwa, wenn der Fiskus seine Schreiben zum Rückmeldeverfahren verschickt. „Dann bestimmt das gefühlt wieder den ganzen Tag.“ Vom Gemüter beruhigen bis Ablauf erklären. „Es ist gut und herrlich befriedigend, dass wir helfen können, in Teilen aber auch anstrengend. Also unterm Strich: Ein heißer Ritt“, zieht sie augenzwinkernd Bilanz.
uh