Bereits beim letztjährigen Konjunkturgespräch der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg warnte IHK-Vizepräsident Harald Marquardt, dass der Standort Deutschland an Boden verliere. Es war von schrumpfenden Erträgen, steigenden Insolvenzen, mehr Arbeitslosen und sinkenden Ausbildungszahlen die Rede. Im Laufe dieses Jahres hat sich die Wettbewerbssituation des Standortes nicht verbessert. Zusätzlich kämpfen Betriebe jetzt mit den Folgen der Coronapandemie.
Gastronomen haben geschlossen, Händler keine Kunden, Industriebetriebe weniger Nachfrage. „Ohne Einnahmen gibt es aber keine Löhne, keine Investitionen und keine Begleichung von Rechnungen. Branchenübergreifend geht es um Liquidität. Dies ist ein Kampf gegen die Zeit. Je länger die unternehmerische Tätigkeit ausgesetzt wird, desto eher werden Betriebe zahlungsunfähig und gehen insolvent“, so Harald Marquardt im Rahmen des diesjährigen, erstmals digitalen IHK-Konjunkturgesprächs. Harald Marquardt, der 1997 zum Dr. rer. pol. an der Universität Stuttgart promovierte, ist seit 2015 als CEO der gesamten Marquardt Gruppe tätig.
„Planungssicherheit und Perspektive vermissen die Unternehmen aktuell am meisten. Insbesondere den Gastronomen, der Reisewirtschaft, den Händlern und den personennahen Dienstleistungen helfen jetzt nur zwei Dinge: Eine schnelle Auszahlung der zugesagten Entschädigungen und eine klare Perspektive zur Eröffnung des Geschäftsbetriebs“, fordert Harald Marquardt. Beides würde Liquidität und Eigenkapital der Betriebe stärken und damit der regionalen Wirtschaft Zeit im Kampf gegen die Zahlungsunfähigkeit verschaffen.
„Nun gilt es, die pandemiebedingte Rezession zu überwinden und dabei die langfristigen Herausforderungen im Blick zu behalten“, sagte Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, Direktor des Walter Eucken Instituts und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Gemäß der Analyse des Sachverständigenrates hat die Konjunktur in Deutschland einen der stärksten Einbrüche seit Einführung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erlitten. Zeitnah erwartet der Wirtschaftsweise verschärfte Restriktionen für die Wirtschaft. So rechnen die Experten mit einem Minus von 5,1 Prozent im Jahr 2020 und einem Plus von gut drei Prozent 2021. Dieses Plus hänge davon ab, wie dynamisch die Wirtschaft aus den Wintermonaten herauskomme. Der Rebound werde umso stärker ausfallen, je besser und schneller die Impfungen durchgeführt werden. Das Vorkrisenniveau dürfte jedoch nicht vor Anfang des Jahres 2022 erreicht werden.
Wichtige Faktoren für die weitere Entwicklung sind laut Lars Feld der Verlauf der Pandemie und die weiteren Einschränkungen durch behördliche Schließungen. Zudem spielen die Entwicklung im Ausland und die entsprechenden Lieferketten eine große Rolle. So zählten wichtige europäische Handelspartner, insbesondere Spanien, Italien und Frankreich, zu den am stärksten betroffenen Staaten in der EU. Obwohl das dritte Quartal 2020 von starkem Wachstum in China, USA und dem Euro-Raum geprägt sei, schwäche sich das Erholungstempo ab. Daher prognostiziert der Sachverständigenrat ein Schrumpfen der Konjunktur im Euro-Raum im Jahr 2020 von 7 Prozent und ein Wachstum 2021 von 4,9 Prozent.
Rasche, sehr umfangreiche geld- und fiskalpolitische Maßnahmen stützten die deutsche Wirtschaft in der Coronakrise. Zu den automatischen Stabilisatoren in der Bundesrepublik zählten das Steuersystem, das Arbeitslosengeld und das Kurzarbeitergeld. „Das Konjunkturpaket der Bundesregierung von Juli dieses Jahres dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,7 bis 1,3 Prozent erhöhen. Allerdings ist die Stabilisierungspolitik nicht in allen Teilen zielgenau. So führt die Umsatzsteuersenkung nur zu einem geringen Vorziehen von Anschaffungen als zu höheren Ausgaben bei Verbrauchsgütern. Grundsätzlich sollten Unterstützungsmaßnahmen den Wandel hin zu langfristig wettbewerbsfähigen Strukturen nicht behindern“, mahnt der Vorsitzende des Sachverständigenrates. Er plädiert dafür, dass die spätere Konsolidierung vornehmlich durch Wirtschaftswachstum finanziert werden solle und nicht durch Steuererhöhungen, da diese wiederum das Wachstum bremsen würden.
Abschließend betont der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, dass die Coronapandemie und ihre Folgen die deutsche Volkswirtschaft noch eine längere Zeit begleiten werden. In einer solchen Ausnahmesituation sei es wichtig und richtig, wirtschaftspolitisch gegenzusteuern. Zudem seien langfristige Herausforderungen zu bewältigen. Dazu sollte die Wirtschaftspolitik die Chancen ergreifen, Rahmenbedingungen für eine widerstandsfähige und zukunftsorientierte Wirtschaft zu schaffen.
AS
Die Videoaufzeichnung des Konjunkturgesprächs ist abrufbar auf der Homepage der IHK unter www.ihk-sbh.de.
Anne Spreitzer, Fachbereich Standortpolitik
Telefon: 07721 922-156
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