Die Bundesregierung hat angesichts der Coronapandemie die Kriterien für Kurzarbeit gelockert. Was sich alles geändert hat und wie Kurzarbeit beantragt werden kann, darüber spricht die Juristin Susanne Tempelmeyer-Vetter von der IHK Hochrhein-Bodensee im Interview.
Frau Tempelmeyer-Vetter, was genau bedeutet Kurzarbeit?
Der Begriff Kurzarbeit beschreibt, dass die Arbeitszeit von Arbeitnehmern aufgrund einer besonderen Situation im Unternehmen – seien dies wirtschaftliche Gründe oder ein unabwendbares Ereignis – kurzfristig verringert oder auch bis auf null heruntergefahren werden kann. Dies kann alle Arbeitnehmer eines Unternehmens oder auch nur Teile davon betreffen.
Welche Vorteile bietet dies für Arbeitgeber?
Die Kurzarbeit ist eine wertvolle Überbrückungsmöglichkeit bei wirtschaftlichen Engpässen. Die Arbeitgeber haben den Vorteil, dass sie Mitarbeiter in der Zeit nicht vollständig entlohnen müssen, ohne dass sie in der Lage sind, sie auch wirklich im Betrieb zu beschäftigen. Stattdessen können sie die Mitarbeiter für begrenzte Zeit in Kurzarbeit schicken, anstatt zu drastischeren Mitteln wie der Kündigung zu greifen.
Und für betroffene Arbeitnehmer, bekommen sie dadurch nicht weniger Gehalt?
Wird Kurzarbeit im Betrieb eingesetzt, zum Beispiel durch eine beidseitige Zustimmung, eine Betriebsvereinbarung oder durch eine Änderungskündigung, kann es für die Arbeitnehmer zu finanziellen Einbußen kommen, der Lohn ist nicht mehr so hoch wie zuvor. Um das auszugleichen, gibt es die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu beziehen. Dieses kann bis zu 67 Prozent des Nettolohns betragen und quasi den Verlust des bisherigen Arbeitsentgelts kompensieren. Somit profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer davon.
Zur Person
Susanne Tempelmeyer-Vetter (57) ist promovierte Juristin und seit 2005 bei der IHK Hochrhein-Bodensee. Als freie Mitarbeiterin im Geschäftsfeld Recht und Steuern ist sie zuständig für die Bereiche Datenschutz, Arbeits-, Vertrags-, Gesellschafts- und Wettbewerbsrecht.
Wie und wo kann Kurzarbeitergeld beantragt werden?
Hierfür ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig. Auf deren Homepage finden sich zahlreiche Infos und auch Formulare, um es online zu beantragen. Wichtig ist aber, Kurzarbeit vorher anzuzeigen. Erst danach kann das Kurzarbeitergeld beantragt werden. Die Bundesregierung hat jetzt erleichternde Regelungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld verabschiedet. Diese gelten rückwirkend zum 1. März.
Was für Neuerungen sind dies?
Ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht jetzt, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mindestens zehn Prozent haben. Dieses war bislang nur, wenn ein Drittel der Beschäftigten davon betroffen war. Zudem werden anfallende Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden zu hundert Prozent erstattet. Eine weitere Neuerung ist, dass – anders als bislang geregelt – jetzt auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Kurzarbeit gehen können und Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben.
Interview: doe
Die IHK Hochrhein-Bodensee hat eine Infoseite zum Coronavirus eingerichtet, auf der sich Informationen, Risikobewertungen und Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit dem Virus und seinen wirtschaftlichen Folgen finden. Außerdem wird über eventuell abgesagte Veranstaltungen oder Prüfungen informiert.