Beim grenzüberschreitenden EU-Finanzierungsprogramm „Interreg VI“ stand das Ziel der Förderung von KMU auf der Kippe. Nun wird es doch aufrechterhalten. Unter einer Bedingung: Die Unternehmen müssen stärker in die Projekte einbezogen werden.
Seit mehr als 20 Jahren unterstützt die Europäische Union über ihr Programm Interreg grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Regionen und Städten als Teil ihrer Struktur- und Investitionspolitik. Im Fokus hat sie dabei Kooperationen, die das tägliche Leben beeinflussen, zum Beispiel Projekte, in denen es um Verkehr, Arbeitsmarkt oder Umweltschutz geht.
Mittlerweile ist das Programm mit „Interreg VI“ in seiner jüngsten Runde am Start, und die Förderperiode 2021 bis 2027 ist in Arbeit. Als es 2019 darum ging, die Mittel für diesen Zeitraum zuzuweisen, forderte die EU-Kommission von den verschiedenen Interreg-Projekten, sich auf eine begrenzte Anzahl von Zielen zu fokussieren.
Mit dem Ergebnis: Um ein Haar wären die Beihilfen für KMU am Oberrhein gestrichen worden. Denn: In den 2019 veröffentlichten strategischen Leitlinien für das Programm gab es Zweifel am Nutzen der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben über den Interreg-Projektfonds: „Es gelingt dem Programm nur bedingt, die KMU am Oberrhein zu erreichen und sie zur direkten Beteiligung an den geförderten Projekten zu bewegen“, hieß es darin. Die Frage stand im Raum, ob Unternehmen auf andere Fonds verwiesen werden sollen und die KMU-Förderung dem Rotstift geopfert wird, um allgemeineren Zielen wie Ökowende oder Digitalisierung den Vorrang zu geben.
Undenkbar für die Industrie- und Handelskammer Alsace Eurométropole, die fest an das Innovationspotenzial im Dreiländereck Frankreich/Deutschland/Schweiz glaubt. Das Ziel der Förderung von KMU bleibt deshalb bestehen, und aus dem Gesamtbudget von 125 Millionen Euro sind 19 Millionen Euro für entsprechende Innovationsprojekte und KMU-Förderungen vorgesehen.
Auf französischer Seite gesteht man Schwierigkeiten ein, lokale Unternehmen ins Boot zu holen. Frank Rotter, Direktor für grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der IHK Alsace Eurométropole, bemängelt als Hürde etwa die sogenannte „De-minimis-Regel“, die es verbietet, in drei aufeinanderfolgenden Steuerjahren mehr als 200.000 Euro an Subventionen zu erhalten. Aber: „Wir können unsere Rolle als Vermittler wahrnehmen und in unserem Namen gemeinsame Maßnahmen oder Studien finanzieren!“
Für Danièle Schmitt, die die grenzüberschreitenden Projekte der IHK Alsace Eurométropole in ihrer Aufgabe als Projektmanagerin genau beobachtet, gibt es mindestens zwei weitere Hemmnisse: „Die Betriebe sind interessiert, aber es fällt ihnen schwerer als den Universitäten, sich an langfristigen Projekten zu beteiligen, weil sie oft nach schnellen Lösungen suchen. Aber auch das Datenschutzrecht und die Vorschriften für grenzüberschreitende Datenübermittlung sind große Hürden.“
Das Wissen dies- und jenseits des Rheines vereinen
Interreg VI startet nun mit dem neuen Projekt „TITAN-E“. Das mit 2,5 Millionen Euro ausgestattete Programm möchte das Innovationspotenzial der Metropolregion Oberrhein heben beispielsweise durch die Stärkung bestehender Kooperationen, die Vernetzung der Akteure über die Grenzen hinweg und durch eine bessere Definition der Bedürfnisse der Unternehmen. „Jede Region hat für sich sehr schöne Ergebnisse vorzuweisen. Jetzt geht es darum, sie dem Nachbarn jenseits der Grenze zugänglich zu machen und diese regionalen Erfolge auf die trinationale Ebene zu übertragen“, fasst Frank Rotter von der IHK Alsace Eurométropole zusammen.
Die Bedürfnisse von KMU besser kennenlernen
Titan-E sieht auch eine umfassende Befragung der Unternehmen vor. Ein eigens dafür konzipierter Onlinefragebogen dient dazu, die tatsächlichen Bedürfnisse der kooperierenden Betriebe besser zu erfassen und jene zu ermitteln, die sich gerne in grenzüberschreitende Projekte einbringen würden.
Was die Hochschulen anbelangt, fördert das EU-Projekt „KTUR“, angesiedelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), seit 2020 den Wissens- und Technologietransfer am Oberrhein unter aktiver Einbindung der Wirtschaft. Das grenzüberschreitende Angebot umfasst Weiterbildungen, Sommeruniversitäten und gemeinsame Veranstaltungen der Universitäten und Unternehmen.
Text: Pierre Pauma, Ulrike Heitze
Übersetzung: Caroline Rosique
- Initiative Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO): www.rmtmo.eu
- Kooperationsprogramm Interreg Oberrhein: www.interreg-oberrhein.eu
- Programmentwurf 2021-2027 für Interreg Oberrhein: www.interreg-oberrhein.eu ( Programmentwurf 2021)
- Innovationsnetzwerkprojekt Titan-E: www.interreg-oberrhein.eu ( TITAN-E)
- Titan-E-Befragung: https://survey.fhnw.ch/uc/TITAN-E/?a=2
- Wissenstransferprojekt KTUR: https://ktur.eu
- (KTUR-) Innovation Day 2022: 12. April 2022, Straßburg, https://ktur2022.b2match.io
Die WiS arbeitet mit der elsässischen IHK-Zeitschrift „Point éco“ und dem Wirtschaftsmagazin „Wima“ der IHK Karlsruhe zusammen und veröffentlicht gemeinsame Beiträge wie diesen.