Seit 50 Jahren gibt es die IHK Hochrhein-Bodensee in ihrer heutigen Form, bis 1973 waren die Industrie- und Handelskammern in Schopfheim und Konstanz eigenständig. Im Interview erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx, wie es zu der Fusion kam und „ob das so eine gute Idee“ war.
Herr Marx, wie würden Sie die heutige „Bindestrich-IHK“ Hochrhein-Bodensee beschreiben?
Claudius Marx: Bildlich gesprochen – die IHK Konstanz ist vor 190 Jahren zur Welt gekommen, die IHK Schopfheim vor 140 Jahren, vor genau 50 Jahren haben die beiden geheiratet und es war – offen gesagt – eine Zwangsehe, na, sagen wir es etwas eleganter, es war eine arrangierte Liaison. Im Zuge der Kommunalreform wurden die beiden Kammern zusammengelegt und neu zugeschnitten und hatten damit dieselbe Gebietskulisse wie die drei Landkreise Konstanz, Waldshut und Lörrach und der mit der IHK gleichnamige Regionalverband.
So entstand die einzige IHK Deutschlands, deren Gebiet in zwei Teile getrennt ist, die sich nicht berühren – der schweizerische Kanton Schaffhausen liegt dazwischen. Und so erschrecken wir gerne unsere Gäste, wenn wir von Konstanz nach Schopfheim fahren, unterwegs mit der Ansage: „Achtung, Sie verlassen jetzt Deutschland, die EU und die Nato!“
Wie kam es zu diesem Zuschnitt?
Böse Zungen behaupten, man habe die IHKs in Baden-Württemberg territorial neu geordnet und dabei im Norden angefangen und sich dann Stück für Stück nach Süden durchgearbeitet. Was am Ende noch übrig blieb, sei dann zur IHK Hochrhein-Bodensee zusammengefasst worden.
Das stimmt natürlich gar nicht. Liebe Zungen betonen zurecht, dass der Kammerzuschnitt aufgrund der gemeinsamen Schweizer Grenze und einer ähnlichen Interessenlage in den drei Landkreisen eine logische Entscheidung war. Zur Wahrheit gehört, dass die beiden Regionen – Hochrhein und Bodensee – zwar durchaus unterschiedliche Lebensräume sind, trotzdem hat sich ein regionales Selbstverständnis gebildet und die regionale Zusammenarbeit funktioniert ganz prima – seit 50 Jahren.
Welche sind die gemeinsamen Themen?
Unsere Region hat wie jede ihre spezifischen Vorzüge und Herausforderungen. Die Nachbarschaft zur Schweiz ist prägend, ganz oft, ja regelmäßig ist sie Segen, nur selten auch Fluch. Die Schweiz ist ein hervorragender Wirtschaftspartner, wir könnten uns keinen besseren Nachbarn vorstellen. Aber wir sind natürlich auch Wettbewerber, Konkurrenten etwa am Arbeitsmarkt, wenn es um Fachkräfte geht.
Gemeinsam ist uns, dass nationale Randlagen immer Gefahr laufen, infrastrukturell benachteiligt zu werden. Fast alles, was mit „-netz“ endet, ist bei uns defizitär – das Autobahnnetz, das Schienennetz, das Mobilfunknetz, das Glasfasernetz, und, wie sich schon abzeichnet, künftig wohl auch das Wasserstoffpipelinenetz, der europäische Backbone. Mit dieser Benachteiligung zu kämpfen und trotzdem erfolgreich zu sein, verbindet die Unternehmerschaft entlang der Schweizer Grenze.
Trotz regionaler Unterschiede sitzen wir alle im selben Boot – und das ist der Grund, warum die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz weit oben auf unserer Prioritätenliste steht.
Interview: Heike Wagner