Wohin geht die Reise im Bereich Automotive? Eine Frage, die die Unternehmen in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg – vor allem aus der Zulieferbranche – umtreibt. Darüber diskutierten in einer IHK-nlineveranstaltung mit über 120 Zuschauern Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Aus Berlin war Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, zugeschaltet.
Im Studio vertraten IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos, Geschäftsführerin der HAKOS Präzisionswerkzeuge Hakenjos GmbH, und IHK-Vizepräsident Harald Marquardt, Vorsitzender des Vorstands der Marquardt Gruppe, die Wirtschaft und Automobilzulieferer aus der Region. Ebenfalls vor Ort lieferte Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult GmbH, einer Tochter des IW Köln, Zahlen und Daten zur Automotive-Region Schwarzwald-Baar-Heuberg sowie einen Ausblick auf die Herausforderungen und Chancen der Transformation (Hanno Kempermann im Interview Link). Moderiert wurde die Veranstaltung von Stefan Kühlein von Regio-TV Bodensee. „Wenn es um die Transformation in der Automobilwirtschaft geht, ist die Botschaft eindeutig: Die Automobilzulieferer wollen und können diesen Wandel aktiv mitgestalten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, betonte IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos in ihrer Begrüßung. Sie hob hervor, dass insbesondere die kleinen und mittelständischen Automobilzulieferer „gerade jetzt“ mehr Planungssicherheit bräuchten. Es gebe offene Fragen, was mit dem Koalitionsvertrag auf die Automobilwirtschaft zukomme und wie gleichzeitig der Industriestandort weiterentwickelt und das Klima geschützt werden könne.
Der Umstieg auf eine CO2-freie Mobilität werde ganz unterschiedlich bewertet. Es gebe Unternehmen, die sich auf die Elektromobilität als Antriebstechnologie fokussieren würden, andere betonten die Vorteile alternativer Kraftstoffe oder Hybridtechnologien. „Entscheidend ist es aus Sicht der Wirtschaft, die Unternehmen in der Entwicklung von klima- und umweltfreundlichen Technologien nicht einzuschränken. Die Europäische Union und die Bundesrepublik sollten daher technologieoffen sämtliche klimafreundlichen Antriebe oder Kraftstoffe unterstützen und dafür eine flächendeckende Versorgungsinfrastruktur schaffen“, forderte Hakenjos.
Die IHK unterstütze die Automobilzulieferer auf dem Weg zu nachhaltiger Mobilität. „Information, Vernetzung, Technologietransfer und Qualifizierung sind wichtiger denn je“, sagte die Präsidentin und informierte darüber, dass man mit Automobilzulieferern der Region den „IHK-Arbeitskreis Automotive“ ins Leben gerufen habe, der derzeit an einem Förderantrag an das Bundeswirtschaftsministerium arbeite, um ein Automotive-Cluster mit regionaler Transformationsstrategie aufzubauen. Zudem arbeite die IHK auch an der Entwicklung von bundeseinheitlichen IHK-Zertifikatslehrgängen zu Wasserstoffanwendungen und zur Elektromobilität mit.
Deutschland resilienter aufstellen
Franziska Brantner ging in ihren Ausführungen zunächst auf die aktuelle Lage in der Ukraine ein. Für die Zukunft müsse sichergestellt werden, dass Deutschland weniger verwundbar und resilienter aufgestellt sei. „Daran wird derzeit gearbeitet“, sagte sie. Die große Abhängigkeit müsse man verringern. Zudem gebe es für den Standort Deutschland ein ganzes Bündel an Unterstützungsprogrammen in Sachen CO2-Vermeidung, Wasserstoff, Transformation und mehr. Außerdem sollen Klimaschutzdifferenzverträge zur Transformation der Industrie eingeführt werden. Mit der „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erst kürzlich deutlich gemacht, dass die jährlichen deutschen Treibhausgasemissionen künftig stark sinken müssten. Deshalb sollen viele dafür notwendige Gesetzesvorhaben und Maßnahmen noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Ein weiteres großes Thema für die deutsche Wirtschaft sei der Fachkräftemangel, hierzu wurde ein Zwölf-Punkte-Plan zur Fachkräftesicherung ausgearbeitet.
Brantner betonte, dass die Pläne nur gemeinsam mit den Betrieben umgesetzt werden könnten. „Die Betriebe machen das am Ende. Die Kompetenz sitzt bei ihnen“, sagte sie. Und so sei das Interesse, ambitioniert an die Transformation heranzugehen, groß – auch um die Jobs zu halten. Der Fokus liege dabei auf den Zulieferern. „Damit würden auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen berücksichtigt, ohne die wir es nicht schaffen“, so Brantner.
Transformation durch Innovation
„Es ist wichtig, den Blick nach vorne zu richten. Dazu brauchen Unternehmen aber zuverlässige Rahmenbedingungen“, sagte Harald Marquardt. Bisher fehle diese Verlässlichkeit, kritisierte er. Die Glaubwürdigkeit der Politik habe in der Vergangenheit gelitten. Noch immer schwebe das Damoklesschwert der Vermögensteuer über allem, betonte er. Die Politik müsse den Unternehmen auch die Chance geben, die Transformation zu gestalten und die Arbeitsplätze zu erhalten. Einfach werde es nicht, vermutet er. Aber insbesondere mit den Menschen und der Innovationskraft der Region könne der Wandel gelingen.
Hanno Kempermann lieferte den Impuls aus der Wissenschaft. In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gebe es rund 25.400 Arbeitsplätze im Automobilsektor. So habe die Region eine hohe Automobilaffinität. Die Bruttowertschöpfung liege im bundesweiten Vergleich bei überdurchschnittlichen 9,8 Prozent. Die Region habe auch weiter gute Möglichkeiten, von der Entwicklung in Richtung Transformation zu profitieren. „Hard- und Software miteinander zu verknüpfen, bietet viele Chancen“, sagte Kempermann. Aber auch die Aus- und Weiterbildung in den Fokus zu rücken, um Fachkräfteengpässe zu minimieren, sei wichtig. „Wenn sich Unternehmen in Netzwerken engagieren, können sie Leuchttürme schaffen“, ermunterte er die Zulieferer zu Kooperationen und Beteiligung an Netzwerken der IHK oder anderen Institutionen. Zudem bestärkte er die Region darin, Förderprogramme zu nutzen und spezifische Maßnahmen in den betroffenen Regionen zu erarbeiten, um Strategieentwicklung, Qualifizierung und Wissenstransfer zu verbessern.
Harald Marquardt betonte, dass es viele gesunde mittelständische Unternehmen gebe. „Aber wir wollen heute wissen, wo wir morgen stehen. Und wir möchten nicht ständig Steine in den Weg gelegt bekommen“, sagte er mit Blick auf die Politik. „Sie haben hier eine sensationelle Unternehmenslandschaft, die exzellente Voraussetzungen für die Transformation bietet“, stimmte Kempermann zu. „Hierbleiben und investieren“, so sein Ratschlag. Die Rahmenbedingungen seien gut. „Begreifen Sie die Transformation als Chance“, gab er dem Publikum an den Bildschirmen mit auf den Weg.
Text: Sie
Bild: Light & Sound, Spaichingen
Bild: In einer Onlineveranstaltung der IHK diskutierten über die Zukunft der Automobilwirtschaft: Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult GmbH, IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos und Harald Marquardt, Vorsitzender des Vorstands der Marquardt Gruppe und IHK-Vizepräsident (von links).
Nachhören
Eine Aufzeichnung der Automotive-Veranstaltung vom 23. Februar ist abrufbar unter www.ihk.sbh.de – 5208500
Martin Schmidt | Fachbereich Standortpolitik
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