Wie in Deutschland spielen Familienunternehmen auch in der französischen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Allerdings gestaltet sich der Generationenwechsel in Frankreich etwas schwieriger.
Manche Klischees halten sich hartnäckig. Eines der häufigsten im deutsch-französischen Kontext ist die Gegenüberstellung von französischen Marktführern, die von einem zentralisierten Staat geschmiedet wurden, und dem deutschen Mittelstand, der sich aus einer Vielzahl an innovativen, reaktiven und exportorientierten Unternehmen zusammensetzt. Dieses Bild muss jedoch nuanciert werden. Es stimmt zwar, dass die französischen KMU und Mid Caps weniger exportorientiert sind als die deutschen, doch auch sie gedeihen oft im Schatten eines „Stammbaumes“: 83 Prozent von ihnen sind in Familienbesitz; in Deutschland ist das Verhältnis ähnlich.
Wie in Baden-Württemberg sind auch im Elsass zahlreiche familiengeführte Unternehmen angesiedelt. Die Familie Schmitter besitzt mit „CroisiEurope“ die größte Reederei für Flusskreuzfahrten in Europa. Das Unternehmen hat weder Aktionäre noch Beteiligungskapital und verbucht ein konstantes Wachstum von sieben bis acht Prozent pro Jahr, mit Ausnahme von 2020. Heute ist die zweite Generation am Ruder, die dritte steht an Deck. Zu ihr gehört Lucas Schmitter, der den E-Commerce leitet. Für ihn hat diese Strategie den Vorteil, dass Entscheidungen schnell getroffen werden können, wenn es erforderlich ist. So wie während der Coronaviruskrise: „Das hat uns ermöglicht, wieder relativ schnell die Hälfte unserer Flotte in Betrieb zu nehmen und gewisse Risiken einzugehen. Wir haben Reservierungen ohne Anzahlung und eine kostenlose Annullierung bis zu zwei Wochen vor der Abreise angeboten. Bislang hat sich das ausgezahlt.“
In der Familie Schmitter wie in anderen großen Familienunternehmen hat sich die Frage der Nachfolge kaum gestellt. Trotzdem erscheint sie in vielen französischen KMU weniger selbstverständlich als in Deutschland: Nur 22 Prozent der französischen Unternehmen gehen an die nachfolgende Generation, während es in Deutschland 51 Prozent sind.
Viele Experten halten die steuerlichen Rahmenbedingungen, die in Frankreich für die Unternehmensnachfolge gelten, für zu restriktiv. Der deutsch-französische Wirtschaftsanwalt Julien Saint-Amand lobt die deutsche Gesetzgebung, die in dieser Beziehung großzügig sei, sofern sich die Nachfolger verpflichten, Aktivität und Arbeitsplätze zu bewahren.
In Frankreich ermöglicht das 2003 verabschiedete Dutreil-Gesetz eine Steuerermäßigung von 75 Prozent, wenn die Nachfolger ihre Anteile mindestens vier Jahre lang halten und einer von ihnen die Leitung des Unternehmens übernimmt. Hat der Erbe kein Interesse oder keine Qualifikationen, um das Unternehmen zu führen, entscheiden sich viele für einen Käufer, anstatt das Kapital in der Familie zu halten. „Das deutsche Modell erlaubt insofern eine im französischen Recht unbekannte Flexibilität, als die Regelung der Begünstigung nicht an die Bedingung der Unternehmensführung geknüpft ist, die der am besten geeigneten Person übertragen werden kann“, so Luc Julien Saint-Amand.
Text: Pierre Pauma
Übersetzung: Barbara Selbach
Bild: CroisiEurope
Die WiS arbeitet mit der elsässischen IHK-Zeitschrift „Point éco“ und dem Wirtschaftsmagazin „Wima“ der IHK Karlsruhe zusammen und veröffentlicht gemeinsame Beiträge wie diesen.