Sie fürchten um ihren Beruf, ihre Reputation, ihr Leben: Wer einen Missstand in einem Unternehmen meldet, sieht sich oft Repressalien und persönlichem Druck ausgesetzt. Um diese Hinweisgeber oder Whistleblower, wie sie auch genannt werden, zu schützen, ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in der Planung.
Das HinSchG besagt, dass Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten ein System einrichten müssen, über das Mitarbeiter Hinweise abgeben können und bei dem ihre Anonymität gewahrt wird. Zudem dürfen Whistleblowern daraus keine beruflichen Nachteile entstehen. So sieht es auch das Bundesministerium der Justiz, denn „Hinweisgeber übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohen und sie davon abschrecken können“.
Das Gesetz bietet Schutz für Hinweisgeber, bedeutet aber auch einen großen bürokratischen Aufwand für Unternehmen, sagt Rechtsanwalt Nils Stark von der Singener Kanzlei Reichert und Reichert. Die Unternehmen müssen Meldekanäle einrichten, Meldebeauftragte bestimmen und viele weitere Maßnahmen treffen. Dabei ist es nicht leicht, als Verantwortlicher den Überblick zu behalten und die besten, kostengünstigsten Lösungen zu finden. Die IHK Hochrhein-Bodensee bietet deshalb eine kostenlose Informationsveranstaltung zum Thema Hinweisgeberschutzgesetz im Rahmen der Seminarreihe „Wirtschaftsrecht für Unternehmer“ an.
Referent Nils Stark hat vier praktische Tipps für Unternehmen zur Umsetzung des geplanten Gesetzes zusammengestellt, denn neben dem Mehraufwand, sieht er auch eine Chance. Vor allem in Branchen, die mit höheren Risiken verbunden sind, ist die Einführung eines Meldesystems sinnvoll. Das betrifft zum Beispiel Unternehmen im Bereich Pharmazie, Finanzdienstleistung und IT. „Mit einem effizienten Meldesystem erfährt die Geschäftsführung von Missständen, die ihnen oft nicht bekannt sind, die jedoch Straf- oder Bußgelder nach sich ziehen können. Zudem stärkt ein solches System das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsführung, wenn diese die Hinweise ernst nimmt und effektive Maßnahmen ergreift“, sagt Nils Stark.
Tipp 1: Onlineportal als Meldekanal
Unternehmen müssen einen Kanal einrichten, in dem ein Hinweis abgegeben werden kann. Welcher das genau ist, steht nach derzeitiger Rechtslage nicht fest. Es kann eine Telefonnummer, ein E-Mail-Postfach, ein Briefkasten oder ein Onlineportal sein. Alles hat Vor- und Nachteile. Ich empfehle jedoch, ein Onlineportal einzurichten. Diese sind einfach zu handhaben, von überall aus erreichbar, können in mehreren Sprachen angeboten werden und es gibt kostengünstige Anbieter. Ein persönliches Treffen mit dem Meldebeauftragten muss jedoch auch immer möglich sein.
Tipp 2: Wahl des Meldebeauftragten gut überlegen
Ein Unternehmen benötigt einen Meldebeauftragten, das heißt eine fachkundige Person, die die Hinweise entgegennimmt. Das kann sowohl ein interner Mitarbeiter sein als auch eine externe Kanzlei. Der Vorteil bei der Vergabe an eine Kanzlei liegt darin, dass dort bereits fachkundiges Personal vorhanden ist. Außerdem fällt es meiner Erfahrung nach Hinweisgebern oft leichter, sich an eine externe Stelle zu wenden. Wenn die Geschäftsführung sich für eine interne Lösung entscheidet, sollte langfristig geplant werden. Nur Mitarbeiter, die unbefristet angestellt sind, sollten mit der Aufgabe betraut werden, um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten. Da die Person fachkundig sein muss, ist meine Empfehlung, jemanden aus dem Qualitätsmanagement oder einen Compliance Officer auszuwählen, wenn dieser Bereich im Unternehmen bereits vorhanden ist.
Tipp 3: Offene Kommunikation
Ich empfehle, das Meldesystem offen im Unternehmen zu kommunizieren. Mitarbeiter müssen darüber informiert werden, was gemeldet werden darf, denn es handelt sich dabei nicht um einen Kummerkasten. Eine Beschwerde über das Kantinenessen wäre zum Beispiel fehl am Platz. Die Geschäftsführung sollte aktiv auf die Mitarbeiter zugehen und sie dazu ermutigen, Verstöße zu melden. Dabei ist es wichtig, auch neue Mitarbeiter über das System zu informieren, damit es nicht nach und nach in Vergessenheit gerät.
Tipp 4: Nachsorge
Wenn ein Hinweis eingegangen ist, muss dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen der Eingang bestätigt werden. Nach spätestens sechs Monaten muss dieser außerdem darüber informiert werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden und werden. Es ist wichtig, diese ernst zu nehmen und konsequent umzusetzen, um weitere Verstöße zu vermeiden.
Weitere Infos und Tipps für die praktische Umsetzung des Gesetzes gibt Referent Nils Stark in der Veranstaltung online und in Konstanz im Gebäude der IHK, am Dienstag, 13. Juni, 16 bis 19 Uhr, und in Schopfheim im Gebäude der IHK Hochrhein-Bodensee, E.-Fr.-Gottschalkweg 1, am Donnerstag, 15. Juni, 16 bis 19 Uhr.
jb
Ansprechpartnerin:
Susanne Tempelmeyer-Vetter
Telefon: 05731 2860-156
Mail: susanne.tempelmeyer-vetter@konstanz.ihk.de
Weitere Informationen auf der Homepage: www.ihk.de/konstanz – Wirtschaftsrecht