In den vergangenen Jahren hat sich der Transformationsprozess der Wirtschaft beschleunigt. „Das ist zu spüren“, sagte IHK-Präsident Thomas Conrady zu Beginn der Frühjahrsvollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee. Umso bedeutender sei die Rolle der IHK: „Noch nie war unsere Institution so wichtig wie heute.“ Zu Gast war die Versammlung bei der Sto SE & Co. KGaA in Stühlingen.
In seiner Begrüßung verwies Michael Keller, Vorstand Markenvertrieb Deutschland bei Sto, auf die Erfolgsgeschichte des Unternehmens und die Herausforderungen. Als Hersteller von Beschichtungs- und Wärmedämmverbundsystemen sei Sto jetzt und in Zukunft ein gefragter Partner. Daher plane man aktuell mit einem Campus die „größte Einzelinvestition der Geschichte“ im dreistelligen Millionenbereich. Er soll dazu dienen, junge Talente an den Standort zu lotsen. Denn zu viele Stellen blieben unbesetzt, so Keller.
Dank an Johanna Speckmayer
Zum ersten Mal bei der Vollversammlung dabei war Hermann Becker. Conrady begrüßte den 57-Jährigen, der seit Dezember 2021 den Evonik-Standort Rheinfelden leitet und im Vorstand des Landesverbands der chemischen Industrie Baden-Württemberg aktiv ist, offiziell und führte ihn in sein Ehrenamt ein.
Für die IHK-Geschäftsführerin Johanna Speckmayer war es dagegen die letzte Vollversammlung in einer erfolgreichen Berufskarriere. Die Leiterin des Fachbereichs Weiterbildung verabschiedet sich nach 18 Jahren für die IHK im Sommer in den Ruhestand, teilte Conrady mit: „Kompliment, was Sie in diesen Jahren auf die Beine gestellt haben!“ Der Fachbereich Weiterbildung sei heute ein „veritabler Geschäftszweig und für unsere IHK ein Aushängeschild – in Konstanz, in Schopfheim und darüber hinaus.“ Gemeinsam mit Hauptgeschäftsführer Claudius Marx überreichte er ihr unter anhaltendem Applaus einen großen Blumenstrauß. Begrüßt und ebenfalls mit Blumen bedacht wurde Ulrike Fröhlich, die das Arbeitsfeld von Johanna Speckmayer übernehmen wird.
Einigkeit und Digitalisierung
In seinem Bericht zur Digitalisierung der IHK-Organisation kritisierte Hauptgeschäftsführer Marx fehlende Einigkeit und eine defizitäre Umsetzungsgeschwindigkeit. Man habe zwar mit der gemeinsam gegründeten IHK Digital GmbH eine Gesellschaft ins Leben gerufen, die den Prozess steuern solle, jedoch fehle es an Führung – „IHK Digital muss jede Entscheidung durch 79 IHKs absegnen lassen“. Selbst innerhalb von Baden-Württemberg falle es schwer, sich auf einen Weg zu einigen, monierte er. „Das nervt“, konstatierte Conrady, und leitete über zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das seit drei Jahren in Kraft sei und dessen überfällige Novellierung anstehe: „Die Richtung stimmt, aber es geht nicht weit genug.“ Um wirtschaftlich weiter zu prosperieren, „brauchen wir eine massive Zuwanderung. Es fehlt eine One-Stop-Agency, die alles koordiniert und regelt – im Sinne der Fachkräfte und der Wirtschaft.“
Die Trinationale Wasserstoffinitiative 3H2 will – unabhängig von einem deutschen Wasserstoffnetz – bis 2035 eine Wasserstoffin- frastruktur im Dreiländereck realisieren. Das Projekt stößt bei Marx auf volle Zustimmung: „Das Thema hat lange genug vor sich hingedümpelt.“ Zudem sei absehbar, dass ein europäisches Backbone die Region nicht erreichen werde. Da sei Eigeninitiative die richtige Reaktion. In diesem Zusammenhang verwies Marx auf das IHK-Forum Wasserstoff am Donnerstag, 29. Juni, in Konstanz.
Nachfolge wird vorangetrieben
Die Amtszeit des Hauptgeschäftsführers endet zum neuen Jahr. Der Nachfolgeprozess läuft, erläuterte Conrady für die Findungskommission. Noch im Juni werde es erste Gespräche geben, auf der Sommervollversammlung im Juli bereits der Beschluss gefasst werden: „Das ist schon ein strammer Zeitplan“.
Zustimmung erhielten auch die wirtschaftspolitischen Grundsatzpositionen der DIHK zu den UN-Nachhaltigkeitszielen, die europapolitischen Positionen 2023 der IHK-Organisation und die verkehrspolitischen Grundsatzpositionen der IHKs in Baden-Württemberg. Diese Papiere werden in der Organisation vorberaten, periodisch fortgeschrieben und aktualisiert.
„Kleines Paradies“
Gastredner war Martin Dätwyler. Der Direktor der Handelskammer beider Basel (HKBB) sprach über das im ersten Anlauf gescheiterte Rahmenabkommen EU-Schweiz (InstA) und die offenen Fragen dazu. „Es steht viel auf dem Spiel“, warnte er und forderte damit die Schweizer Politik auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen: „Von den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU profitieren beide Seiten.“ 60.000 Pendler täglich bei Basel, große Unternehmen auf beiden Seiten des Rheins, Dienstleistungen über die Grenzen – es brauche gesetzliche Grundlagen, um das erfolgreiche Miteinander weiter zu gestalten. Wenn das gelinge, bleibe das Dreiländereck das, was es sei – ein „kleines Paradies“.
mrk
Bild: Claudius Marx (links) und Thomas Conrady verabschieden Johanna Speckmayer, Leiterin der Abteilung Weiterbildung, nach 18 Jahren bei
der IHK in den Ruhestand.